veröffentlichende Fachgesellschaft: Royal Children’s Hospital Melbourne (RCH)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.12.2022
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.rch.org.au/clinicalguide/
Grundsätzliches
- Klassifizierung in primär oder sekundär (als Folge einer anderen Grunderkrankung)
- häufigste primäre Kopfschmerzen bei Kindern sind Migräne und Spannungs-Kopfschmerzen
- virale Erkrankungen sind häufigste Ursache für sekundäre Kopfschmerzen bei Kindern, während zu den selteneren, aber schwerwiegenden Ursachen ZNS-Infektionen (Meningitis, Enzephalitis), erhöhter Hirndruck und Blutungen gehören
- CAVE: Kopfschmerzen können auch Ausdruck zugrunde liegender psychosozialer Probleme sein
- unterstützende Therapie mit einfachen Analgetika ist i.d.R. ausreichend (Opioide nicht empfohlen)
Einteilung
primäre Kopfschmerzarten
Spannungskopfschmerz | Migräne +/- Aura | Clusterkopfschmerz | |
---|---|---|---|
Alter | jedes Alter | jedes Alter | typisch ≥ 12 Jahre |
Lokalisation | bilateral | uni-/bilateral | unilateral, oft im Augenbereich |
Qualität | Druck/Spannen (nicht pulsierend) | pulsatil | variabel (stechend, brennend, pochend oder ziehend) |
Intensität | leicht bis mäßig | moderat bis schwer | schwer bis sehr schwer |
Muster | chronisch, nicht fortschreitend | akut rezidivierend | akut rezidivierend |
Provokation bei Aktivitäten | keine Verschlimmerung durch Aktivität | Verschlimmerung durch normale Aktivitäten | kann Unruhe und Erregung verursachen |
zusätzliche Symptome | keine; ggf. Auslösung durch erheblichen Stress, z. B. emotionale Belastung, Schlafmangel, verpasste Mahlzeiten | – Übelkeit und Erbrechen, Photophobie, Phonophobie – mit Aura: fokale neurologische Symptomen, i.d.R. visuelle, sensorische oder sprachliche Veränderungen vor Beginn der Kopfschmerzen (Aura < 1 h) | autonome Symptome wie ipsilaterale konjunktivale Injektion, Tränenfluss, Rhinorrhoe, Schwellung der Augenlider, Schwitzen im Gesicht oder Ptose |
Zeitraum | Stunden bis Tage | kann bei Kleinkindern nur 30 min dauern, bei Jugendlichen bis zu 72 h | Minuten bis einige Stunden |
sekundäre Kopfschmerzarten
Ursachen | zu berücksichtigende besondere Bedingungen |
---|---|
Infektionen | – virale Erkrankungen – Nasennebenhöhlenentzündung – Pharyngitis – akute Mittelohrentzündung – Meningitis – Enzephalitis – intrakranieller Abszess – Zahnkaries |
mit Trauma assoziierte Kopfschmerzen | Kopfverletzung |
erhöhter ICP | – idiopathische intrakranielle Hypertonie – Hydrozephalus – intrakranielles Neoplasmen – andere intrakranielle Malformationen |
vaskuläre Ursachen | – Stroke – intrakranielle Blutung |
Drogen | – Substanzmissbrauch/-entzug – übermäßige Medikamenteneinnahme |
psychiatrische Ursachen | – Angststörung – Depression – Somatisierungsstörung – erhöhte psychosoziale Stressoren |
Kopfschmerzmuster
- a = akute rezidivierende Kopfschmerzen, wie z.B. bei Migräne
- b = chronische nicht-progrediente Kopfschmerzen, wie z.B. bei Spannungskopfschmerzen, Angststörung, Depressionen und somatisierter Schmerz
- c = chronisch progrediente Kopfschmerzen, wie z.B. bei Tumoren, benigner intrakranieller Hypertension, Hirnabzess, Hydrocephalus
- d = akut auf chronische nicht-progrediente Kopfschmerzen, wie z.B. bei Spannungskopfschmerzen mit gleichzeitig bestehender Migräne
Red Flags
- Alter < 4 Jahre
- Merkmale wie frühmorgendlicher Beginn, Kopfschmerz sorgt für Aufwecken, plötzlicher & schwerer Beginn, Schmerzen in der Okzipitalregion sowie Auslösung/Verschlimmerung durch Husten, Niesen oder Lageveränderungen
- zusätzliches Erbrechen ohne andere identifizierbare Ursache
- signifikante Veränderung der typischen Kopfschmerzmuster oder progressive Verschlechterung
- fokale neurologische Symptome
- Anzeichen einer Meningitis oder Enzephalitis
- kürzlich aufgetretene signifikante Kopfverletzungen
- bekannte systemische Erkrankungen wie Blutungsneigung, Thromboseneigung, maligne Erkrankungen, rheumatologische Erkrankungen, Immunsuppression, Bluthochdruck
- Medikamente wie Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmer
- Vorhandensein eines ventrikuloperitonealen Shunts
- psychosozialer Faktoren/Stressoren, die zu Kopfschmerzen bei älteren Kindern und Jugendlichen beitragen können
- Familienanamnese bzgl. Migräne/primärer Kopfschmerzen
Ätiologie
- Krankheit/Erkrankungen
- schlechter Schlaf
- körperliche Anstrengung
- Menstruation
- Stress
- Hitze
- grelles Licht, helles Sonnenlicht
- Lebensmittel: Zitrusfrüchte, künstliche Süßstoffe, Nüsse, Zwiebeln, salzige Lebensmittel, Koffein, Schokolade
- ausgelassene Mahlzeiten
- ausgelassene Medikamente oder Medikamentenübergebrauch
Diagnostik & Untersuchung
- Monitoring, v.a. RR und Bewusstseinszustand
- neurologische Untersuchung, z.B. neue fokale neurologische Auffälligkeiten (auch Untersuchung der Hirn- und peripheren Nerven sowie Gangbild)
- Kopfschmerz-Anamnese (Kopfschmerzmusters, Analgetika-Einnahme, häufige Auslöser)
- zunehmender/vergrößerter Kopfumfang
- abnorme Kopfhaltung
- Suche nach Anzeichen eines erhöhten ICP (Papillenödem, Ataxie, Bradykardie mit Bluthochdruck)
- Suche nach Anzeichen eines Meningismus (Photophobie, Nackensteifigkeit)
Therapie
Kopfschmerz vom Spannungstyp
- Gabe einfacher Analgetika
- Paracetamol 15 mg/kg (max. 1 g)
- Ibuprofen 10 mg/kg (max. 400 mg)
- Auslöser identifizieren, minimieren oder beseitigen
- Opioide nicht für akute Behandlung nutzen
Migränekopfschmerz
- Paracetamol 15 mg/kg (max. 1 g)
- Ibuprofen 10 mg/kg (max. 400 mg)
- zum Trinken animieren und Ruhe schaffen (ruhiger, dunkler Raum)
- Opioid-Gabe bei der Migräne-Behandlung vermeiden
- 0,15 mg/kg Ondansetron (max. 8 mg) oral/i.v. bei Übelkeit/Erbrechen
Cluster-Kopfschmerz
- einfache Analgesie hat sich als nicht wirksam erwiesen
- Gabe von 100 % O2 mit Durchflussrate von min. 12 L/min über Maske ohne Rückatmung mit einem Reservoirbeutel
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