veröffentlichende Fachgesellschaft: Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL)
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 22.10.2019
Ablaufdatum: 21.10.2024
Quelle/Quelllink: https://www.leitlinien.de/themen/herzinsuffizienz
Definition
- pathophysiologisch
- Herz nicht mehr in der Lage, den Organismus mit ausreichend Blut und Sauerstoff zu versorgen, um einen stabilen Stoffwechsel unter Ruheoder Belastungsbedingungen zu gewährleisten
- durch begleitende Veränderungen (u. a. Stimulation des sympathischen Nervensystems) versucht der Organismus die Dysfunktion von Herz- und Skelettmuskulatur und Niere zu kompensieren
- klinisch
- Vorliegen von Herzinsuffizienz, wenn wenn typische Symptome wie z.B. Dyspnoe, Müdigkeit (Leistungsminderung) und/oder Flüssigkeitsretention auf dem Boden einer kardialen Funktionsstörung bestehen
Formen
- Ort des Auftretens
- Linksherzinsuffizienz
- Rechtsherzinsuffizienz
- globale Herzinsuffizienz
- zeitlichen Verlauf
- chronische Herzinsuffizienz (entwickelt sich über einen längeren Zeitraum)
- akute Herzinsuffizienz (tritt nach einem akuten Ereignis auf, z. B. nach massivem Herzinfarkt oder schweren Herzrhythmusstörungen)
- Ursache der funktionellen Störung
- verminderte linksventrikuläre Pumpfunktion: Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF)
- gestörte Füllung des Herzens bei erhaltener Pumpfunktion: Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF)
Ursachen
- häufige Ursachen
- koronare Herzerkrankung (Myokardinfarkt, Ventrikelaneurysma, chronische Ischämie)
- arterielle Hypertonie, hypertensive Herzerkrankung
- seltenere Ursachen
- nicht-ischämische Kardiomyopathien
- dilatative Kardiomyopathie: infektiös (z. B. viral), toxisch (z. B. Alkohol, Kokain, Zytostatika), Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, idiopathisch u. a.)
- hypertrophe/obstruktive Kardiomyopathie: oft autosomal dominant vererbt, wenige Spontanerkrankungen
- restriktive Kardiomyopathie: Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose u. a. infiltrative Erkrankungen, zu diastolischer Dysfunktion führend
- obliterative Kardiomyopathie: nur in Entwicklungsländern vorkommend
- Arrhythmien (Vorhofflimmern, Tachykardie, Bradykardie)
- erworbene, angeborene valvuläre und andere angeborene Herzerkrankungen (Klappenvitien, Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt u. a.)
- Perikarderkrankungen (Perikarderguss, konstriktive Perikarditis)
- High Output Failure (Anämie, Thyreotoxikose, arteriovenöse Fisteln u. a.)
Pathophysiologie
- Beginn mit myokardialer Schädigung, z. B. durch Druck- bzw. Volumenbelastung oder Gewebeverlust
- daraus resultierende Verminderung der linksventrikulären Funktion aktiviert Gegenregulationsmechanismen
- kurzfristig Verbesserung Herzzeitvolumen; langfristig weitere myokardiale Zellschädigung und Manifestation der Herzinsuffizienz
Klassifikation
- NYHA I (asymptomatisch)
- Herzerkrankung ohne körperliche Limitation
- alltägliche körperliche Belastung verursacht keine inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris
- NYHA II (leicht)
- Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit
- keine Beschwerden in Ruhe und bei geringer Anstrengung
- stärkere körperliche Belastung (z. B. Bergaufgehen oder Treppensteigen) verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris
- NYHA III (mittelschwer)
- Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit
- keine Beschwerden in Ruhe
- geringe körperliche Belastung (z. B. Gehen in der Ebene) verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris
- NYHA IV (schwer)
- Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe, Bettlägerigkeit
akute Dekompensation
- gekennzeichnet durch rapide (< 48 Stunden) einsetzende oder sich verschlechternde Zeichen und Symptome einer Herzinsuffizienz
