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15.06. – Welttag gegen die Misshandlung älterer Menschen

Jedes Jahr am 15. Juni findet seit 2006, ausgerufen durch das Internationale Netzwerk zur Prävention von Misshandlung älterer Menschen (INPEA) und mit der Verabschiedung der UN-Resolution 66/127 offiziell beschlossen, der „World Elder Abuse Awareness Day“ (Welttag gegen die Misshandlung älterer Menschen). Ziel dieses Tages ist, dass die ganze Welt ihren Widerstand gegen den Missbrauch und das Leid, das einigen unserer älteren Generationen zugefügt wird, zum Ausdruck bringt, denn ca. 1 von 6 Personen > 60 Jahren wurde im vergangenen Jahr in irgendeiner Form misshandelt. Zu betonen ist hierbei, dass die Rate der Misshandlung älterer Menschen in Einrichtungen wie Pflegeheimen und Langzeitpflegeeinrichtungen besonders hoch ist (2 von 3 Bewohner*innen gaben an, im vergangenen Jahr missbraucht worden zu sein). Und genau diese Orte wie Pflegeeinrichtungen sind in einer Vielzahl Einsatzorte der präklinischen Notfallmedizin und wir ggf. erste Zeug*innen und hoffentlich auch Hinweisgeber*innen, wenn sich uns solche Fälle präsentieren, denn Gewalt findet immer wieder statt, einmalige Übergriffe sind selten

Die UN hat die Misshandlung älterer Menschen definiert als „die einmalige oder wiederholte Handlung oder das Fehlen angemessener Maßnahmen in einer Beziehung, in der ein Vertrauensverhältnis besteht, das einer älteren Person Schaden oder Leid zufügt“. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Definition, Aufdeckung und Bekämpfung der Misshandlung älterer Menschen in einen kulturellen Kontext eingebettet und zusammen mit kulturspezifischen Risikofaktoren betrachtet werden muss. Das Problem der Gewalt bzw. Misshandlung ggü. älteren Menschen ist ein globales soziales Problem, das die Gesundheit und die Menschenrechte von Millionen älterer Menschen auf der ganzen Welt beeinträchtigt und nicht kleiner werden wird. Die Zahl der über 60-Jährigen wird bis 2030 sehr wahrscheinlich von einer Milliarde auf 1,4 Milliarden ansteigen und sich bis 2050 sogar auf 2 Milliarden verdoppelt haben, was in der Gesamtschau die Zahl der jungen Menschen übertreffen wird. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Anstieg in den Entwicklungsländern am stärksten und schnellsten sein wird.

Bzgl. der Häufigkeit von Misshandlung älterer Menschen gibt es leider nur vereinzelte Untersuchungen aus einigen Industrieländern gibt, welche von Prävalenzraten zw. 1 – 10 % liegen sollen. Aus medizinisch-gesundheitlicher und sozialer Sicht wird die Misshandlung älterer Menschen weiterhin unterdiagnostiziert bzw. übersehen, wenn nicht sowohl die medizinische Grundversorgung als auch die Sozialdienste gut ausgebaut sind, um Fälle zu erkennen und zu behandeln. So kommt schlussendlich die Misshandlung älterer Menschen zu schweren körperlichen Verletzungen und langfristigen psychischen Folgen führen kann.

Die Misshandlung älterer Menschen kann verschiedene Formen auftreten, z.B. körperlichen, psychologischen oder emotionalen, sexuellen und finanziellen Missbrauch. Sie kann auch das Ergebnis von absichtlicher oder unabsichtlicher Vernachlässigung sein.

Das Ausmaß der Misshandlung älterer Menschen

Laut einer großen Untersuchung, welche auf verfügbaren Daten aus 52 Studien in 28 Ländern aus verschiedenen Regionen, darunter 12 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, basieren, sind im Jahr 2016 15,7 % der Menschen > 60 Jahre in irgendeiner Form misshandelt worden. Die Dunkelzifferschätzungen sind aber erheblich höher, da nur einer von 24 Fällen gemeldet wird und nur etwa 15 % der missbrauchten älteren Erwachsenen Hilfe bei Behörden suchen, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass ältere Menschen oft Angst haben, Fälle von Misshandlung in der Familie, im Freundeskreis oder bei den Behörden anzuzeigen. Wenn der Anteil der Opfer von Misshandlungen konstant bleibt, wird die Zahl der Opfer aufgrund der Überalterung rasch ansteigen und bis 2050 auf 320 Millionen Opfer anwachsen.

