veröffentlichende Fachgesellschaft: Together for Short Lives
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 02.05.2022
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.togetherforshortlives.org.uk/app/uploads/2022/05/Basic-Symptom-Control-in-Paediatric-Palliaitive-Care-2022.pdf
Arten von Notfällen in der pädiatrischen Palliativmedizin
Vielzahl der Notfälle lässt sich vorhersehen, wenn man den natürlichen Krankheitsverlauf kennt und wenn man das einzelne Kind kennt.
- starke Schmerzen
- Atembeschwerden und Atemwegsobstruktion
- Obstruktion der Vena cava superior
- Kompression des Rückenmarks
- Agitation
- Hämorrhagie
- Krampfanfälle
- Harnverhalt
- maligne Darmobstruktion
Therapie
- Besprechen von möglichen weiteren Ereignisse mit der Familie
- Besprechen, wie diese Ereignisse zu Hause, im Krankenhaus oder im Hospiz bewältigt werden könnten
- Abklärung, wo Familie und v.a. das Kind in einer Notfallsituation sein wollen, z.B. im Hospiz oder zu Hause, bzw. was die Prioritäten des Kindes und der Familie sind
- Abklärung, ob ein Managementplan für die palliative Versorgung, v.a. in Notfällen, vorliegt
- Abklärung, ob Unterstützung durch ambulantes Palliativ-Team schon vorhanden, möglich oder nötig ist
med. Management
CAVE: meist ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Symptombehandlung zu verfolgen, da Medikamente allein selten ausreichen
- Abklärung, ob die zugrunde liegende Ursache wahrscheinlich reversibel ist?
- Abklärung, ob die ggf. „notwendigen“ Untersuchungen angemessen bzw. notwendig sind? (z.B. zusätzlicher Transport in Klinik etc.)
- Abklärung, ob die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache die Prognose oder die verbleibende Lebensqualität verbessert?
unkontrollierte oder unzureichend kontrollierte Schmerzen
- Abklärung der aktuell verordneten Analgetika etc. und, ob diese ausreichend sind
- sofern keine neuropathische Medikation verordnet ist, diese additiv verordnen oder dieses an Palliativ-Team oder Hausarzt/-ärztin delegieren
- Vorhandensein einer Schmerzpumpe
- Berechnung der benötigten Tagesgesamtdosis und die stündlich zu verabreichenden Dosis
- Gabe von 50 % der Stundendosis als Bolus
- Pumpe so einstellen, dass Bolusabgabe alle 5 – 10 min erfolgt
- keine Schmerzpumpe vorhanden
- 10 – 20 % der täglichen Opioid-Gesamtdosis als Bolus alle 10 – 15 min
- Bolus bei jeder dritten Dosis um 30 – 50 % erhöhen, bis wirksame Analgesie erreicht ist (Dies ist dann die nachfolgend zu verabreichende Bolusdosis)
neuropathische Schmerzen
- neuropathische Schmerzen in Betracht ziehen, wenn Patient*in trotz Opioiden unter schnell eskalierenden Schmerzsymptomen leidet, v.a. bei soliden Tumoren
- Behandlung mittels Ketamin s.l., kontinuierlich i.v. über Schmerzpumpe oder s.c.
Kurzatmigkeit
- Situationen mit der Gefahr einer Atemnot
- verringertes Lungenvolumen (z.B. Tumorwachstum, chronische Lungenerkrankung)
- Obstruktion der oberen Atemwege (z.B. durch Tumor)
- Pneumothorax (z.B. bei Kindern mit Lungenmetastasen)
- Obstruktion der oberen Hohlvene (Vena cava superior)
- Lungenödem (z.B. bei Kindern mit Herzschwäche)
- thorakale Infektionen
- Blutarmut/Anämie
- Behandlung zugrundeliegender Ursache immer in Betracht ziehen (CAVE: möglicherweise nicht immer sinnvoll oder möglich):
- Steroide und Strahlen-/Chemotherapie bei malignen Erkrankungen
- Thoraxdrainage bei Pneumothorax
- Diuretika bei Lungenödemen
- Antibiotika bei einer Brustkorbinfektion
- Therapie der schweren, plötzlich auftretenden Atemnot
- ruhige Umgebung schaffen
- Unterstützung bei der Suche der optimalen Position
- ggf. mit kleinem Ventilator sanft Luft ins Gesicht blasen
- Anwendung von Entspannungs- und Atemtechniken
- medikamentöse Therapie mit Kombination aus Morphin und Midazolam (CAVE: oftmals Morphin schon verordnet)
