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Leitlinie „akute Einwirkungen von chemischen Substanzen – Ethylenglykol“ der BASF

veröffentlichende Fachgesellschaft: BASF Corporate Health Management – Humantoxikologie
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.01.2020
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.communications.extranet.basf.com/portal/basf/en/dt.jsp?setCursor=1_877454

Grundsätzliches

  • Ethylenglykol (HOCH2CH2OH)
  • Synonyme: 1,2-Dihydroxyethan,1,2-Ethandiol, 2-Hydroxyethanol
  • findet breite Verwendung als Lösemittel, Frostschutzmittel und Hydraulikflüssigkeit, als Weichmacher und Trocknungsmittel und als ein Zwischenprodukt in der chemischen Industrie

Exposition

  • wird gut über die Atemwege aufgenommen, aufgrund der geringen Flüchtigkeit ist das Risiko aber gering
  • kann als Aerosol oder Dampf von heißen Ethylenglykolhaltigen Produkten eingeatmet werden
  • kann leichte Reizungen an Haut und Augen hervorrufen; wird sehr schwer durch die intakte Haut aufgenommen
  • Verschlucken von Ethylenglykol bewirkt schwere systemische Vergiftung; wird gut im Magen-Darmtrakt resorbiert

Symptomatik

  • Verschlucken von 30 mL oder mehr sollte als schwere, das Verschlucken von mehr als 100 mL als lebensbedrohende Intoxikation betrachtet werden
  • längere Dampf/Aerosol-Inhalation kann auch zu systemischer Vergiftung führen
  • Vergiftungssymptomen kann Latenzzeit von 1 bis 4 Stunden vorausgehen
  • drei Phasen können gewöhnlich unterschieden werden:
    • initiale ZNS-Depression gleicht der von Ethanol mit Schwindel, Agitation, Nystagmus, Übelkeit, Tachykardie, Blutdruckanstieg und Erbrechen; in schweren Fällen kommt es zu Konvulsionen und Koma
      • Hyperventilation verstärkt die metabolische Azidose und steht mehr und mehr im Vordergrund
    • etwa 8-24 Stunden nach Verschlucken kommt es zu Dyspnoe, Hyperventilation, Tachykardie, Zyanose und Blutdruckanstieg; Entwicklung Lungenödem mit massiven Infiltrationen, speziell bei Oligurie
      • in diesem Stadium kann es zum Tode kommen
    • nach 24-36 Stunden kann es bei unzureichender Behandlung von schweren Fällen zu ausgeprägter Oligurie kommen; Urin-Sediment enthält verschiedene Zylinder, in vielen Fällen auch Kalziumoxalat-Kristalle
      • akute Oligurie kann sich bei entsprechender Behandlung zurückbilden
  • kann in Kontakt mit den Augen, der Haut und den oberen Atemwegen leichte Reizeffekte hervorrufen, die sich in Rötung der Augen und Tränenfluss, Husten sowie Entfettung und Entzündung der Haut äußern können

Maßnahmen

  • Eigenschutz durch Tragen eines umluftunabhängiges Atemschutzgerät und eines Chemieschutzanzug (kontaminierte Ausrüstung nicht nochmals verwenden!!!)
  • unmittelbare Rettung des Patienten aus Gefahrenbereich
  • Einleitung lebensrettender Maßnahmen gemäß ABC-Schema
  • nach Verschlucken
    • wenn der Patient bei Bewusstsein, bei Erwachsenen unverzüglich 0,7 g Ethanol/kgKG in Form alkoholischer Getränke zu sich nehmen, z.B. 150 mL Whiskey oder Weinbrand
    • kein Erbrechen herbeiführen
    • nur wenn Bewusstsein des Patienten beeinträchtigt ist oder große Mengen Ethylenglykol vor nicht mehr als 30 Minuten verschluckt wurden, Magenspülung mit einer kleinlumigen Sonde in Betracht ziehen
    • 4-Methylpyrazol, ein synthetischer Inhibitor der Alkoholdehydrogenase, wird vielfach als Mittel der 1. Wahl betrachtet:
      • unverzügliche i.v.-Infusion in Anfangsdosis von 15 mg/kgKG über 30 Minuten
      • frühzeitige Gabe von 4-Methylpyrazol reduziert wahrscheinlich die Häufigkeit notwendiger Dialysebehandlungen
    • wenn 4-Methylpyrazol nicht verfügbar ist, stellt die i.v.-Infusion von 0,7 g Ethanol/kg KG alternative Therapiemöglichkeit dar
    • wenn der Patient bereits Ethanol aufgenommen hat, muss diese Ethanoldosis so modifiziert werden, sodass der Blutethanolspiegel nicht 1 bis 1,3 g/L (21,7 bis 28,2 mmol/L) überschreitet
    • bei Zeichen einer Hypoxie Gabe von befeuchtetem Sauerstoff
  • bei respiratorischer Insuffizienz endotracheale Intubation oder alternatives Atemwegsmanagement; wenn dies nicht durchführbar, ggf. Koniotomie.
  • Reinigung
    • bei reiner Exposition mit Dämpfen ohne Haut-/Augenreizung keine speziellen Reinigungsmaßnahmen
    • bei verunreinigter Kleidung, diese sofort entfernen
    • bei ophthalmologischer Beteiligung Augenspülung mit Wasser oder neutraler NaCl-Lösung über min. 15 Minuten (Kontaktlinsen vorher entfernen!!!)
    • bei direkter Haut-/Haarexposition Spülung mit Wasser über min. 15 Minuten

Akutpatienten

  • O2-Gabe
  • Gabe von 8 Sprühstößen Beclometason (Dosieraerosol)
  • Anlage pVK
  • bei Atemwegsverengung (Stridor/Bronchospasmus)
    • Adrenalin vernebeln (2 mg/2 mL mit 3 mL NaCl 0,9%)
    • i.v.-Gabe von 250 mg Methylprednisolon oder Äquivalent
  • bei toxischem Lungenödem (schaumiger Auswurf, feuchte RGs)
    • CPAP-Beatmung
    • i.v.-Gabe von 1000 mg Methylprednisolon oder Äquivalent
  • bei progredienter respiratorischer Insuffizienz
    • eskalierendes Atemwegsmanagement mit ETI oder ggf. Koniotomie
  • Antidottherapie: kein spezifisches Antidot bekannt
  • Transport in Klinik mit intensivmedizischer Abteilung
    • Verbrennungsklinik oder ophthalmologische Fachabteilung in Betracht ziehen, da ophthalmologische Exposition und dermale Exposition wie Verbrennungssymptomatik zu therapieren ist

asymptomatische Patienten

  • Beurteilung durch Arzt
  • Hinweis zur Alarmierung des Notrufs bei Verschlechterung des AZ
  • kein Rauchen und Alkohol für die nächsten 72 Stunden
  • keine körperliche Arbeit für die nächsten 24 Stunden
Published inLeitlinien kompakt

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