veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 31.05.2015
Ablaufdatum: 30.05.2020
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-004.html
Definition
- akute mechanische Verletzung von Zähnen und deren benachbarten Strukturen
Klassifikation der Zahnverletzungen
Frakturen
- Schmelzinfraktion
- sichtbarer Riss des Zahnschmelzes ohne Substanzverlust
- Kronenfraktur, begrenzt auf den Schmelz
- (= Schmelzfraktur)
- Kronenfraktur (Schmelz, Dentin, ohne Pulpabeteiligung)
- (= unkomplizierte Kronenfraktur)
- Schmelz-Dentin-Fraktur
- Kronenfraktur (Schmelz, Dentin, mit Pulpabeteiligung)
- (= komplizierte Kronenfraktur)
- Schmelz-Dentin-Fraktur mit Freilegung der Pulpa
- Kronen-Wurzelfraktur (mit und ohne Pulpabeteiligung)
- bis in die Wurzel extendierte Kronenfraktur
- mobiles Kronenfragment ist oftmals noch an der Gingiva befestigt
- Exposition der Pulpa ist nicht zwingend.
- Wurzelfraktur ohne Kommunikation zur Mundhöhle
- horizontale bzw. schräge Fraktur der Zahnwurzel; oftmals
- erhöhte Mobilität des koronalen Fragments, ggf. mit Dislokation
- Wurzelfraktur mit Kommunikation zur Mundhöhle
- horizontale bzw. schräge Fraktur der Zahnwurzel, oftmals
- erhöhte Mobilität des koronalen Fragments, ggf. mit Dislokation
- Wurzellängsfraktur
- vollständiger Längsriss mit Kommunikation zur Mundhöhle
Dislokationen
- Konkussion
- keine Dislokation, keine Lockerung, lediglich Perkussionsempfindlichkeit
- Lockerung
- keine Dislokation, erhöhte Mobilität,
- Perkussionsempfindlichkeit, Blutung aus dem Sulcus möglich
- laterale Dislokation
- Dislokation nach oral, oftmals Verkeilung in dieser Position
- Aufbissstörung
- Dislokation nach vestibulär mit oder ohne Verkeilung i.S. einer intrusiven Dislokation
- gemeinsam ist beiden Formen die Dislokation des Zahnes mitsamt der frakturierten festhaftenden bukkalen Lamelle
- Intrusion
- Dislokation nach apikal, Verkeilung im Alveolarknochen
- Diskrepanz zwischen Gingiva und Zahnumfang, Alveole bukkal aufgetrieben
- keine Perkussionsempfindlichkeit, keine Sulcusblutung
- metallischer Perkussionsschall
- Avulsion
- komplette Herauslösung des Zahnes aus seiner Alveole
Fraktur des bezahnten Alveolarfortsatzes
- vertikale oder schräge Fraktur des Alveolarfortsatzes mit/ohne Verlauf durch das Alveolenfach, i.d.R. mehrere Zähne betreffend, mit/ohne Dislokation (Okklusionsstörung), auf Druck federnde Auslenkung möglich, Einrisse der gingivalen Schleimhaut i.d.R. interdental sichtbar, mit/ohne Blutung aus dem Sulcus
Weichteilverletzungen (Lippe, Wangen, Zunge)
- begleitende Riss-/Quetsch-/Platzwunden der Weichgewebe in enger Lagebeziehung zur Einwirkung der traumatischen Kräfte, i.d.R. begleitet von stärkerer Blutung, mit/ohne Einsprengung von Fremdkörpern (Zahnfragmente, etc.)
Anamnese & Diagnostik
- behandlungsrelevante Grunderkrankungen (z.B. hämorrhagische Diathesen, Allergien, Immunsuppression, Stoffwechselerkrankungen, Herzerkrankungen und medikamentöse Therapien, Hirndurchblutungsstörung, Vestibularisschwindel)
- ggf. Abklärung der Sturzursache
- Hinweise auf Schädel-Hirn-Trauma (Kopfschmerzen, Ohnmacht [anterograde/retrograde Amnesie], Übelkeit, Erbrechen, Blutung aus Nase/Ohren)
- Immunitätsschutz Tetanus (Impfung)
- Unfallhergang (Wo? Wie? Wann? Wer? Fremdverschulden? Roheitsdelikt?)
- Wegeunfall, Schulunfall, Arbeitsunfall (Polizei, Versicherungsträger)
- laufende kieferorthopädische Therapie
klinische Untersuchung
- klinische Untersuchung nach Grundprinzip „Hartgewebe vor Weichgewebe“ und „von innen nach außen“ jeweils mit Inspektion, Palpation und Funktionsprüfung erfolgen
- Inspektion sollte die gesamte Mundhöhle umfassen
- intraoral
- Weichgewebe (Lippe, Zunge, Gingiva, Schleimhaut)
- perforierende Verletzungen (Fremdkörper, Zahnfragmente)
- Riss-, Quetschwunden
- Schwellungen
- Zähne
- Zahnhartsubstanz
- frakturierte (fehlende oder mobile) Zahnanteile
- Dislokation eines gelockerten Zahnfragments, ggf. Okklusionsstörung
- Risse (Transillumination)
- Zahnersatz (vorhandener Zahnersatz, fehlende oder abnorm mobile Teile)
- intraoral
- extraoral
- Weichgewebe (Haut, Lippen)
- perforierende Verletzungen (Fremdkörper, Zahnfragmente)
- Riss-, Quetsch-, Platz-, Schürfwunden
- Schwellungen
- Hartgewebe/Knochen
- Dislokationen/Deformationen
- tastbare Stufen
- abnorme Beweglichkeit (evtl. Krepitation)
- Funktion
- Mundöffnung/Unterkieferbeweglichkeit
- Okklusionsstörung
- Weichgewebe (Haut, Lippen)
Dokumentation
- wesentliche Befunde sollen aus Gründen der Sorgfalts- und Dokumentationspflicht in strukturierter Form dokumentiert werden
Therapie
- Sofortmaßnahme: avulsierte Zähne vorzugsweise zellphysiologisch lagern (Zahnrettungsbox) bis der Patient (wieder) zahnmedizinisch versorgt werden kann
- alternative Lagerungen (in alphabetischer Reihenfolge): Alveole, H-Milch, isotone Kochsalzlösung, Mundspeichel, Ringerlösung
- Avulsion (vollständige Verlagerung des Zahnes aus der Alveole)
- Austrocknung der Zahnwurzel-Oberfläche unbedingt vermeiden
- möglichst zeitnahe Replantation des Zahnes anstreben
- vorzugsweise zellphysiologische Lagerung (Zahnrettungsbox)
- Alternativen: Alveolenfach, H-Milch, isotone Kochsalzlösung, Mundspeichel, Ringerlösung
- Tetanusschutz abklären
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