veröffentlichende Fachgesellschaft: American College of Surgeons
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.11.2020
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.facs.org/quality-programs/trauma/quality/best-practices-guidelines/
Pathophysiologie des Schmerz
- Schmerz ist ein mehrdimensionales, emotionales und sensorisches Erfahren/Erleben
- Reaktion des Patienten darauf kann variieren
- Entwicklung chronischer Schmerzen ist nach einem Trauma häufig und es kann zu erheblichen langfristigen Funktionsbeeinträchtigungen führen und möglicherweise zu einer Substanzgebrauchsstörung kommen
- Physiologie der Schmerzweiterleitung sowie Schmerzmanagement/-Interventionen
Bewertungsskalen
- Wahrnehmung und Kommunikationsfähigkeit des Patienten bei der Schmerzbeurteilung berücksichtigen; kann durch Verletzungen, Erkrankungen, Alter und andere Faktoren beeinflusst sein
- Schmerzen sollten idealerweise mit dem gleichen Bewertungstool regelmäßig neu bewertet werden
- regelmäßige Reevaluation, um signifikante Schmerzveränderungen, um sofort unbemerkte, neue oder sich entwickelnde Verletzungen/Probleme zu identifizieren
Numerische Bewertungsskala/Numeric Rating Scale (NRS)
- NRS ist ein 11-Punkte-Schmerzskala
- dient dazu das aktuelle Schmerzniveau zu bewerten
- Skala geht von 0 bis 10, wobei 0 für keine Schmerzen steht und 10 für den schlimmsten vorstellbaren Schmerz
- üblichst genutzte Skala, um akute Schmerzen zu beurteilen, vor allem aufgrund der Einfachheit der Skala
Visuelle Analog Skala/Visual Analoge Scale (VAS)
- Assessment-Tool zur Selbsteinschätzung akuter Schmerzen
- Patient markiert hierbei die Schmerzstärke auf einer 10 cm Linie mit der Einteilung „kein Schmerz“ auf der linken Seite und schlimmst möglicher Schmerzen auf der rechten Seite
- für die Bewertung können die Zahlen von 0 bis 10 unter der Linie aufgeführt sein
Defense and Veterans Pain Rating Scale (DVPRS)
- ein grafisches Bewertungsinstrument zur Selbsteinschätzung akuter Schmerzen
- beruht auf gleicher Skala wie der NRS, bietet aber weitere Beschreibungen der einzelnen Schmerzstufen, eine Farbcodierung und Cartoon-Gesichtsausdrücke
- reicht ebenfalls von 0 („keine Schmerzen“) bis 10 („so schlimm wie nichts anderes, sodass nichts anderes mehr wahrnehmbar ist“)
- darüberhinaus beinhaltet die DVPRS ergänzende Fragen, die den Grad messen wie sehr der Schmerz das übliche Aktivitäten, den Schlaf, die Stimmung und den Stress beeinflusst
Verhaltensschmerzskala/Behavior Pain Scale (BPS)
- Tool mit drei Hauptkategorien mit jeweils vier Punkten mit einem möglichen Punktebereich von 3 – 12
- > 6 Punkte = inakzeptables Schmerzniveau hin
- BPS ist es eine Skala für Pflegekräfte und medizinische Fachkräfte, die auch bei sedierten, mechanisch beatmeten und schwerkranken Patienten anwendbar ist
Indikator | Punkte | Beschreibung |
---|---|---|
Gesichtsausdruck | 1 | entspannt |
2 | teilweise angespannt | |
3 | vollständig angespannt | |
4 | grimassieren | |
Bewegungen obere Extremitäten | 1 | keine Bewegung |
2 | teilweise Bewegung | |
3 | Anziehen mit Bewegungen der Finge | |
4 | ständiges Anziehen | |
Compliance bei mechanischer Beatmung | 1 | Tolerierung |
2 | selten Husten | |
3 | Kämpfen gegen das Beatmungsgerät | |
4 | kontrollierte Beatmung nicht möglich | |
Gesamtpunkte | … von 12 |
DOLOPLUS-2
- verhaltenswisenschaftlich basierte Beurteilung für Erwachsene, die kognitiv beeinträchtigt sind
- angepasste Variante des DOLOPLUS, einem Tool entwickelt für die Beurteilung neoplastischer Schmerzen bei Kindern
- Verhaltensmanifestationen von Schmerzen werden bei Doloplus-2 in drei Domänen erfasst: somatisch, psychomotorisch und psychosozial
- ist anwendbar bei Patienten im gesamten Spektrum kognitiver Beeinträchtigungen
