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Leitlinie „Methamphetaminbezogene Störungen“ der DGPPN

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 21.11.2016
Ablaufdatum: 21.11.2021
Quelle/Quelllink: https://www.dgppn.de/leitlinien-publikationen/leitlinien.html

Symptomatik

  • bei oraler Einnahme eines Methamphetamin-Medikaments wie z. B. Pervitin® (3 – 5 mg bis 30 mg Tagesmaximaldosis) wäre akut nur mit erhöhter Wachheit und Appetitzügelung als Wirkung zu rechnen
  • kristallines Methamphetaminhydrochlorid („Crystal Meth“, „C“, „Crystal-Speed“) wird bei dem typischen nasalen Konsum („line sneefen“) meist bereits beim Erstkonsum in einer Dosierung von ca. 80 – 100 mg eingenommen
    • abhängig Konsumierende benötigen 0,5 – 1,5 g täglich
    • nach Konsum des kristallinen Methamphetamins typischerweise hellwach (Szenebegriff: „eingeschaltet“) und unternehmungslustig
    • bei selbstbewusst gehobener Stimmung kommt es häufig zu einer gesteigerten Geselligkeit mit Distanzminderung, reduziertem Urteilsvermögen, Kritikminderung, riskanterem Verhalten und sexueller Enthemmung; Euphorie kann plötzlich umschlagen in Anspannung, Reizbarkeit, Aggressivität, ungerichtete Impulsivität, aber auch in diffuse Ängste
    • Hyperaktivität (Zappeligkeit), Logorrhoe (Reden ohne Punkt und Komma; Szene: „Laberflash“), Grimassieren (Szene: „Gesichtsfasching“), Bruxismus (Zähneknirschen) oder Appetitlosigkeit
    • langweilige, redundante mechanische Tätigkeiten werden manchmal ermüdungsfrei teils mit Freude, teils auch zwanghaft ohne Lustgewinn stundenlang ausgeführt (Punding; Szene „Festgehen“, „‚Putzfilm‘ oder ‚Sortierfilm‘ haben“)
    • Schmerzempfindung ist unter Methamphetamin reduziert
    • gestörtes Zeitempfinden („Zeitraffer“) und eine positive (grandiose) Selbsteinschätzung
    • schweren Intoxikationszeichen wie Agitiertheit, Stimmungsschwankungen mit aggressiven Verhaltensweisen, massiver psychomotorischer Unruhe und psychotischem Erleben mit Halluzinationen und typischerweise paranoiden Wahnvorstellungen (Szene: „Filme schieben“) kommen; hierbei können auch selbstlimitierende Paniksymptome auftreten
  • beschleunigter Herzschlag mit erhöhtem Blutdruck, erhöhter Muskelanspannung, Schweißausbrüchen und Hitzewallungen sowie Kälteschauern; anfangs auch Pupillenerweiterung
  • als akute Komplikationen bei Überdosierung können Blutdruckkrisen auftreten

direkte Folgen des Konsums

  • bei chronischem intranasalen Konsum kann es zu Nasennebenhöhlenentzündungen, Schleimhautblutungen, Anosmie und perforierter Nasenscheidewand kommen
  • beim Rauchen besteht ein erhöhtes Risiko für Lungenschädigungen
  • mögliche Folgen eines intravenösen Drogenkonsums sind Infektionen, Endokarditis, Abszesse sowie „Einstichstraßen“, zumeist auf dem nicht dominanten Unterarm; mit längerfristigem intravenösem Konsum und Nadeltausch oder gemeinsam benutzten Spritzutensilien steigt das Risiko für eine Hepatitis(B/C)- oder HIV-Infektion
  • allgemeine Folgen
    • Schädigungen der Schleimhaut
    • typische Zahnschäden mit Zahnfleischerkrankungen, Karies und Mundsoor („MethMouth“)
    • vorrübergehender Gewichtsverlust
    • beobachtete Gewalttätigkeit unter Methamphetamin dosisabhängig
  • Symptome im Entzug
    • Postkonsumsyndrom: extreme Erschöpfung mit langem Tiefschlaf folgt eine depressive Verstimmung mit Anhedonie (Freudlosigkeit), Müdigkeit, Motivationslosigkeit, allgemeiner Schwäche und Gereiztheit
  • Entzugssyndrom
    • depressive Symptome mit Anhedonie und Suizidalität
    • Antriebsstörung wird als Müdigkeit (Lethargie, „Mattigkeit“) erlebt
    • häufig gereizt und gleichzeitig emotional labil
    • Bradykardie und Gewichtszunahme
    • kognitive Fähigkeiten sind zu Beginn des Entzugs subjektiv deutlich reduziert

Anamnese

  • um die für die Symptomatik verantwortlichen psychotropen Stoffe identifizieren zu können, sollten möglichst viele Informationsquellen herangezogen werden
  • dazu gehören Angaben durch den Patienten selbst, sein Verhalten, charakteristische körperliche oder psychische Symptome, klinische Merkmale und andere Hinweise, wie die im Besitz des Patienten befindlichen Substanzen oder fremdanamnestische Angaben sowie die Analyse von Blutproben oder von anderen Körperflüssigkeiten

Diagnostik

  • aktueller Konsum welcher Substanzen
  • letzter Konsum, Menge
  • Zufuhrwege (oral, nasal, inhalativ, intravenös, rektal u.a.)
  • typische Dosierung, mit/ohne Toleranzentwicklung, d.h. Erhöhung der Konsummenge
  • Auftreten und Schweregrad von Entzugssymptomen
  • Begleitkonsum (z. B. Medikamente, THC, Alkohol) zum „Runterkommen“, sonstige/aktuelle Präferenzsubstanz
  • Zeitpunkt des Erstkonsums, Frequenz, Übergang von Gelegenheitskonsum zu täglichem Konsum
  • besonderes Augenmerk gilt paranoiden, psychotischen Symptomen, die zu einer Gefährdung des Umfelds oder Selbstgefährdung führen können
  • depressiven Symptome im Entzug und das Ausmaß einer Suizidalität immer erfragen, sie gelten als die gravierendste Komplikation im Methamphetamin-Entzug
    • Gefährdung Schutzbefohlener (minderjährige Kinder) durch die gegenwärtige, den Kontaktanlass darstellende Symptomatik abzuwägen

körperliche Untersuchung

  • Hautexkorationen
  • abgekaute Backenzähne, lückenhafter, kariöser Zahnstatus
  • Kachexiezeichen
  • Anosmie und Nasenschäden
  • physische Traumazeichen (Z. n. Sturz, Genitalverletzungen)
  • Einstichstellen mit/ohne frische/ältere Abszesse
  • Herzgeräusche, Herzrythmusstörungen, Hypertonie
  • Infektionszeichen
  • Hinweise auf Lebererkrankung
  • Nasenschädigungen

Akuttherapie

  • grundsätzlich können bei einer MethamphetaminIntoxikation medizinisch-somatische (Blutdruckentgleisung, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufprobleme, Krampfanfälle, Atemdepression, Brutschmerzen, Schlaganfälle, Hirnblutungen, Bewusstseinsstörungen) oder psychische Symptome (expansivaggressive Zustände, Erregungszustände mit [schwer kontrollierbaren] aggressiven Durchbrüchen, Stereotypien, ängstlich-agitierte, delirante oder psychotische Bilder mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen) mit psychosozialen Komplikationen (Gewalt gegen sich und andere, Straßenverkehrsdelikte, Straftaten) im Vordergrund stehen
  • besonders hohes Risiko für aggressive Durchbrüche besteht im Rahmen eines psychotischen Zustandsbildes und/oder bei gleichzeitigem Alkoholkonsum
  • in Akutsituation ist es in der Regel schwierig, eine Anamnese vom Betroffenen zu erhalten, sodass Fremdanamnese und weitere Hinweise aus dem Umfeld für die Diagnosestellung wichtig sind. In der Regel sind Menge und Art des konsumierten Stoffs oder eines Mischkonsums zunächst unklar
  • syndromorientiertes Vorgehen mit Monitoring der körperlich-vegetativen und klinisch-psychopathologischen Befunde bis zum Abklingen der Symptomatik
  • Vorliegen eines sympathoadrenergen Toxidroms, das Symptome wie hypertensive Blutdruckwerte, Tachykardie, Hyperthermie, Diaphorese, Mydriasis oder Agitation umfasst, lässt differenzialdiagnostisch an Intoxikation mit Methamphetamin denken
    • Ausprägung der Tachykardie oder Hypertonie ist guter Anhaltspunkt für Ausmaß der Methamphetamin-Intoxikation
  • Versorgung einer Methamphetamin-intoxikierten Person sollte in einer möglichst ruhigen, reizabschirmenden Umgebung mit kontinuierlicher personeller Begleitung erfolgen
  • bei jedem Patienten mit Diaphorese und Vorliegen von Hypertonie, Tachykardie, schwerer Agitation oder Psychose an Intoxikation mit Methamphetamin denken
  • Begleitung und Beruhigung des Betroffenen und die Sicherung bzw. Verhinderung von Folgeschäden durch Panikzustände bzw. expansives und aggressives Verhalten, gegebenenfalls geht es dabei auch um die Herstellung einer Behandlungsbereitschaft, z.B. bei Verletzungen
  • so weit möglich, sollte eine konstante Bezugsperson im Kontakt mit dem Patienten bleiben; anwesende Bekannte, die einen beruhigenden Einfluss auf den Patienten ausüben, können eventuell einbezogen werden
  • beteiligte professionelle Helfer (Ärzte, Pflegepersonal, Rettungssanitäter usw.) sollten dem Betroffenen zuhören und versuchen, ihm die Situation und das eigene Vorgehen in möglichst einfachen, kurzen Sätzen zu erläutern
  • Grundhaltung sollte empathisch-akzeptierend sein (keine Vorhaltungen oder Konfrontationen!)
  • potenziell irritierende und missverständliche Verhaltensweisen wie abrupte Bewegungen oder schnelles Zugehen auf den Betroffenen sollten vermieden werden
  • bei Beachtung dieser Grundsätze kann nach klinischer Erfahrung ggf. auf beruhigende Medikation verzichtet werden
  • unabdingbar muss in der Notfallsituation bei aggressiven Patienten auch die eigene Sicherheit und Gesundheit der Helfer im Auge behalten werden (Fluchtweg offenhalten, hohe Personalpräsenz, mindestens eine zweite Person, die eingreifen oder Hilfe holen kann)
  • bei körperlichen Komplikationen kann je nach Schweregrad – über die Versorgung durch Notarzt und/oder Notaufnahme hinaus – stationäre Aufnahme mit Intensivmaßnahmen indiziert sein
  • Methamphetamin-intoxikierte Person sollten bei Vorliegen schwerer psychopathologischer Symptome mit konkreten selbst- oder fremdgefährdenden Äußerungen/Handlungen in eine psychiatrische Klinik, ggf. auch gegen ihren Willen, eingewiesen werden, wenn keine akut behandlungsbedürftige somatische Symptomatik im Vordergrund steht
  • wenn psychiatrische Symptome im Sinne expansiv-aggressiver, agitierter, deliranter oder psychotischer Bilder mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen und/oder Fremd- oder Eigengefährdung im Vordergrund stehen oder wenn die Symptomatik so ausgeprägt ist, dass das Verhalten schwer voraussagbar ist und jederzeit fremd- oder eigengefährdende Verhaltensweisen zu erwarten sind, muss eine Einweisung zur Behandlung/Intensivbetreuung in eine psychiatrische Klinik, gegebenenfalls auch gegen den Willen des Betroffenen, erfolgen
  • auf physikalische Bewegungsrestriktionen (Fixierung) sollte so weit wie möglich verzichtet werden, da sie fast regelhaft zu einer weiteren Eskalation führen und darüber hinaus die vitale Gefährdung verstärken kann (z. B. Rhabdomyolyse, Hyperthermie etc.)
    • in Ausnahmesituationen (z. B. aggressive Übergriffe des Patienten) kann es dennoch notwendig sein, vorübergehend eine Fixierung durchzuführen
    • hierzu ist ein standardisiertes Vorgehen mit ausreichender Personalkapazität (meist fünf Personen) notwendig, und es ist auf Eigenschutz zu achten
    • wegen der Gefährdung des Patienten ist die Anwesenheit einer qualifizierten Pflegefachperson zu empfehlen (1:1-Betreuung)
  • nach Methamphetamin-Intoxikation weiterführende psychiatrische/suchtmedizinische Diagnostik und ggf. Behandlung empfohlen
  • nach Abklingen der Intoxikation stehen die Betroffenen häufig unter dem starken Eindruck des Erlebten, sie sind daher nach klinischer Erfahrung am ehesten empfänglich für Beratungsangebote
    • zu den Maßnahmen gehören eine weiterführende suchtmedizinisch/suchtpsychiatrische Diagnostik und Differenzialdiagnostik komorbider Störungen so wie psychoedukative Maßnahmen und gegebenenfalls Kontaktbahnung zum professionellen Hilfesystem zwecks weiterer Behandlungsmaßnahmen (z. B. Psychiater, Suchtfachambulanz, Beratungsstelle

allgemeine Grundsätze zu Unterbringung und Zwangsmaßnahmen

  • rechtliche Voraussetzungen und Regelungen zur unfreiwilligen Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen finden sich in den Unterbringungsgesetzen oder Psychisch-Kranken-Gesetzen (Psych-KGs) der einzelnen Bundesländer, die untereinander ähnlich sind
  • Maßnahmen nach einem Unterbringungsgesetz können nach Psych-KG grundsätzlich dann ergriffen werden, wenn im Rahmen einer psychischen Störung, einer geistigen Behinderung oder einer Abhängigkeitserkrankung die Gefahr besteht, dass eine Person sich selbst oder anderen erheblichen Schaden zufügt, und wenn diese Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar ist
  • im Rahmen des Unterbringungsverfahrens muss ein Arzt schriftlich in einem kurzen Zeugnis die Notwendigkeit der Behandlung gegen den Willen des Betroffenen konkret begründen
  • Polizei bzw. die Feuerwehr darf dann den Betroffenen in eine psychiatrische Klinik bringen, und es wird von Amts wegen eine vorläufige Unterbringung vorgenommen, bis ein Richter nach persönlicher Anhörung des Betroffenen hierüber endgültig entscheidet
    • Frist für die richterliche Anhörung variiert zwischen den Bundesländern von 24 bis 72 Stunden
  • wenn Zwangsmaßnahmen wie eine Fixierung und/oder Zwangsmedikation in der Notfallsituation unumgänglich sind, werden sie auf der Basis des §34 StGB (rechtfertigender Notstand) durchgeführt

medikamentöse Intervention im Notfallsetting

  • ohne ausreichende Überwachungsmöglichkeit sollte bei unklarer MischIntoxikation – so weit wie möglich – auf die Gabe einer Medikation verzichtet werden; wenn Medikation notwendig erscheint, gelten die beiden unten genannten Empfehlungen
    • bei einer Methamphetamin-Intoxikation mit starker Agitiertheit, Aggressivität oder psychotischen Symptomen und medikamentöser Behandlungsbedürftigkeit sollen als Mittel der ersten Wahl Benzodiazepine eingesetzt werden
    • wenn Gabe von Benzodiazepinen nicht ausreichend ist, insbesondere bei psychotischen Bildern mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen, kann zusätzlich ein Antipsychotikum gegeben werden (erste Wahl: atypische Antipsychotika wie Olanzapin oral; zweite Wahl, nämlich dann, wenn eine orale Medikation nicht möglich ist oder die Patienten nicht ausreichend auf das atypische Antipsychotikum ansprechen: Butyrophenone, wie Haloperidol oral oder parenteral)
  • da in der Akutsituation häufig unklar ist, um welche Substanz bzw. Substanzkombination es sich handelt, empfiehlt es sich, möglichst zurückhaltend mit der Gabe von Medikamenten zu sein, wenn bzw. solange keine adäquate Überwachungsmöglichkeit besteht (CAVE: Verstärkung bewusstseinstrübender und atemdepressiver Wirkungen, so z. B. bei Benzodiazepinen im Fall einer Misch-Intoxikation mit Alkohol, Liquid Ecstasy oder bestimmten natürlichen Halluzinogenen (Fliegenpilze, Engelstrompeten u. a.))
  • Überwachung der behandelten Patienten muss entsprechend der Wirkdauer der verabreichten Medikation gewährleistet sein
  • bei starker Agitiertheit, drohendem oder manifestem fremdoder selbstaggressiven Verhalten oder psychotischen Symptomen sind schnell wirksame Benzodiazepine, die beruhigend, abschirmend und angstlösend wirken, Mittel der Wahl, so z. B. Diazepam, Lorazepam oder Midazolam, oral oder i.v.
  • Patient sollte nicht bis zur Bewusstlosigkeit sediert werden; in den meisten Fällen reicht Benzodiazepin-Medikation aus, zumal die hochakute Intoxikationssymptomatik meist nur wenige Stunden andauert
    • Vorgehen gilt auch für eventuell bestehende Suizidalität; im Hinblick auf das Management bei Suizidgefahr und die Indikationen für eine stationäre Behandlung Verweis auf S3-Leitlinie/Nationalen Versorgungs-Leitlinie „Unipolare Depression“ verwiesen
  • sedierende Substanzen bei Patienten mit MethamphetaminIntoxikation
    • Diazepam: 10 mg oral, ggf. Wiederholung nach 30 min; alternativ: 2,5 – 5 mg i.v. Bolus, ggf. Wiederholung nach 5 – 10 min
    • Midazolam: 5 – 10 mg oral (Tabletten od. Tropfen), ggf. Wiederholung nach 30 min; alternativ: 2 – 2,5 mg i.v. Bolus oder i.m., ggf. Wiederholung nach 5 – 10 min
    • Lorazepam: 1 – 2,5 mg oral, ggf. Wiederholung nach 60 min; alternativ: 2 – 4 mg i.v. Bolus, Wiederholung nach 5 – 10 min
    • Olanzapin: 10 mg oral (Schmelztabletten), ggf. Wiederholung nach 60 min; alternativ: 5 – 10 mg i.m., ggf. Wiederholung nach 120 min
    • Risperidon: 2 mg oral (Schmelztabletten), ggf. Wiederholung nach 60 min; 2. Wahl: Haloperidol, 5 mg oral (Tabletten od. Tropfen), ggf. Wiederholung nach 60 Min; alternativ: 5 – 10 mg i.m., ggf. Wiederholung nach 5 – 10 min
  • cerebrale Krampfanfälle sind häufige Komplikation bei Methamphetamin-Intoxikation; auch hier sind Benzodiazepine Mittel der ersten Wahl (CAVE: Antipsychotika können generell die Krampfschwelle senken; auch deswegen ist deren Einsatz bei Methamphetamin-Intoxikierten restriktiv zu handhaben)

internistisch/notfallmedizinische Medikation

  • Management der Atemwege (Airway Management)
    • in Ausnahmesituationen kann es notwendig sein, schwer intoxikierte und/oder hypertherme Patienten zu intubieren und in Allgemeinnarkose zu legen
      • bewährt hat sich hier die Narkoseeinleitung und -führung mit Propofol oder Barbituraten
      • wegen der Gefahr der Rhabdomyolyse ist eine Muskelrelaxierung mittels depolarisierender Muskelrelaxanzien wie Succinylcholin kontraindiziert; nichtdepolarisierende Substanzen wie Rocuronium oder Vecuronium werden empfohlen
    • Gabe von Bicarbonat zur Therapie einer Laktatazidose umstritten und wird nicht als Routinemaßnahme empfohlen
  • Management einer Hypertension:
    • in Ausnahmesituationen kann trotz ausreichender sedierender Medikation eine refraktäre Hypertonie vorliegen; dies erfordert meist eine Behandlung mit vasodilatierenden, peripher ansetzenden antihypertensiven Medikamenten (Urapidil, Prazosin, Glyceroltrinitrat oder Natriumnitroprussid, Phentolamin)
  • Management von Dysrhythmien:
    • isolierte Tachykardien bedürfen selten einer medikamentösen Therapie
    • adäquate Sedierung und Korrektur von Elektrolytstörungen, Dehydratation, metabolischen Störungen etc. reduzieren das Risiko vital bedrohlicher Arrhythmien
    • Therapie von supraventrikulären Tachykardien erfolgt entsprechend den Empfehlungen der aktuellen Reanimationsleitlinien mit Adenosin-Boli oder Kalziumantagonisten
    • Gabe von Betablockern ist relativ kontraindiziert; falls die Gabe eines Betablockers notwendig sein sollte, sollte der ultrakurzwirksame Betablocker Esmolol unter entsprechendem HerzKreislauf-Monitoring eingesetzt werden
  • Management einer Hyperthermie
    • erhöhte Körpertemperaturen können üblicherweise gut mit externen Kühlmaßnahmen (Kältedecken, Kühlaggregate etc.) kontrolliert werden
    • Körpertemperaturen > 41 °C bedürfen aktiver Intervention, mit dem Ziel, die erhöhte Muskelaktivität zu kontrollieren
      • empfohlen wird der Einsatz von nicht-depolarisierenden Muskelrelaxanzien (Rocuronium, Vecuronium), darüber hinaus sind eine aggressive Sedierung und adäquate Volumensubstitution wichtig
    • Antipyretika spielen keine Rolle in der Kontrolle der Methamphetamininduzierten Hyperthermie
  • Management des Elektrolyt- und Volumenhaushalts
    • keine aggressive Volumensubstitution
    • Volumensubstitution sollte vorsichtig durchgeführt werden und üblicherweise mit balancierten Elektrolytlösungen erfolgen
    • um eine Hyponatriämie zu vermeiden, sollten keine hypotonen Lösungen verabreicht werden
    • Hyponatriämie sollte beim nicht-dehydrierten Patienten mittels Volumenrestriktion behandelt werden
  • sonstige Maßnahmen:
    • Gabe von Aktivkohle ist bei einer Methamphetamin-Intoxikation nur in Ausnahmefällen sinnvoll, da die Substanz meist schon absorbiert ist
      • Ausnahmefälle stellen Body-Stuffer oder Body-Packer dar
      • Standarddosis beträgt 1 g Aktivkohle pro 1 kg Körpergewicht, kombiniert mit einer laxierend wirkenden Substanz (z. B. Sorbitol)
    • in Situation eines Body-Stuffers mag in Ausnahmefällen eine gastrointestinale Dekontamination hilfreich sein (z. B. Polyethyleneglykol)
    • bei Vorliegen einer großen Menge an Methamphetamin im Gastrointestinaltrakt und akuten Bauchschmerzen ist in Ausnahmefällen eine umgehende Laparatomie indiziert

Management bei V.a. akute Intoxikation mit Methamphetaminen

  • auf klinische Zeichen akuter Toxizität achten
    • Brustschmerzen
    • schneller Anstieg der Körpertemperatur
    • Krampfanfälle
    • Blutdruckanstieg/-krisen
    • psychotische Symptome (Halluzinationen, paranoide Inhalte)
    • Verhaltensauffälligkeiten (agitiert, schwer kontrollierbares, maniformes Verhalten)
  • Vitalzeichenkontrolle: Puls, Blutdruck, Temperatur, Atemfrequenz, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung
  • verbale De-Eskalation
    • ruhig und beruhigend sprechen
    • möglichst reizarme Umgebung (ohne Gegenstände, die als Waffe benutzbar sein könnten)
    • physische Fixierung möglichst vermeiden, da meist weitere Eskalation
  • Sedierung, wenn notwendig
  • Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Überwachung
Published inIm Notfall PsychiatrieLeitlinien kompakt

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