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Leitlinie „Verletzungen der subaxialen Halswirbelsäule“ der DGOU

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 15.12.2017
Ablaufdatum: 14.12.2022
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-032.html

Ätiologie

  • indirekte Krafteinwirkung
    • axiale Kompression
    • Hyperflexion / Hyperextension
    • Translation
    • Rotationsbeanspruchungen
  • selten direkte Krafteinwirkung
  • typische Unfallursachen
    • Hochrasanztraumata (z.B. Verkehrsunfälle, Sportunfälle, Arbeitsunfälle)
    • Stürze im häuslichen Bereich
    • Niedrigrasanztraumata des geriatrischen Patienten (typischerweise Hyperextensionsverletzungen)

präklinisches Management

Analyse des Unfallhergangs

  • anamnestische Risikofaktoren für HWS-Verletzungen
    • Sturz aus über 1 m Höhe oder mehr als 5 Treppenstufen
    • axiales Stauchungstrauma (z.B. Sprung in seichtes Wasser)
    • Verkehrsunfall mit > 100 km/h, Überschlag, Herausschleudern aus dem Fahrzeug, Zweiradunfall, Kollision mit Bus oder LKW
  • Analyse klinischer Kriterien (Beim Fehlen ALLER der fünf folgenden Kriterien kann eine HWSVerletzung ausgeschlossen werden)
    • Bewusstseinstrübung
    • neurologisches Defizit
    • Schmerzen in der HWS-Region
    • Intoxikation
    • relevantes Trauma der Extremitäten

Notfallmaßnahmen und Transport

  • Immobilisierung der HWS
    • falls Unfallmechanismus oder klinischer Eindruck HWS-Verletzung möglich erscheinen lassen, ist HWSImmobilisierung angezeigt
    • erfolgt mittels harter Zervikalstütze und Fixierung von Rumpf und Kopf auf einem Spineboard/einer Vakuummatratze
    • Rücknahme der HWS in die Neutralposition sollte rückgängig gemacht werden bei Schmerzen oder Verschlechterung vorhandenes neurologisches Defizit
    • Neutralstellung der Halswirbelsäule ist bei Erwachsenen in Rückenlage nur mit einer Unterfütterung des Kopfes zu erzielen
    • bei Kindern Unterfütterung des Rumpfes zum Erzielen der Neutralposition
    • bei Vorliegen eines SHT und Verdacht auf eine HWSVerletzung kritisch abwägen, ob starre Zervikalstütze angelegt wird
  • Monitoring
    • Neurologie
    • Blutdruck und EKG
    • Pulsoxymetrie
  • Transportziel:
    • bei Mehrfachverletzten: entsprechend S3-Leitlinie Polytrauma in regionales oder überregionales Traumazentrum
    • bei Monoverletzung: Traumazentrum
    • bei neurologischen Ausfällen: Traumazentrum mit Wirbelsäulen traumatologischer Expertise
  • Dokumentation
    • Unfallhergang
    • klinischer Untersuchungsbefund, hier insbesondere der
    • neurologischer Status nach ASIA (American Spinal Cord Injury Association)

Anamnese

  • Analyse Verletzungsmechanismus
    • auf HWS einwirkende Kräfte und Momente in Richtung und Ausmaß abzuschätzen
    • insbesondere Hinweise auf ein Rotations, Flexions- oder Extensionsmoment, eine axiale oder translationale Krafteinwirkung oder eine Kombination daraus beachten
    • Hinweise wie Begleitverletzungen wie Prellmarken oder Platzwunden an Kinn, Stirn, Hinterhaupt sowie Anprallfolgen im Fahrgastraum (Frontscheibe!) oder eine genaue Beschreibung des Unfallhergangs durch den Patienten oder die Rettungskräfte
  • gesetzliche Unfallversicherung
    • in Deutschland muss der Patient bei allen Arbeitsunfällen, bei Unfällen auf dem Weg von und zur Arbeit, bei Unfällen in Zusammenhang mit Studium, Schule und Kindergarten sowie allen anderen gesetzlich versicherten Tätigkeiten einem zum Durchgangsarztverfahren zugelassenen Arzt vorgestellt werden
  • Vorerkrankungen und Verletzungen
    • DISH / M. Bechterew
    • frühere Verletzungen der Wirbelsäule (z.B. Arbeitsunfälle)
    • Voroperationen im Bereich der Wirbelsäule
    • relevante neurologische Vorerkrankungen (Lähmungen, Spastiken, etc.)
    • vorbestehende Recurrens-Parese
    • Osteoporose
    • Alkohol-, Nikotinabusus
    • Allergien, speziell Medikamenten- und Metallallergien
    • Medikamenteneinnahme, besonders gerinnungshemmende Medikamente (z.B. OAKs)
  • wichtige Begleitumstände
    • Abklärung funktionelle und soziale Situation vor dem Unfall
    • bisherige Behandlung der Verletzung
    • bisherige Behandlung unfallunabhängiger Wirbelsäulenbeschwerden
  • Symptome
    • spontaner Nackenschmerz
    • neurologische Ausfallserscheinungen mit genauer Beurteilung des Verlaufs und evtl. Progredienz
    • Bewegungsschmerz bis zur Bewegungsunfähigkeit
    • Haltungsinsuffizienz des Kopfes
    • klinisch bedeutsam sind anamnestische Hinweise für gefährlichen Unfallmechanismus
      • Sturz > 1 m
      • axiales Stauchungstrauma (z.B. Kopfsprung ins seichte Wasser)
      • Verkehrsunfälle mit > 100 km/h, Überschlag, 2-Rad oder Quad-Unfall, Kollision mit Bus/LKW

Diagnostik

  • aufgrund hoher Sensitivität Canadian-C-Spine Rule empfohlen
  • Überprüfung hinsichtlich eines Mittelliniendruckschmerzes als Zeichen einer knöchernen Verletzung
  • klinische Untersuchung
    • bewusstseinsklarer Patient (GCS 15)
    • bewusstseinsgetrübter Patient: bildgebende Diagnostik
    • Neurologie mit Zeitpunkt des Beginns und Progredienz:
      • Kribbelparästhesien
      • Paresen
      • Erfassung aller sensiblen und motorischen neurologischen Ausfallserscheinungen einschließlich einer möglichen sakralen Aussparung
      • Blasen- und Mastdarmfunktion
      • Bewusstseinsverlust, Hirnnervenlähmung und Kleinhirnfunktionsstörungen (A. vertebralis)
  • Erfassung der Begleitverletzungen
  • vorbestehende Erkrankungen und Verletzungsfolgen
Published inLeitlinien kompakt

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