- Analgesie über Schmerzpumpe mit Dosis von 5 – 10 μg/kg/h sowie Sedierung mit Anfangsdosis für Midazolam von 5 – 10 μg/kg/h und initalen Boli von 5 μg/kg alle 5 min
- bei V.a. Lungenödem Gabe von Furosemid, auch als Dauerinfusion, in Betracht ziehen
Kompression des Rückenmarks
- dringender medizinischer Notfall, bei dem sofortige angemessene Behandlung unerlässlich ist
- am häufigsten bei Kindern mit intramedullären Metastasen, intraduralen Metastasen oder extraduraler Kompression (Wirbelkörper-Metastasen, Wirbelkollaps, Unterbrechung der Gefäßversorgung)
- frühe Anzeichen einer Rückenmarkskompression
- Rückenschmerzen
- Schwäche der Beine
- leichte Gefühlsstörungen in den Beinen
- späte Anzeichen einer Rückenmarkskompression:
- ausgeprägte Schwäche
- sensorische Störungen
- Störung des Sphinkter
- Notfallbehandlung erfolgt mit Steroiden,i.d.R. Dexamethason
- Schmerzbehandlung erfordert i.d.R. sowohl Opiat als auch neuropathische Arzneimittel
Agitation
- ggf. zugrunde liegenden Ursachen zu berücksichtigen und zu behandeln, z.B:
- Angst, Unruhe, Alpträume
- Schmerz
- Medikation
- Verstopfung
- Dehydrierung
- Hypoxie
- Anämie
- plötzlich auftretende schwere Unruhezustände mit Benzodiazepinen wie Midazolam, Lorazepam oder Clonazepam behandeln
- Applikationsart hängt von jeweiliger Situation ab (bukkale und s.l.-Applikation kann schnelle Verabreichung gewährleisten)
- ggf. zusätzlich zu oder anstelle von Benzodiazepin Antipsychotikum wie Haloperidol oder Olanzepin erwägen
- CAVE: Eskalation der Benzodiazepin-Gabe kann mit paradoxer Erregung einhergehen
akute pulmonale Hämorrhagie
- dunkel gefärbte Handtücher und Bettwäsche, damit Blutung optisch weniger dramatisch ist
- Midazolam oral, i.n., s.c. oder i.v. mit Anfangsdosis von 5 μg/kg verabreichen und Dosis so lange wiederholen, bis Beruhigung eintritt
- nach Bolusdosen kontinuierliche Midazolam-Infusion in Erwägung ziehen
Krampfanfälle
- Krampfanfälle gemäß den örtlichen Protokollen mit Diazepam, Midazolam bukkal, Paraldehyd und/oder Midazolam/Lorazepam i.v. behandeln
- bei Status epilepticus hängt die Behandlung von der zugrundeliegenden Diagnose, der aktuellen medikamentösen Anfallsbehandlung und dem bisherigen Ansprechen auf die Akutbehandlung ab
- Abklärung, ob Notfallplan vorliegt und dieser Behandlungsoptionen für Krampfanfall enthält
- falls Krampf nicht sistiert, Gabe von Phenobarbital, Phenytoin oder Levetiracetam in Betracht ziehen
Harnverhalt
- häufigsten Ursachen für Harnverhalt sind
- Nebenwirkung des Morphins
- Kompression des Rückenmarks
- Verstopfung
- Schaffen einer entspannten Atmosphäre und sanfte Massage der Blase sind hilfreich
- Behandlung der zugrundeliegenden Ursache kann wirksam sein (z.B. Umstellung auf ein anderes Opiat oder Anwendung von Dexamethason)
- warmes Bad und Ermutigung des Kindes, in die Badewanne zu urinieren, sind oft das wirksamste Krisenmanagement für Kinder mit opioidinduziertem Harnverhalt
- ggf. Katheterisierung notwendig, meist nur temporär (CAVE: Tumor im Harnwegsbereich)
Darmobstruktion
- Darmverschluss häufig bei Kindern mit Becken- und Bauchtumoren
- Anzeichen für Darmverschluss
- Übelkeit und Erbrechen (Erbrechen zeigt sich in Form von Galle und später in Form von Fäkalien)
- Ausbleiben des Stuhlgangs, manchmal mit anfänglichem „Überlauf“-Durchfall, v.a. bei Einnahme von Abführmitteln
- Unterleibsschmerzen und Krämpfe
- geblähtes Abdomen
- symptomatische Behandlung mit dreigliedriger Therapie aus Analgetika (z.B. Buscopan), Antiemetika (keine prokinetischen Antiemetika) und Medikamente gegen Sekretion meist erforderlich
- ggf. Anlage einer Magensonde zur Reduktion des Erbrechens erwägen
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