veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Datum der Veröffentlichung: 01.11.2014
Ablaufdatum: 31.10.2019
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-009.html
Definition
- primäre Otalgie: Erkrankung des Ohres einschließlich der Tuba auditiva
- sekundären Otalgie: Schmerzen, die über sensorische Fasern des Nervus trigeminus, Nervus facialis, Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus sowie der zweiten und dritten Zervikalwurzel in die Ohrregion fortgeleitet werden
- bei Erwachsenen zervikal und spinal ausgelöste, also fortgeleitete Ursachen sowie Kiefergelenksreizungen
- bei Kindern häufig Leitsymptom einer akuten Otitis media
enzündliche Ursachen
Otitis media
- schmerzhafte Entzündung der Schleimhäute des Mittelohres, in der Regel durch aszendierende Infektion über die Nase und die Tuba Eustachii bei bestehendem oder vorangegangenem oberen Luftweginfekt
- hyperämisierte und ödematöse Schleimhaut mit entzündlichen Infiltraten und eitrigem Exsudat in der Paukenhöhle
- Tubenschwellung behindert die Drainage, so dass bei spontanem Verlauf im günstigsten Fall ein Durchbruch durch das Trommelfell nach außen erfolgen kann
akute Otitis media
- plötzlich einsetzende heftige Ohrenschmerzen zusammen mit Hörstörungen, reduziertem Allgemeinzustand, Reizbarkeit, Fieber und Schwindel sowie Paukenerguss (vorgewölbtes Trommelfell)
- Häufigkeit von Symptomen: Husten oder Rhinitis (94%), Rhinitis (90%), Husten (78%), Reizbarkeit (56%), Fieber (55%), Ohrenschmerzen (47%)
akute Otitis externa
- Entzündung von Kutis und Subkutis des äußeren Gehörganges durch Bakterien, Pilze, Allergien oder degenerativ-toxisch wirksame Substanzen
- gehäuft nach Schwimmbadbesuchen, Mikrotraumen (z.B. Wattestäbchen) oder bei bestehender Kontaktallergie gegenüber verschiedenen Externa (z.B. Kosmetika, Haarwaschmittel, Nickel)
- meist obstruierter, geröteter äußerer Gehörgang mit fein- bis mittellamellärer Schuppung
- starke Druckschmerzempfindlichkeit des Tragus und eine Schwellung der Ohrmuschel
Gehörgangsfurunkel
- eitrige, einschmelzende, sehr schmerzhafte, durch Staphylococcus aureus (evtl. auch Streptococcus pyogenes) bedingte Entzündung eines Haarbalges im äußeren Gehörgang
Erysipel
- akute, sich flächenhaft am Ohr ausbreitende Infektion der Haut, hervorgerufen durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
- Allgemeinsymptome wie Fieber und Schüttelfrost
Perichondritis
- oft als Komplikation von (Bagatell-)Verletzungen oder Traumata auftretende Infektion des Ohrknorpels mit der Gefahr der Chondromalazie
- schmerzhafte Schwellung und Rötung der Ohrmuschel
- ggf. eitrige Infektion
Zervikalneuralgie
- Bandscheibenschäden (C2/C3) bzw. Funktionsstörungen der Zervikalgelenke oft Ursache für Ohrenschmerzen
Zoster oticus
- durch Reaktivierung des Varizella zoster-Virus ausgelöste Entzündung der Ganglienzellen des VII. und VIII. Hirnnerven, meistens mit der Symptomtrias Bläschenbildung im äußeren Gehörgang (dadurch Hörminderung), Schwindel und Fazialisparese
- gruppiert stehende Bläschen auf erythematösem Grund möglich
Trigeminusneuralgie
- idiopathische Schmerzattacken im Versorgungsgebiet des 1. – 3. Astes des Nervus trigeminus
- einschießende, kurzandauernde, mehrmals täglich auftretende Schmerzen, die durch Berührung, Sprechen oder Kauen ausgelöst werden können
Fremdkörper sowie Cerumen
- Irritationen der Kutis durch Fremdkörperinokulation, z.B. durch Wattereste oder Insekten, Spielzeug oder Hülsenfrüchte oder auch durch Cerumen (Schmerzen durch Volumenzunahme bei Quellneigung)
Traumata wie Barotrauma
- Wunden/Verletzungen jeglicher Art: Schnitt-Riss-/Bissverletzungen, Erfrierungen, Verbrennungen, Verätzungen, Teilabriss, Totalabriss, Knall- und Barotraumata
- Othämatom mit serös-blutigem Erguss zwischen Perichondrium und Knorpel entsteht durch tangentiale, abscherende Gewalteinwirkung
- Barotrauma: starke Druckdifferenzen führen ohne adäquaten Ausgleich zu erheblichen Spannungen am Trommelfell, die bis zur Trommelfellruptur führen können
- bei Tauchgängen: akute Hörminderung und Tinnitus als begleitende Symptome
Trommelfellverletzungen
- Verletzung des Trommelfells durch direkte (z.B. Wattestäbchen, Stricknadel, Verbrennung beim Schweißen) oder indirekte (z.B. Schlag auf das Ohr (cave: Misshandlung), Sturz auf das Wasser) Gewalteinwirkung
- stechende Schmerzen und akute Hörminderung
Frakturen
- nach entsprechender Gewalteinwirkung auftretende
- Frakturen, die u.a. Ohrenschmerzen verursachen können
- laterale Schädelbasisbrüche treffen häufig auch das Hörorgan
Diagnostik
- Anamnese
- Beginn, Dauer, Stärke und Verlauf der Symptome (Schmerzqualität, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl)
- Hörminderung, Ohrgeräusche, Schwindel, Ausfluss aus dem Ohr
- vorhergehende Infektion der Atemwege, vorhergehende Behandlungen, frühere Ohrbeschwerden
- bekannte Begleit- und Grunderkrankungen
- bei Erwachsenen: Frage nach Erklärung für ihre Beschwerden
- bei (Klein-)Kindern: Fieber, Husten, Schnupfen, Appetitlosigkeit, Unruhe und Reizbarkeit
- Inspektion
- V.a. auf Otorrhoe (Eiter, Blut, Schleim und Liquor) achten
- Rötung und Schwellung der Ohrmuschel sowie des prä- und postaurikulären Bereiches ausschließen
- Ohrmuschelform (angeborene, traumatische oder tumoröse Veränderungen!) sowie das knorpelige Ohrmuschelgerüst inspizieren
- Hämatom = traumatische Ursache
- Schwellung = Tumor, Entzündung oder Sialolithiasis
- Inspektion der Mundhöhle und der Nase ist notwendig, da eine bestehende Tonsillitis oder vergrößerte Rachenmandeln eine Tubenbelüftungsstörung verursachen können
- Palpation
- Tragusdruckschmerzen und Schmerzen beim Zugmanöver an Ohrmuschel Hinweise auf primäre Otalgie (insb. Otitis externa und Chondritis)
- Druck- und Klopfschmerz auf dem Warzenfortsatz Hinweis auf eine Mastoiditis (DD vergrößerter Lymphknoten)
Therapie
- akute Otitis media
- Analgetikagabe
- Paracetamol bis max. 60 mg/kgKG/d (3 – 4 x 10 – 15mg/kgKG/ d)
- Ibuprofen bis max. 20 – 30 mg/kgKG/d (verteilt auf 3 – 4 Gaben/ d)
- Analgetikagabe
- Frakturen
- Empfehlung für die Praxis lautet bei Frakturen unmittelbar eine stationäre Therapie zu veranlassen
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