Prävalenzschätzungen zur Anzahl älterer Menschen, die von verschiedenen Arten von Missbrauch betroffen sind, zeigen die nachfolgende Verteilung auf die unterschiedlichen Formen des Missbrauchs:

  • Psychischer Missbrauch: 11,6 %
  • finanzieller Missbrauch: 6,8 %
  • Vernachlässigung: 4,2 %
  • körperliche Misshandlung: 2,6 %
  • sexueller Missbrauch: 0,9 %

Eine norwegische Querschnittstudie aus dem Jahr in 16 Pflegeheimen konnte gezeigt werden, wie verbreitet das Phänomen von Gewalt in Pflegebeziehungen ist. Von den 616 Teilnehmenden berichteten…

  • … 30 % von inadäquater Pflege mit emotionalem Charakter.
  • … 76,7 % von inadäquater Pflege mit vernachlässigendem Charakter.
  • … 39,8 % von inadäquater Pflege mit physischem Charakter.

Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Erlebens einer der o.g. Formen von inadäquater Pflege erhöht ist, wenn es zum Faktor von aggressivem Verhalten der Bewohnenden kommt. Auch Yon et al. konnten in ihrem 2019 veröffentlichten systematischen Review bzw. Meta-Analyse „The prevalence of elder abuse in institutional settings“ folgende Zahlen in Bezug auf die Häufigkeit der jeweiligen Phänomenbereiche ermitteln:

  • Angaben durch Bewohnende oder Stellvertreter*innen selbiger
    • psychische Gewalt = 34,4 %
    • körperliche Gewalt = 14,1 %
    • Vernachlässigung = 11,6 %
    • finanzieller Missbrauch = 13,8 %
    • sexuelle Gewalt = 1,9 %
  • Selbstangaben der Mitarbeitenden
    • allgemeine Gewalthandlungen = 64,2 %
    • psychische Gewalt = 32,5 %
    • körperliche Gewalt = 9,3 %
    • finanzieller Missbrauch = 13,8 %
    • sexuelle Gewalt = 0,7 %

Spezifisch bzgl. des Themenbereiches von sexueller Gewalt gegen Pflegebedürftige konnte im Rahmen des Forschungsprojektes „Sexuelle/Sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege in Deutschland“ der Deutschen Hochschule der Polizei im Jahr 2021/2022 ermittelt werden, dass 25 % der befragten Leitungspersonen in Pflegeheimen gaben an, sich erinnern zu können, min. einen Fall sexuell nicht angemessenen Verhaltens ggü. Bewohner*innen beobachtet zu haben. Davon…

  • … 22 % durch andere Bewohner*innen.
  • … 2 % durch Angehörige bzw. Besucher*innen.
  • … 2 % durch Beschäftige in den Einrichtungen
  • … 1 % durch andere Dritte.

Weitere Zahlen zum Phänomenbereich „Sexuelle/Sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege“ findet ihr im Projektbericht „Sexuelle/Sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege in Deutschland (SeGEL)“ des Zentrums für Qualität in der Pflege und der Deutschen Hochschule der Polizei aus dem Februar 2023.

Arten von Misshandlung und Vernachlässigung älterer Menschen

Wichtig zu betonen ist, dass jede der Arten von Gewalt eine Verletzung der Menschenrechte darstellt!

