Zum Inhalt springen

Leitlinie „Determination of Death in Mountain Rescue“ der ICAR MEDCOM

veröffentlichende Fachgesellschaft: International Commission for Mountain Emergency Medicine
Datum der Veröffentlichung: 17.10.2020
Ablaufdatum: 16.10.2025
Quelle/Quelllink: https://icar-med.com/Recommendations/Current-Recommendations/Determination-of-Death-in-Mountain-Rescue/

Definition des Todes

  • dauerhafte Verlust der Bewusstseinsfähigkeit und aller Hirnstammfunktionen konsekutiv zum Kreislaufstillstand oder nach immenser Hirnverletzung, der nicht spontan wiederhergestellt werden kann und nicht, sei es durch Intervention oder aufgrund anderer Umweltbedingungen
  • Unterteilung in zwei Kategorien
    • Fehlen von Lebenszeichen (unzuverlässiger Indikator dafür, dass das Leben beendet ist)
    • Vorhandensein von definitiven Todeszeichen, die zur Feststellung des Todes ausreichen

Ereignisse unmittelbar vor und nach dem Tod

  • Tod ist der Prozess, nach dem eine Zelle oder ein Organismus unwiderruflich zum Sterben verurteilt ist
  • Sofort nach dem Tod beginnen die postmortalen Veränderungen, welche in der Geschwindigkeit beeinflusst sind von verschiedenen Faktoren wie Blutungen, Fieber oder Infektionen sowie Umgebungstemperatur oder das Lagerungsmedium

frühe postmortale Veränderungen

  • Auftreten früher postmortaler Veränderungen bereits nach 20 bis 30 Minuten bis zu mehreren Stunden
  • Leichenflecke (livor mortis, postmortale Hypostase)
    • Hautveränderung auf der unteren Seite des Leichnams, an Stellen, an denen kein Druck auf’s Gewebe wirkt, durch sich sammelndes Blut in verstopften Gefäßen
    • etwa 20 bis 30 Minuten nach dem Tod sichtbar
    • sonst blau; bei kalten Temperaturen ggf. ganz oder teilweise rötliche Farbe und kann vermindert sein (z.B. bei Z.n. Blutverlusten)
    • für Untersuchung muss Körper oft zumindest teilweise entkleidet sein
  • Leichenstarre (rigor mortis)
    • Versteifung des Leichnams durch Abbau von Enzymen in den Muskelfasen
    • Versteifung von Gelenken wie Fingern, Ellenbogen oder Knien etwa 2 bis 3 Stunden nach dem Tod feststellbar und nach 2 bis 3 Tagen wieder komplett verschwunden
    • Faktoren, die die Leichenstarre beeinflussen
      • Temperatur
      • Glykogengehalt der Muskeln
      • abmagerter Körper (Kachexie)
      • Zersplitterung des Körpers in mehrere Teile
      • kontinuierliche Bewegung des Körpers im fließenden Wasser

Methoden zur Todesfeststellung

  • Präklinisch ist die Todesfeststellung schwieriger…
    • da nicht immer sofort zur Todesfestellung berechtigte Personen vor Ort sind und oft technisches Gerät, wie EKG/Defibrillator, nicht verfügbar ist.
    • da die Unterscheidung zwischen einer frisch verstorbenen Person und einer scheinbar leblosen Person, die von einer sofortigen HLW profitieren könnte, eine große Herausforderung darstellt.
    • da sichere Zeichen zur Todesfeststellung ggf. auch erst nach 20 bis 30 Minuten auftreten (Ausnahme: Dekapitation).
  • Todesfeststellung und das Unterlassung von Wiederbelebungsmaßnahmen darf nur erfolgen, wenn klar ist, dass das Opfer einen irreversiblen Stillstand von Kreislauf und Atmung hat
  • bei allem Patienten ohne sichere Todeszeichen alle durchführbaren lebensrettenden Maßnahmen gemäß (p)ALS-Algorithmen ergreifen und Transport in Krankenhaus einleiten
    • gleiches gilt für Patienten mit traumatischem Herzstillstand ohne eindeutige Todeszeichen, auch wenn Faktoren, wie lange Transportzeiten oder die Schwere der Verletzungen, ein Scheitern der HLW vorhersagen oder ein Prädiktor für ein schlechtes Outcome sind

sichere Todeszeichen zur Feststellung des Todes in den Bergen

  • Totenflecke (livor mortis)
  • Leichenstarre (Rigor mortis)
  • Fäulnis
  • Enthauptung
  • massive Schädel- und Hirnverletzung mit oder ohne Verlust von Hirnmasse
  • Hemikorporektomie oder ähnliche massive Verletzungen
  • vollständig gefrorener Körper mit fehlender Komprimierbarkeit des Brustkorbs

Feststellung des Todes aus der Ferne

  • Todesfeststellung nur unter Bedingungen wie Enthauptung, massive Zerstörung des/Einwirkung auf den Körper(s) oder Verbrennung
  • offizielle, direkte Feststellung sollte so früh wie möglich erfolgen

Feststellung des Todes durch nicht autorisierte Personen

  • Abklärung, ob eine unbefugte Person den Tod vor Ort feststellen darf/kann und wie nach dem Abtransport der Leiche zu verfahren ist
  • Definierung klarer Kriterien für unbefugte Person mit/ohne medizinische Ausbildung damit die Feststellung des Tod mit absoluter Gewissheit erfolgt
  • Todesfeststellung nur bei mit dem Leben unvereinbaren Verletzungen/Zuständen, einschließlich später postmortale Veränderungen (Beurteilung früher definitiver Todeszeichen oder früher postmortaler Veränderungen fehleranfällig)
  • offizielle Feststellung sollte so früh wie möglich erfolgen

