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Leitlinie „Emergency Department Management of Renal Colic and Suspected Renal Calculus“ der IAEM

veröffentlichende Fachgesellschaft: Irish Association for Emergency Medicine (IAEM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.04.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://iaem.ie/professional/clinical-guidelines/

Grundsätzliches

  • Nierenkolik-Prävalenz variiert je nach geografischer Verteilung erheblich und liegt weltweit bei 5 – 15 %
  • in Industrieländern liegt die Prävalenz bei 4 – 20 %
  • Vielzahl der Harnsteine tritt bei Personen im Alter von 20 – 49 Jahren auf

Anamnese

  • charakteristische Symptomatik aus Lendenschmerzen mit/ohne Ausstrahlung in die Leiste sowie mit/ohne Übelkeit/Erbrechen und Fieber
  • zusätzlich besteht bei etwa 82 % eine Hämaturie
  • typische prädisponierende Faktoren sind u.a.
    • (familiäre) Vorgeschichte bzgl. Nierensteinen
    • bekannte strukturelle Anomalien der Nieren-/Harnwege
    • Vorerkrankungen, wie z.B. Gicht, Hyperparathyreoidismus, renale tubuläre Azidose, Osteoporose und wiederkehrende Harnwegsinfektionen
    • Medikamente, wie z.B. Schleifendiuretika und Antibiotika
  • CAVE: berücksichtigen, dass bei Fieber auch andere entzündliche oder infektiöse Prozess (mit)ursächlich sein können

Diagnostik

  • umfassende Untersuchung aller Bauchorgane und des Beckens, um lebensbedrohliche Differentialdiagnosen wie ein abdominales Aortenaneurysma auszuschließen (v.a. bei Männern > 50 Jahre)
  • CAVE: Diagnose von Nierensteinen schließt andere Begleiterkrankungen nicht aus
  • Kontrastmittel-CT zur Bestätigung von Nierensteinen bei Patient*innen mit akuten Flankenschmerzen (innerhalb von 24 h nach Vorstellung in Notaufnahme)
  • sofortige Bedside-Sonographie von entscheidender Bedeutung, da er eine sofortige Beurteilung ermöglicht, ohne dass notwendige Eingriffe verzögert werden (CAVE: Durchführung durch entsprechend geschultes Personal; v.a. bei Patient*innen mit Fieber und akuten Flankenschmerzen)
  • CAVE: wenn keine Nierensteine festgestellt werden können, muss weiterhin die Ursache der Bauchschmerzen ermittelt werden
  • Labordiagnostik (vollständiges Blutbild, Serumharnstoff, Kreatinin, Natrium, Kalium, Kalzium und CRP) und Uristix (Erythrozyten, Leukozyten, Nitrite & ph-Wert)
    • Urinkultur, wenn Uristix auffällig
    • βhCG-Test bei Frauen im gebärfähigen Alter

