veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 31.08.2015
Ablaufdatum: 03.08.2020
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-023.html
Definition
- plötzliche Schmerzen, Schwellung und Rötung eines, selten beider Skrotalfächer, als Leitsymptome für akutes Skrotum
- Ausmaß der Veränderungen kann variieren
- auslösende Ursachen typischerweise nicht nachvollziehbar
- Verursachung durch Erkrankungen aber auch Verletzungen mit vergleichbaren Symptomen
Anamnese und allgemeine klinische Symptomatik
- Anamneseerhebung und klinische Untersuchung bei akuten skrotalen Beschwerden in unmittelbarer Abfolge aufgrund der Dringlichkeit
- Klärung genauer zeitlicher Ablauf der Schmerzsymptomatik (Beginn/Intensität?); ggf. auch fremdanamnestisch
- Abklärung Vorhandensein Leistenhernie oder Hodenhochstand
- Fieber, Abgeschlagenheit, Dysurie, Flanken-/ Unterbauchschmerzen, kolikartige Beschwerden oder begleitende Hämaturie (Harnwegsinfektion/Urolithiasis?) sowie Gelenkbeschwerden, allgemeine Hautphänomene oder Kopfschmerzen (Immunvaskulitis?) differentialdiagnostisch wichtig
- Übelkeit und Erbrechen ggf. schmerzassoziiert bei Hodentorsion oder auch mit allgemeinen Infekten oder abdominellen Erkrankungen
- Leisten- oder Unterbauchsymptome sowie vegetative Veränderungen wie Tachykardie oder Schweißausbruch bis hin zum Schock
- Abklärung sexuelle Aktivität als potentielle Quelle für skrotale und dann häufig entzündlich bedingte Beschwerden
körperliche Untersuchung
- unverzüglich durchführen
- droht Zeitverzug, bedarf es einer gezielten Ansprache und Befunderhebung über persönliche Befindlichkeiten des Patienten hinweg!
- wenn möglich Patient im Stehen und liegend untersuchen
- bei Inspektion ist auf Rötung, Schwellung, Asymmetrien, Ödem, Hämatome oder Petechien sowie auf Insektenstiche oder anderweitige Läsionen achten
- Lage, Größe, Konsistenz und Abgrenzbarkeit von Hoden und Nebenhoden sowie deren Mobilität in den jeweiligen Skrotalfächern prüfen
- Kremasterreflex
- Auslösung durch Bestreichen der Innenseite des Oberschenkels gefolgt von einer Aufwärtsbewegung des ipsilateralen Hodens
- fehlende Reflexantwort auf der symptomatischen Seite spricht für eine Hodentorsion
- Prehn-Zeichen: positiv bei Schmerzverstärkung bei Anheben des betroffenen Hodens
Differentialdiagnosen und spezifische Therapie
Hodentorsion
- akute Drehung von Hoden und Samenstrang um die Längsachse mit nachfolgender Drosselung oder Unterbrechung der Durchblutung
- abhängig vom Ausmaß der Torsion innerhalb von 2 – 12 (im Mittel 6 – 8) Stunden hämorrhagische Infarzierung und Nekrose des Hodens
- höchste Dringlichkeit ohne Zeitverzug der therapeutischen Intervention
- Formen
- primär nur venöse Abflussstörung (inkomplette Torsion)
- vollst. Unterbrechung der Blutzufuhr (komplette Torsion)
- Symptomatik
- plötzliche heftige Schmerzen in einer Skrotalhälfte mit starkem lokalem Druckschmerz (Ausstrahlung in Leiste und Unterbauch)
- Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch und Tachykardie bis hin zum Schock
- lokal zunehmenden Schwellung und zunächst nur mäßige Rötung des betreffenden Hodenfaches
- betroffener Hoden steht höher und erscheint weniger mobil
- jegliche Manipulation ist schmerzhaft
- positives Prehn-Zeichen
- Kremasterreflex auf der betroffenen Seite nicht auslösbar
- Therapie
- manuelle Detorsion nach kurzer Schmerzanamnese bei gesicherter Hodentorsion bleibt außerklinischen Notfällen oder absehbarem Zeitverzug für eine operative Versorgung vorbehalten
traumatische Hodentorsion
- seltenes, aber mögliches Ereignis
- Problematik besteht darin, typische, allein durch das Trauma erklärliche Schmerzen im Skrotalfach (Schwellung, Hämatom, Kontusionsfolgen) zeitnah von Symptomen einer Torsion zu trennen
Epididymoorchitis
- akute Entzündungen von Hoden und Nebenhoden
- Symptomatik
- eher schleichender Krankheitsbeginn mit zunehmender, zumeist einseitig schmerzhafter Schwellung von Nebenhoden und/oder Hoden
- Fieber, Dysurie oder Pollakisurie sind seltene Begleitsymptome
- Hoden ist mobil
- Hoden und Nebenhoden lassen sich trotz lokaler Dolenz voneinander abgrenzen
- Schmerzen können bei Anheben des betroffenen Hodens abnehmen
- Kremasterreflex ist symmetrisch auslösbar
- Beschwerden zunächst auf ein Skrotalfach begrenzt
- Therapie
- symptomatischen Therapie (Ruhigstellung, Hochlagerung, Kühlung)
- Analgesie mit nicht-steroidalen Analgetika/ Antiphlogistika
idiopathisches Skrotalödem
- meist schmerzhafte, eher ein- als beidseitig auftretende ödematöse Schwellung der Skrotalhaut, die knapp Perineum oder Leiste erreicht
- begleitendes, bei Bestreichen deutlich schmerzhaftes Erythem grenzt den Befund scharf gegenüber der Umgebung ab
traumatische Schädigung
- isoliert oder Bestandteil komplexer und schwerwiegender Schädigungen
- penetrierende Verletzungen haben unmittelbare chirurgische Konsequenzen, egal ob penetrierend oder im Zusammenhang mit Rasanztrauma
- lokale Veränderungen (Hautaffektionen, Blutungen, lokalisierte oder diffuse Schwellung)
- primär skrotale Schmerzen mit Ausstrahlung in Leiste und Abdomen
- Möglichkeit einer traumatischen Hodentorsion sollte bedacht und weiter abgeklärt werden
- Impfstatus zu klären
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