- kann de-novo auftreten, meist aber als akute Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz
Ursachen & Symptomatik
- kardiale Ursachen: Ischämie; Myokardinfarkt, Arrhythmie, hypertensive Entgleisung, Klappenerkrankungen, Myokarditis, Perikardtamponade
- Komorbiditäten: Niereninsuffizienz, Infektionen, Anämien, Lungenembolien, Schilddrüsendysfunktion
- Patientenverhalten: Nichtadhärenz gegenüber medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieempfehlungen, Substanzmissbrauch (Alkohol, Stimulanzien)
- Arzneimittelwirkungen: Medikamente, die eine Niereninsuffizienz auslösen und verstärken können (z.B. NSAR, COX-2-Hemmer), negativ inotrope Substanzen (z.B. Diltiazem, Verapamil), beeinträchtigte Absorption bei intestinalem Schleimhautödem
Therapieziele
- Stabilisierung des Patienten: rasche Besserung der Symptomatik durch Beseitigung der Stauung und Wiederherstellung der hämodynamischen Stabilität bei kardialem Low-Output-Syndrom
- Stabilisierung der Erkrankung: Identifikation und spezifische Behandlung auslösender Faktoren; Start bzw. Anpassung der medikamentösen Langzeittherapie; Prüfung der Indikation für mechanische Unterstützungssysteme
Diagnostik
- Symptome
- Stauung
- periphere Ödeme, Pleuraerguss, Aszites
- Dyspnoe, Orthopnoe, Rasselgeräusche, Tachypnoe, Zyanose
- erhöhter Jugularvenendruck/Jugularvenenstauung,
- hepatojugulärer Reflux
- Hypoperfusion (kalte Extremitäten, marmorierte Haut, Zyanose; geringe Urinausscheidung; Bewusstseinsstörung (Verwirrung, Schwindel, Schläfrigkeit)
- ventrikulärer Füllungsgalopp (dritter Herzton), Vorhofgalopp (vierter Herzton)
- Tachykardie, Arrhythmie
- Einzelsymptome unspezifisch, Gesamtsymptome machen Diagnose sehr wahrscheinlich
- Erhebung Vitalparameter: Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, SpO2, EKG
- Klassifikation
Stauung | Stauung | |
Hypoperfusion | warm-trocken | warm-feucht |
Hypoperfusion | kalt-trocken | kalt-feucht |
Therapie
- Patient in sitzende Haltung bringen
- beengende Kleidung lockern
- i.v. Verweilkanüle legen
- Patienten mit Symptomen und/oder klinischen Zeichen einer akuten Herzinsuffizienz sollen unverzüglich stationär eingewiesen werden, sofern keine palliative Situation vorliegt
- initiale Gabe von Schleifendiuretika i.v.
- ggf. zusätzlich Vaosdilatoren bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und Ruhedyspnoe sowie erhöhtem Blutdruck
- Einsatz von Vasodilatoren (Nitroglycerin, Alpha-1- Adrenorezeptor-Antagonisten) um durch Senkung der Vor- und Nachlast eine Erhöhung des Schlag- und Herzminutenvolumen und rasche Symptomlinderung zu erreichen
- niedrig dosierte Opiate bei vordergründiger Angst
- Vorlastreduktion und Beruhigung der Atmung
- positiv inotrope Substanzen (bei Normotension) bzw. Vasopressoren (bei symptomatischer Hypotonie) als Kurzzeittherapie bei kardiogenem Schock bis zur Stabilisierung erwägen
- Aufhalten von klinischer Verschlechterung durch systemische Hypoperfusion
- bei Patienten mit akuter Dekompensation und Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 90 %) und/oder mit Ruhedyspnoe und/oder klinischen Zeichen einer Hypoxie Sauerstoffgabe
- nicht-invasive druckgesteuerte Beatmung, wenn bei respiratorischer Insuffizienz durch Sauerstoffgabe keine Sauerstoffsättigung > 90% erzielt werden kann und/oder bei fortbestehender Tachypnoe
- wenn bei respiratorischer Insuffizienz nicht-invasive Beatmung nicht ausreicht oder kontraindiziert ist (z.B. komatöse Patienten), invasiv beatmen
- Indikation für eine Sauerstoffgabe: Hypoxämie mit Sauerstoffsättigung < 90% oder klinisch manifeste Hypoxie (Zyanose, Verwirrtheit, Tachypnoe)
- Zielwert bei Myokardinfarkt: 95-98 %
- Zielwert bei Komorbidität COPD: > 90 %
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