Therapie

  • Analgesie
    • First-Line: NSAR, alternativ Paracetamol (beide sind Opioiden überlegen)
      • NSAR erfordern geringe Dosen bei Durchbruchschmerz oder rezidivierenden Nierenkoliken
      • CAVE: NSAR können akutes Nierenversagen bei chronischer Niereninsuffizienz verschlimmern –> nur kurze Anwendung mit Vorsicht
      • keine NSAR bei kongestiver Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II – IV), ischämische Herzerkrankungen sowie peripher-arteriellen und zerebrovaskulären Erkrankungen
      • Kombinationstherapie aus Opioiden mit Paracetamol und NSAR hat synergistische Effekte mit besserer Schmerzkontrolle und weniger Nebenwirkungen durch Einsparung von Opioiden
    • Second Line: Opioide (z.B. Hydromorphin, Pentazocin oder Tramadol)
  • Management von Sepsis/Anurie bei obstruierter Niere
    • Nierenobstruktion mit Harnwegsinfektion und/oder Anurie = urologischer Notfall (CAVE: Sepsis berücksichtigen
  • Steinentfernung
    • spontane Steinpassage bei bis zu 80 % der Patient*innen mit Steinen mit Durchmesser < 4 mm; bei Steinen mit Durchmesser > 8 mm ist spontane Steinpassage eher nicht zu erwarten
    • α-Blocker zur medikamentösen Ausleitungstherapie als eine der Behandlungsoptionen für (distale) Harnleitersteine > 5 mm erwägen
    • Indikationen für aktive Steinentfernung
      • Stein-Durchmesser > 10 mm
      • angemessene Schmerzlinderung nicht erreichbar
      • Steinobstruktion mit Infektion verbunden
      • bestehendes Risiko einer Pyonephrose oder Urosepsis
      • nur noch eine Niere, welche obstruiert ist
      • bilaterale Obstruktion
  • Risikofaktoren für rezidivierende Nierensteine (50 % haben nur ein Rezidiv; mehr Rezidive bei etwas mehr als 10 %)
    • Beginn der Erkrankung in frühem Lebensalter (< 25 Jahre)
    • Nierensteine, die Brushit (Kalziumhydrogenphosphat) enthalten
    • starke familiäre Vorbelastung
    • nur eine funktionierende Niere
    • Krankheiten, die mit Steinbildung assoziiert sind (z.B. Hyperparathyreoidismus, renale tubuläre Azidose, Zystinurie, Morbus Crohn, Darmresektion, Malabsorptionssyndrome und Sarkoidose)
    • Medikament, die mit Steinbildung assoziiert sind (z.B. Vitamin-D-Präparate, Kalziumpräparate, Acetazolamid, Ascorbinsäure in Dosen > 4 g/d, Sulfonamide, Triamteren, Indinavir)
    • anatomische Anomalien, die mit Steinbildung einhergehen (z. B. medulläre Schwammniere, Kelchdivertikel, Kelchzyste, Harnleiterstriktur, vesiko-ureteraler Reflux, Hufeisenniere und Ureterozele)
  • Indikationen für KH-Einweisung
    • Patient*in befindet sich im Schock, hat Fieber oder Zeichen einer systemischen Infektion
    • vorbestehende Nierenfunktionsstörung oder erhöhtes Risiko für Verlust der Nierenfunktion
    • bilaterale Obstruktion
    • keine Reaktion auf Analgesie oder plötzliches Wiederauftreten von starken Schmerzen trotz Analgesie
    • Dehydratation sowie Erbrechen, sodass keine orale Flüssigkeitsaufnahme möglich ist
  • Indikation für Entlassung mit ambulanter Nachuntersuchung (bei geringem Risiko und Compliance bzgl. Nachuntersuchung am nächsten Tag erwägen)
    • Urolithiasis als wahrscheinliche Diagnose
    • kein Verdacht auf abdominelles Aortenaneurysma (Alter < 50 Jahre und negativer POCUS-Befund)
    • keine Sepsiszeichen
    • Schmerzen sind ausreichend kontrollierbar
    • Patient*in kann Urin lassen
    • geeignete Bildgebung ist am nächsten Tag möglich
    • sozialen Umstände erlauben Entlassung und Vorstellung am nächsten Tag
  • Präventivtherapie bei Gefahr von Nierensteinen
    • Flüssigkeitszufuhr (Flüssigkeitsmenge: 2,5 – 3 L/d; Wasser als bevorzugte Flüssigkeit; Miktion von 2 – 2,5 L/d; spezifisches Uringewicht von < 1,010 g/d)
    • Ernährungstipps (ausgewogene Ernährung, reich an Gemüse und Ballaststoffen; Kalzium: 0,7 – 1,2 g/d; NaCl: 4 – 5 g/d; tierischer Eiweiß: 0,8 – 1,0 g/kg/d)
  • Therapiebesonderheiten
    • Ultraschall als bevorzugte Bildgebung bei Schwangeren (alternativ MRT als Second Line oder Niedrigdosis-CT als letzte Option)
    • Ultraschall als bevorzugte Bildgebung bei Kindern (alternativ Röntgen von Nieren, Harnleiter & Blase ODER kontrastmittelarmes CT, wenn Sonographie nicht eindeutig)
Published inLeitlinien kompakt

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