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Leitlinie „Lagerungstherapie und Mobilisation von kritisch Erkrankten auf Intensivstationen“ der DGAI

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 25.07.2023
Ablaufdatum: 30.06.2027
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-015

Oberkörperhochlagerung

Definition der Oberkörperhochlagerung

  • keine einheitliche Definition der Oberkörperhochlagerung vorhanden
  • bei allen Varianten Positionierung des Oberkörpers oberhalb des Niveaus des Körperstammes mit einem Winkel von mindestens 30°

Varianten der Oberkörperhochlagerung

  • klassische Sitzposition mit Beugung der Hüft- und Kniegelenke
  • Anti-Trendelenburg-Lagerung (Kippung der gesamten, flach liegenden Patient*innen mit den Beinen Richtung Boden)
  • Herzbettlagerung (halbsitzende bis sitzende Position mit gleichzeitiger Tieflagerung der Beine)
  • halbsitzende Position (Position mit Anhebung von Oberkörper und Kopf um definierte Gradzahl sowie mit gebeugten Hüft- und gestreckten oder gebeugten Kniegelenken

positive und negative Effekte der Oberkörperhochlagerung

  • pulmonal: bessere Belüftung der Lungen mit konsekutiv verbesserter Oxygenierung und reduzierter Atemarbeit, geringeres Risiko einer Aspiration
  • hämodynamisch: Reduktion des venösen Rückstroms, des Herzzeitvolumens, des Blutdrucks und der peripheren Sauerstoffversorgung
  • zerebral: Verminderung des intrazerebralen Drucks und Perfusionsdrucks
  • abdominal: Erhöhung des abdominellen Drucks
  • gastrointestinal: verminderter Reflux und geringere Regurgitation
  • dermal: erhöhter Druck und Risiko für Druckulzerationen an Steiß und Fersen

Empfehlungen

  • Oberkörperhochlagerung ≥ 40° unter Abwägung möglicher hämodynamischer Nebenwirkungen und eines erhöhten Risikos für Druckulzera bei intubierten Patient*innen
  • bei erhöhtem intrazerebralen Druck Oberkörper so erhöht zu lagern, dass günstigste Effekt auf den zerebralen Perfusionsdruck entstehen
  • Anti-Trendelenburg-Lagerung bei Risiko für intraabdominelle Druckerhöhung oder bereits erhöhtem intraabdominellen Druck (CAVE: keine Oberkörperhochlagerung mit Beugung von Knie und Hüfte)

Seitenlagerung

Definition der Seitenlagerung

Lagerung, bei der der Körper 90° um die Längsachse gedreht auf der rechten oder linken Seite liegt

Empfehlungen

  • keine Empfehlung für Seitenlagerung ausschließlich zur Prävention pulmonaler Komplikationen bei Patient*innen ohne Lungenschädigung
  • Seitenlage von ca. 90° mit der gesunden Seite nach unten bei der Beatmung von Patient:innen mit unilateralen Lungenschädigungen (Verbesserung Gasaustausch)

Rückenlage

Empfehlungen

  • Vermeidung der flachen Rückenlage als ungeeignete Form der Lagerung, v.a. bei der regelmäßigen Modifikation der Lagerung

Bauchlagerung

Definition der Bauchlagerung

  • Lagerungsform, bei der der Körper 180° um die Längsachse gedreht auf der ventralen Seite liegt
  • inkomplette Bauchlagerung: Drehung um ≥ 135° und < 180°

Empfehlungen

  • Bauchlagerung bei invasiv beatmeten Patient*innen mit ARDS und Einschränkung der arteriellen Oxygenierung (PaO2/FiO2 < 150 mmHg)
  • Bauchlagerung frühzeitig zu erwägen und nach Indikationsstellung unverzüglich umzusetzen
  • Bauchlagerung min. 12 h, vorzugsweise 16 h lang durchführen
  • bei Beatmung in Bauchlage gleiche Prinzipien einer optimierten Beatmungsstrategie wie für die Rückenlage anwenden, inkl. lungenprotektiver Limitierung des Tidalvolumens, Verhinderung von Derekrutierung und Integration von Spontanatmungsanteilen
  • vor Anwendung der Bauchlagerung Patient*innen hämodynamisch stabilisieren und Volumenstatus optimieren (Katecholamin-Einsatz ist keine Kontraindikation, um Bauchlagerung durchzuführen)
  • Bauchlagerung nach abdomineller Operation oder Erkrankung sowie bei abdomineller Adipositas nach individueller Abwägung von Nutzen (Verbesserung der Oxygenierung) und Risiko (Erhöhung des intraabdominellen Drucks mit dem Risiko von chirurgischer Komplikation, akutem Nierenversagen oder hypoxischer Hepatitis) zu erwägen
  • bei Patient:innen mit Risiko für einen erhöhten intrakraniellen Druck ICP kontinuierlich oder diskontinuierlich in engmaschigen Intervallen überwachen (Kopf während Maßnahme zentriert positionieren und Seitdrehung vermeiden)
  • bei folgenden Kontraindikationen nur im Einzelfall nach Abwägung von Nutzen und Risiko sowie nach Absprache mit beteiligten Fachdisziplinen Bauchlagerung durchführen
    • offenes Abdomen
    • Wirbelsäuleninstabilität
    • erhöhter intrakranieller Druck
    • hämodynamisch wirksame Herzrhythmusstörungen
    • Schock
  • Bauchlagerung bei anhaltender Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage (4 h nach Rücklagerung: PaO2/FiO2 ≥ 150 bei einem PEEP ≤ 10 cm H2O und einer FiO2 ≤ 0,6) zu beenden
  • Bauchlagerungstherapie beenden, wenn min. zwei Lagerungsversuche erfolglos geblieben sind
  • komplette (180°) der inkompletten Bauchlagerung vorziehen (fehlende Evidenz)
  • sorgfältige Prüfung der für Druckulzera gefährdeten Stellen bei Bauchlagerung zur Risikominimierung
  • bei nicht-invasiv beatmeten Patient:innen mit COVID-19 und akut hypoxischem Lungenversagen Durchführung der Bauchlagerungen im Wachzustand („awake proning“)
  • keine Empfehlung für Bauchlagerung bei wachen, nicht-invasiv beatmeten Patient*innen ohne COVID-19
  • keine Empfehlung für Dauer einer Bauchlagerung im Wachzustand
  • Bauchlagerung auch bei ARDS unter veno-venöser ECMO-Therapie
Published inLeitlinien kompakt

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