DefinitionBeispiele
körperlicher
Missbrauch oder Misshandlung
(angedrohte) vorsätzliche Anwendung von körperlicher Gewalt, die zu Körperverletzung, körperlichen Schmerzen oder Beeinträchtigungen führen kann– Ohrfeigen, Schlagen, Treten, Schubsen, Haare ausreißen
– Anwendung von körperlichen Fesseln, Zwangsernährung
– Verbrennungen
– Verwendung von
Haushaltsgegenständen als Waffen, Gebrauch von
Schusswaffen und Messern
sexueller
Missbrauch
jede Art von sexuellem Kontakt mit einem älteren Erwachsenen, der nicht einvernehmlich ist, oder sexuelle Kontakt mit einer Person, die nicht in der Lage ist, ihre Zustimmung zu geben– Missachtung von Schamgefühlen
– sexuelle Nötigung oder Körperverletzung, wie z.B. Vergewaltigung, Sodomie, erzwungene Nacktheit, und/oder oder sexuell eindeutiges Fotografieren
– unerwünschte Berührungen, verbale sexuelle Annäherungsversuche
– unsittliche Entblößung
VernachlässigungVerweigerung oder Nichterfüllung der Verpflichtungen einer Person gegenüber einem älteren Erwachsenen, die zu einem Schaden führen können – absichtlich oder ungewollt– Vorenthaltung von Nahrung, Wasser, Kleidung, Unterkunft, Medikamenten
– Versäumnis die Körperpflege des älteren Erwachsenen zu übernehmen
– fehlende Bereitstellung von körperliche Hilfen, inkl. Medikamente, Gehhilfe, Brille, Hörgeräte, Zahnersatz
– fehlende persönliche Sicherheit und/oder angemessene medizinische Versorgung
emotionaler/ psychologischer
Missbrauch
vorsätzliches Zufügen von Qualen, Schmerzen oder Bedrängnis sowie häusliche Gewalt durch verbale oder nonverbale Handlungen– verbale Beschimpfungen, Belästigungen, oder Einschüchterung
– Androhung von Strafe oder Entzug
– Behandlung des älteren
Erwachsenen wie ein Kleinkind
– Isolierung des älteren
Menschen von anderen
finanzielle/
materielle
Ausbeutung
illegale oder unsachgemäße Verwendung des Geldes, Eigentum oder Vermögens eines älteren Erwachsenen– Stehlen von Geld oder
Habseligkeiten
– Einlösen von Schecks eines älteren Erwachsenen ohne Erlaubnis und/oder Fälschen seiner oder ihrer Unterschrift
– Nötigung eines älteren Erwachsenen zur Unterzeichnung von Verträgen, ein Testament zu ändern oder einer
dauerhaften Vollmacht
gegen seinen/ihren
Willen oder wenn der ältere
Erwachsene nicht über die
geistige Fähigkeit dazu
besitzt
Formen bei erweitertem Missbrauchsbegriffweitere Misshandlungsformen außerhalb des o.g. typischen Pentalogs von Missbrauch und Misshandlung– Nichtbefolgen eines Patientenwunsches oder einer Patientenverfügung
– Veranlassen von KH-Einweisung ohne zwingende Notwendigkeit
– unkritischer routinemäßiger Einsatz von Psychopharmaka in Pflegeheimen
– Inkaufnahme von
Bettlägerigkeit
– unkritisches, nicht indiziertes Anlegen eines Blasen-DK
– unkritisches Anwenden von Leitlinien bei multimorbiden und gebrechlichen Patienten (z.B. zu scharfe RR-Einstellung bei Patient*innen mit starker Stürzneigung)
Cocanour, Christine S., Randall S. Burd, und James W. Davis. „Best Practices Guidelines for Trauma Center Recognition of Child Abuse, Elder Abuse, and Intimate Partner Violence“. American College of Surgeons, 1. November 2019. https://www.facs.org/media/o0wdimys/abuse_guidelines.pdf.

Symptome der Misshandlung älterer Menschen

Art des MissbrauchsMerkmale
körperlicher Missbrauch– Verletzungen an Hand- oder Fußgelenken oder Narben, die auf eine Fixierung oder mögliche Eintauch-Verbrennung hindeuten
– mehrere Frakturen oder Blutergüsse unterschiedlichen Alters
– gemusterte Verletzungen (Bisswunden sowie Verletzungen & Striemen, die der Form einer Form einer Gürtelschnalle, Fingerspitze oder eines anderen Objekts ähneln)
– Blutergüsse an untypischen Stellen (seitlich an den Armen, Rücken, Gesicht, Ohren oder Nacken und nicht an Knochenvorsprüngen) und in unterschiedlichen Stadien
– Verbrennungen (v.a. Strumpf-/Handschuhmuster, v.a. bei Eintauchen, oder Zigaretten-/Zigarettenanzünder-Muster)
– traumatische Alopezie oder Hämatome der Kopfhaut
– subkonjunktivale, Glaskörper-/Netzhautblutungen
– zuvor nicht diagnostizierte Fraktur
– intraorale Weichteilverletzungen
– nicht erklärbare Schmerzen
– unerklärte Gangstörungen
sexueller Missbrauch– genitales, vaginales, rektales oder orales Trauma (inkl. Erythem, Blutergüsse, Risswunden)
– Anzeichen einer sexuell übertragbaren Krankheit
Vernachlässigung– schwacher Hautturgor & andere Anzeichen für Dehydrierung
– Dekubiti +/- mangelnde Pflege bestehender Hautläsionen
– unangemessene Kleidung (nicht passend zur Jahreszeit)
– schlechte Körperhygiene (z.B. volle Windeln)
– schmutzige, stark abgenutzte Kleidung
– Infektionen (v.a. Harnwegsinfekte)
– Kachexie/Mangelernährung
– unerklärbare Schmerzen
– verlängerte Zehennägel
– schlechte Mundhygiene
emotionaler/ psychologischer
Missbrauch
– Beharren der Pflegekraft darauf, Vorgeschichte zu liefern
– Benommenheit durch Medikamente zur „Ruhigstellung“
– Infantilisierung durch die Pflegeperson
– Schlaflosigkeit (bei allen Formen)
– Rückzug der Patient*innen
– depressive Symptomatik
– Ängstlichkeit
Cocanour, Christine S., Randall S. Burd, und James W. Davis. „Best Practices Guidelines for Trauma Center Recognition of Child Abuse, Elder Abuse, and Intimate Partner Violence“. American College of Surgeons, 1. November 2019. https://www.facs.org/media/o0wdimys/abuse_guidelines.pdf.