Vitalparameter und andere klinische Befunde

  • Atmung und Puls können bei (poly)traumatisierten Patienten, insbesondere bei Unterkühlten, schwach bzw. sehr schwer zu sein
  • Suche nach Vitalzeichen ggf. bis zu einer Minute durchführen; sofern ein EKG oder ein PoC-Ultraschall zur Verfügung steht, sollten dies genutzt werden
  • Ein unterkühlter Patient mit Herzstillstand ist nicht tot, es sei denn er ist warm und tot!
  • Bewusstseinszustand
    • Patient bei Bewusstsein: reagiert zielgerichtet auf Stimme, Berührung oder Schmerzreize
    • bewusstloser Patient: reagiert möglicherweise nicht, kann aber dennoch hämodynamisch stabil sein
  • Atmung
    • Überprüfung der Atemwege durch Halsüberstreckung und Anheben des Kinns (CAVE: HWS-Verletzungen)
    • Überprüfung der Atmung durch Kontrolle von Thoraxexkursionen durch Handauflegen sowie durch Kontrolle von Atemgeräuschen durch Hören/Fühlen (Ohr direkt am Mund); ggf. Auskultation mittels Stethoskop
    • aufgrund der Außenbedingungen Überprüfung der Atmung von min. einer Minute
    • ggf. je nach Möglichkeit endtidale CO2-Messung
    • Schnappatmung gilt als Anzeichen für einen erwartbaren Herz-Kreislaufstillstand und ist damit gemäß ALS Indikator für Reanimation
  • Puls
    • beste palpable Arterien zur Pulsmessung (Erwachsene & Kinder)
      • Arterien an beiden Seiten des Halses
      • Oberschenkelarterien in der Leisteregion
    • beste palpable Arterien zur Pulsmessung (Säuglinge)
      • Arteria brachialis
      • Arteria femoralis
      • wenn Stethoskop verfügbar, Herztöne überprüfen
      • ein nicht tastbarer Puls ist kein eindeutiges Zeichen für nicht vorhandene Kreislauffunktionen
  • Bewegungen
    • jede aktive Bewegung gilt als ein Zeichen des Leben
    • Unterscheidung aktive Bewegungen und passive Bewegungen (Bewegungen aufgrund von Schwerkraft oder Berührungen des Patienten durch die Helfer)
  • Pupillen
    • Überprüfung Pupillenreaktion mittels Pupillenleuchte
    • normal: Verengung als Lichtreaktion im angeleuchteten Auge und im anderen Auge
    • Patienten mit ICB: ggf. beidseitig fixierte und erweiterte Pupillen, nicht lichtreagibel (V.a. Hirnstammschädigung, Drogenintox)
    • bei schwerer Unterkühlung, Ertrinken oder Blitzschlag sind starre und erweiterte Pupillen kein zuverlässiges Zeichen für den Tod
  • Körperkerntemperatur
    • Temperaturmessung im Ohr kann falsch niedrig sein
    • Lebenszeichen können auch unterhalb von 24 °C vorhanden sein
    • Temperatur kein alleiniger Indikator für Todesfeststellung oder für das Ausbleibenlassen von Wiederbelebungsmaßnahmen

spezielle Situationen

  • Wasser
    • beeinflussende Faktoren wie Wassertemperatur und Dauer der Submersion
    • ggf. kann eiskaltes Wasser einen neuroprotektiven Effekt mit verlängerter hypoxischer Überlebenschance des Gehirns haben
    • Eintauchen < 10 Minuten in Wasser < 5 °C: potenziell gute Prognose
    • Eintauchen > 25 Minuten in Wasser > 5 °C: geringe Prognose
    • nach 90 Minuten ist eine erfolgreiche Wiederbelebung äußerst unwahrscheinlich
  • Lawinenunfälle
    • asystoles Lawinenopfer mit vollständig verschlossenen Atemwegen und Verschüttungszeit > 60 min → keine Wiederbelebung
    • EKG zur Bestätigung der Asystolie
    • Eigenschutz geht bei medizinischen und Rettungsmaßnahmen vor

Fehldiagnosen (v.a. der definitiven Todeszeichen)

  • Fehldiagnose von Lebenszeichen vor allem bei Atmung und Puls durch verschlechterten Tastsinn aufgrund der Kälte, aber auch durch von Helfern ausgelösten Bewegungen des Körpers des Patienten
  • Hämatome, Schwellung, rötliche Haut etc. könnten mit Leichenflecken verwechselt werden
  • Leichenflecke können bei schlechten Lichtverhältnissen bei Menschen mit dunkler Hautfarbe, bei oberflächlichen Verletzungen und wenn die Haut mit Blut, Schmutz oder anderen Substanzen bedeckt ist übersehen werden
  • Leichenstarre kann mit verminderter Beweglichkeit durch schwere Unterkühlung oder durch vorherige chirurgische Eingriffe verwechselt werden
  • Verwesung kann mit dunkler Haut, Hämatomen, Blasenbildung, Sepsis und Blutungen aus Mund und Nase verwechselt werden
  • Erfrierungen können zu schwarzer, mumifizierter Haut führen, insbesondere an kälteexponierten Stellen wie Ohren, Nase, Fingern oder Zehen
  • mögliche Ursachen für den Scheintod
    • Alkohol, Anämie, Hypoxie (z. B. bei Kohlenmonoxidvergiftung)
    • Elektrizität, einschließlich Blitzschlag, nach Krampfanfall
    • Verletzung (traumatische Hirnverletzung, Schock, multiples Trauma)
    • Überdosierung von Opiaten oder anderen zentral wirkenden Medikamenten
    • Hypothermie, Urämie und andere metabolische Ursachen
Published inLeitlinien kompakt

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert