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Leitlinie „Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen – Diagnostik und Therapie“ der DGGG

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Datum der Veröffentlichung: 01.04.2019
Ablaufdatum: 30.04.2022
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html

Klassifikation

  • chronische Hypertonie
    • Unterteilung der präexistenten Hypertonieessenzielle
      • (primäre) Hypertonie
    • sekundäre Hypertonie (z.B. Schwangerschaft bei Z.n. Nierentransplantation
    • Weißkittel-Hypertonie
    • präkonzeptionell oder im ersten Trimester diagnostizierte Hypertonie
  • Gestitationshypertonie
    • im Verlauf der Schwangerschaft neu auftretende Bluckdruckswerte > 140/90 mmHg bei einer zuvor normotensiven Schwangeren ohne zusätzliche Kriterien, die eine Präeklampsie definieren
  • Präeklampsie
    • jeder (auch vorbestehend) erhöhte Blutdruck > 140/90 mmHg in der Schwangerschaft mit mindestens einer neu auftretenden Organmanifestation, welche keiner anderen Ursache zugeordnet werden kann
  • HELLP-Syndrom
    • typische in der Schwangerschaft auftretende Laborkonstellation aus Hämolyse, erhöhten Transaminasen und Thrombozytopenie < 100 G/L, häufig assoziiert mit einer Präemklampsie
    • weitere Symptomatik
      • rechtsseitiger Oberbauchschmerz/epigastrischer Schmerz
      • Übelkeit/Erbrechen
      • Kopfschmerzen
      • Visusstörungen
      • ggf. Ikterus
  • Eklampsie
    • im Rahmen einer Schwangerschaft auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle (häufig assoziiert mit Präeklampsie), die keiner anderen neurologischen Ursache (z.B. Epilepsie) zugeordnet werden können
    • Symptomatik
      • Hypertonie
      • Kopfschmerzen
      • Visusstörungen

Diagnostik

  • Blutdruckmessung
    • diastolischer Blutdruck soll als Korotkoff 5 (K5 = Verschwinden des Tones) oder Korotkoff 4 (Leiserwerden) – wenn K5 nicht messbar – registriert werden
    • Messung mit an Oberarmumfang adaptierter Manschetten
    • erste Messung nach ausreichender Ruhephase bei sitzender Schwangeren
    • zum Ausschluss einer Seitendifferenz (< 20 mmHg) primär Messung an beiden Armen
  • Ödeme
    • Ödeme allein sind unspezifisches Symptom
    • nur dann von Bedeutung, wenn Ödeme rasch zunehmen, d.h. wenn eine deutliche Gewichtszunahme innerhalb von kurzer Zeit (> 1 kg/Woche im III. Trimenon) festzustellen ist oder ein ausgeprägtes Gesichtsödem besteht

Therapie

  • CAVE: drastische Blutdrucksenkung kann eventuell zur plazentaren Minderperfusion und somit einer akuten fetalen Beeinträchtigung führen
  • Schwangere mit Blutdruckwerten > 160/110 mmHg zeigen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie mit assoziiertem Nierenversagen, Schlaganfall und Frühgeburt
  • Blutdruckwerte von 150-160 zu 100-110 mmHg oder höher sollen medikamentös therapiert werden
  • Therapie hat die Reduktion der maternalen Komplikationen zum Ziel, für die der systolische Blutdruck als bester Prädiktor gilt
  • diastolischer Blutdruck von 80 mmHg sollte nicht unterschritten werden („start low“-Startdosis und „go slow“-Wiederholung)
  • Zielblutdruckwerte zwischen 130-150 mmHg systolisch und 80-100 mmHg diastolisch
  • Einleitung einer medikamentösen Therapie bei Blutdruckwerten > 160/110 mmHg soll unter stationären Bedingungen erfolgen
  • unverzügliche medikamentöse Blutdrucksenkung bei hypertensive Notfällen (akute schwere Hypertonie über 15 min. anhaltend mit vitaler Gefährdung durch Organschäden z.B. hypertensive Enzephalopathie mit Sehstörungen, Schwindel, starke Kopfschmerzen, Bewusstseinseintrübung, neurologischen Ausfallerscheinungen oder Lungenödem)
  • initiale Behandlung der schweren Hypertonie in der Schwangerschaft mit Urapidil, Nifedipin und Dihydralazin
  • Prophylaxe und Therapie der Eklampsie mit Magnesiumsulfat i.v. als Mittel der I. Wahl
    • Initialdosis von 4-6 g MgSO4, appliziert in verdünnter Form über 15-20 min mittels Perfusor oder Kurzinfusion
  • Schwangere soll intensiviert überwacht werden (Kontrollen des Reflexstatus (Patellarsehnenreflex) und der Atemfrequenz (sollte 12/min nicht unterschreiten))
  • postpartales Management
    • unmittelbare Abklärung neurologischer Symptomatik wegen großer Überlappung der Symptomatik bei zebrovaskulären Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie, posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom, hämorrhagischer oder ischämischer Insult) sollte eine postpartal auftretende neurologische Symptomatik
    • keine Unterscheidung zur Therapie eines Lungenödems
      • i.v.-Gabe von 20 – 40 mg Furosemid über 2 mL
      • ggf. wiederholte Gabe von 40 – 60 mg Furosemid nach 30 min
      • Maximaldosis 120 mg/h
      • ggf. Gabe von 2 – 5 mg Morphin i.v.
      • Einweisung auf IMC oder ITS erwägen
      • bei Symptomen wie Luftnot, Kurzatmigkeit, verlängerter Abgeschlagenheit und akuter AZ-Verschlechterung sollte Einweisung zur Echokardiografie erfolgen

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Vorstellung in Klinik mit entsprechender Versorgungsstufe (Perinatalzentrum), wenn Schwangere eine für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen typische Risikokonstellation bietet, die Verschlechterung des Zustands anzeigt
  • bei klinisch gesicherter Präeklampsie soll eine Klinikeinweisung erfolgen
  • bei Blutdruckwerten > 160 mmHg systolisch bzw. > 110 mmHg diastolisch soll eine Einweisung in die Klinik erfolgen
  • bei klinischem oder laborchemischem Verdacht auf HELLP-Syndrom, vor allem persistierende Oberbauchschmerzen, soll eine umgehende Klinikeinweisung erfolgen
  • bei Eklampsie, Präeklampsie mit schweren neurologischen Prodomalsymptomen, Dyspnoe und/oder hypertensiver Krise mit vitaler Bedrohung soll ein umgehender Transport über das Rettungswesen in die Klinik erfolgen
  • fetale Indikationen zur Einweisung in die Klinik bestehen unabhängig von der maternalen Situation
  • ab der 34+0 SSW soll jede Schwangere mit schwerer Präeklampsie möglichst bald nach Abwägen der mütterlichen fetalen Risiken entbunden werden
Published inLeitlinien kompakt

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