Risikofaktoren

Häusliche Gewalt gegen ältere Menschen geschieht meist nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus der Überforderung heraus. Entlassungsmaßnahmen helfen, die Gewalt zu verhindern oder zu beenden!

Risikofaktoren, Opfer von Missbrauch zu werden

  • Behinderung und/oder Pflegebedürftigkeit
  • Abhängigkeit von anderen Menschen, z.B. bei der Führung des Haushalts
  • Zusammenwohnen mit der betreuenden (gewaltausübenden) Person im selben Haushalt wohnen und/oder sonst weitestgehende soziale Isolation
  • schlechter körperlicher Gesundheitszustand
  • kognitive Beeinträchtigung
  • schlechter psychischer Gesundheitszustand (z.B. Demenz)
  • geringes Einkommen
  • Altersdiskriminierung
  • bestimmte kulturelle Normen (z.B. Normalisierung von Gewalt)
  • frühere Opfer von Gewalt

Risikofaktoren, Täter*in zu werden

  • psychische Erkrankungen
  • Drogenmissbrauch
  • Abhängigkeit der Täter*innen vom Opfer (häufig finanziell)
  • ständige Vorwürfe oder Provokationen seitens der pflegebedürftigen Person
  • Überforderung bei der Pflege von Nahestehenden im häuslichen Umfeld (keine Freizeit, Schlafmangel, Hilflosigkeit, schlechtes Gewissen)
  • Personalmangel in Pflegeeinrichtungen und die daraus resultierende Überforderung der Mitarbeitenden
  • Gewalttätigkeit, auch außerhalb der Betreuungssituation
  • soziale Isolierung
  • Gewalt seitens der pflegebedürftigen Person (v.a. bei Demenz)

Red Flags

  • zeitlicher Abstand zwischen Verletzung/Krankheit und Aufsuchen ärztlicher Hilfe
  • Diskrepanzen zwischen Beschreibung der Patient*innen und des Pflegepersonals
  • Verletzungensschwere ist nicht mit Erklärung der Pflegenden in Einklang zu bringen ist
  • nichtplausible/vage Erklärung der Verletzung durch Patient*innen oder Pflegekräfte
  • gehäufte Aufenthalte in Notaufnahmen wegen Exazerbationen chronischer Erkrankungen, obwohl entsprechender Behandlungsplan und ausreichende Ressourcen vorhanden sind
  • Abwesenheit des Pflegepersonals bei Vorstellung funktionell beeinträchtigter Patient*innen beim Arzt
  • Laborbefunde, die nicht zur Vorgeschichte passen
  • Weigerung der Pflegenden, professionelle häusliche/ambulante Pflege zu akzeptieren

Management

Intervention bei einsichtigen, kooperative Täter*innen

  • pflegerische Entlastung vermitteln
  • Kurzzeitpflege/Verhinderungspflege in Anspruch nehmen
  • ambulanten Pflegedienst einschalten
  • Tagespflege anregen und vermitteln
  • Umzug in Pflegeheim anregen und vermitteln

Intervention bei uneinsichtigen, nicht kooperative Täter*innen

  • notfallmäßige Krankenhauseinweisung (am besten geriatrische oder gerontopsychiatrische Klinik; wenn nicht verfügbar Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses)
  • bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch zwischen Bewohner*innen eines Pflegeheims: räumliche Trennung durch Verlegen in einen anderen Pflegebereich

Sofern sich der Verdacht der Misshandlung bzw. des Missbrauchs ggü. älterer Personen erhärtet oder sogar bestätigt und weiterhin eine akute Gefährdung für die Betroffenen besteht, so ist im Rahmen des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) die Polizei und/oder andere Aufsichtsbehörden zu informieren, sofern eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut besteht. Natürlich nur, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