Pain Assessment in Advanced Dementia Scale (Pain-AD)
- Skala mit Bewertung von 0 – 10 in fünf Kategorien
- bei hospitalisierten geriatrischen Patienten mit Demenz ist die PainAD zuverlässiger und valider als eine standardisierte eindimensionale Bewertungsskala wie NRS
Indikator | Punkte | Beschreibung |
---|---|---|
Atmung | 0 | normal |
1 | gelegentlich erschwerte Atmung | |
2 | kurze Hyperventilationen | |
negative Lautäußerungen | 0 | keine |
1 | – gelegentliches Jammern und Stöhnen – negative/ablehnende Sprache auf niedrigem Niveau | |
2 | – wiederholtes Aufschreiben – lautes Jammern und Stöhnen – Weinen | |
Gesichtsausdruck | 0 | lächeln/ausdrucklos |
1 | traurig/erschrocken/Stirn runzelnd | |
2 | grimassieren | |
Körpersprache | 0 | entspannt |
1 | – angespannt/nervös – gestresstes Auftreten und Zappeln | |
2 | – geballte Fäuste/angezogene Beine – ziehen/wegschieben anderes – um sich schlagend | |
Tröstbarkeit | 0 | kein Trösten notwendig |
1 | abgelenkt/Beruhigung durch Stimme/Beruhigung | |
2 | keine Trösten, Ablenken oder Beruhigen möglich | |
Gesamtpunkte | … von 10 |
Therapie
pharmakologische Analgesie
- Paracetamol oder NSAR, sofern nicht kontraindiziert
- Opioide zur Behandlung von akutem, schwerem nozizeptivem Schmerz
- jedoch kann durch Verwendung das ZNS eingeschränkt sein und es kann zur Atemdepression sowie Ileus und Toleranzentwicklung kommen
- übermäßige Einnahme von Opioiden, insbesondere als Monotherapie zur Analgesie, kann zur Opioidabhängigkeit führen
- andere Risikofaktoren für chronischen Opioidkonsums nach Trauma sind chronische Rückenschmerzen, Depressionen und längere Krankenhausaufenthalte
- Patienten regelmäßig beurteilen, um die Art des Schmerzes (nozizeptiv, neuropathisch, viszeral, etc.) zu erkennen, berücksichtigen sie hierbei andere systemische Verletzungen und/oder Begleiterkrankungen, die erhöhte Vorsicht erfordern, wenn Schmerzmittel verschrieben werden
- ggf. die entsprechend medikamentöse Behandlung optimieren
prähospitales Schmerzmanagement
- Ketamin ist das Schmerzmittel der ersten Wahl aufgrund der begrenzten hämodynamischen Wirkung
- bei Traumapatienten mit erhaltener pharmakologischer Analgesie Überwachung der Vitalparameter wie Sauerstoffsättigung und ggf. kontinuierliche Überwachung des endtidalen CO2, um Zustandsverschlechterungen zu erkennen
Schmermanagement bei Kindern
- pädiatrische Patienten haben alters-/entwicklungsspezifische Faktoren, die bei der Bewertung und dem Management von Schmerzen berücksichtigt werden müssen
- multimodaler Ansatz einschließlich lokaler, regionaler und systemischer schmerzstillender pharmakologischer Interventionen wird im Umgang mit traumatischen Schmerzen bei Kindern empfohlen
- Diazepam
- i.v.: 0,05 mg/kg in 4 – 6h
- Ketamin
- i.n.: 1,5 mg/kg
- i.v./i.m.: 0,3 mg pro kg
- Fentanyl
- i.n.: 1,5 µg/kg
- i.v.: 1 – 2 µg/kg innerhalb 1h
Schmerzmanagement bei Schwangeren
- Schwangerschaft ist kein Ausschlusskriterium für Schmerzbehandlung nach Traumata; unbehandelte Schmerzen können nachteilige Folgen für die Mutter als auch für den Fötus haben
- nichtpharmakologisches Schmerzmanagement sollte für schwangere Traumapatientinnen bevorzugt werden
- pharmakologische Therapie durch schrittweise Titration von Medikamenten minimieren, falls möglich
Medikament | Applikationswege | 1. Trimester | 2. Trimester | 3. Trimester |
---|---|---|---|---|
Fentanyl | i.v., i.n. | X | X | X |
Ketamin | i.v., i.m. | X | ||
Morphin | oral, i.v. | X | X | X |
Schmermanagement bei Patienten mit Depressionen
- Depressionen, Angst(störungen) oder andere Stimmungstörungen/psychische Erkrankungen können einen kausalen Zusammenhang mit akuten und chronischen Schmerzen haben
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