Kommunikationsansatz bei vagem Verdacht

Sollte der Verdacht auf mögliche Misshandlung/Missbrauch ggü. alten Menschen bestehen, eignen sich die fünf Fragen des Elder Abuse Suspicion Index (EASI) zur weiteren Abklärung bzw. zur Verfestigung der Verdachtsmomente:

  • Benötigen Sie von anderen Personen Unterstützung für eine der folgenden alltäglichen Verrichtungen: Baden, ankleiden, einkaufen, Rechnungen bezahlen, Mahlzeiten zubereiten?
  • Hat Ihnen jemand je Lebensmittel, verordnete Medikamente, Ihre Brille, Ihr Hörgerät oder medizinische Pflege vorenthalten oder Sie von Menschen, mit denen Sie sich gerne getroffen hätten, ferngehalten?
  • Haben Sie sich schon geärgert, weil jemand so mit Ihnen geredet hat oder umgegangen ist, dass Sie das beschämt hat oder Sie sich bedroht gefühlt haben?
  • Hat jemand je versucht, Sie zu zwingen, gewisse Papiere zu unterschreiben oder Ihr Geld anders zu gebrauchen, als Sie es wollen?
  • Hat Ihnen schon jemand Angst gemacht, Sie auf eine Art berührt, die Sie nicht wollten, oder Ihnen körperlich Schmerzen zugefügt?

Für einen ggf. passenden Einstieg eignet sich z.B. die Formulierung „Manchmal kommt es in Situationen häuslicher Pflege vor, dass […]. Wie ist das bei Ihnen?“

Dokumentation

Wie in jeder Situation auch, ist die Dokumentation das A und O im Nachgang des Einsatzes. Wichtig ist bei Einsätzen mit tatsächlichem oder vermutetem Missbrauch die detaillierte Beschreibung jeder Verletzung, im besten Fall auch unterstützt durch Fotos, Zeichnungen, Röntgenbilder und andere objektivierbare Dokumente, sowie auch die vollständige Beschreibung des kognitiven Status, v.a. hinsichtlich psychiatrischer Erkrankungen und/oder Auffälligkeiten wie Deprivation.

Folgen der Misshandlung älterer Menschen

  • schwerwiegende körperliche Folgen wie Verletzungen, AZ-Verschlechterung etc.
  • erhöhte Mortalität (Daten zeigen, dass in Pflegeeinrichtungen lebende Personen > 65 Jahre, die Opfer von Misshandlung, Ausbeutung oder Vernachlässigung geworden sind, eine Überlebensrate von nur 9 % im Vergleich zur Kontrollgruppe mit 40 %
  • schwerwiegende seelische/psychiatrische Folgen, ausgelöst durch Gefühle der Erniedrigung, Beschämung, Missachtung und Hoffnungslosigkeit bis hin zur Selbstaufgabe
    • Vermehrung und Chronifizierung von Ängsten
    • Pathologische Trauerreaktion und reaktive Depression, Auftreten von psychosomatischen Erkrankungen
    • kognitive Störungen wie Abbau der Denkfähigkeit
  • schwerwiegende soziale Folgen wie Armut, finanzieller Ruin und Unterbringung in Pflegeheimen
  • Verlust von Vertrauen in Angehörige oder Professionelle, wenn diese die Täter/innen sind
  • Destruktive Umgangsweisen mit sich selbst bis hin zum Suizidversuch

Wie kann gute Prävention aussehen, v.a. in der Pflege?

  • Strategie der «offenen Türe» durch Leitungspersonen für Mitarbeitende, Bewohner*innen und Angehörige
  • Schaffen einer Kultur der Verantwortlichkeit und Einfordern der Einhaltung von Richtlinien
  • funktionierende Kommunikation und professionelle Gesprächs- und Sprachkultur
  • kontinuierliche, verpflichtende Weiterbildungs- und Ausbildungsangebote für Mitarbeitende
  • Einsetzung von Meldesystemen und/oder Ombudsstellen
  • zeitnahe Untersuchung von Verdachtsfällen durch Aufsichtsstellen und/oder ggf. auch die Polizei und andere Ordnungsbehörden
  • Unterstützung durch Supervision für Mitarbeitende
  • Professioneller Umgang mit Gefühlen und Grenzsituationen wie Aggression und Wut, Ekel, Sterben, Krankheit und Leid sowie Schmerz

Quellen

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