Heute ist der Tag der Bienen – ein Tag der erst einmal eher irrelevant für die Notfallmedizin wirkt, aber mindestens bei einem Notfallbild spielen Bienen eine entscheidende Rolle bzw. der Nektar ihrer Arbeit! Ja, heute geht es bei FOAMio um das Notfallbild der Ingestion von Batterien und die initiale Behandlung durch die orale Gabe von Honig.
Grundsätzliches
Die Fremdkörperingestion stellt vor allem im pädiatrisch-notfallmedizinischen Bereich eine der relativ häufigen Verdachtsdiagnosen bzw. Vorstellungsgründe dar. Bei der Fremdkörperingestion kommt es zum Verschlucken von Fremdkörpern in den Verdauungstrakt (Hypopharynx, Ösophagus, Magen oder Dünndarm). Hinsichtlich der Symptomatik und dem Zeitpunkt der Vorstellung unterscheidet man zwischen der akuten Ingestion (< 24 h nach Ereignis), der subakuten Ingestion (> 24 h nach Ereignis) oder der chronischen Ingestion (Wochen bis Monate nach Ereignis).
Relevant bei der Behandlung von Fremdkörperingestionen sind vor allem die Art & Beschaffenheit der ingestierten Gegenstände sowie die Zeit nach der Ingestion. So stellt z.B. eine verschluckte Knopfzellbatterie eine absolute Notfallsituation dar und eine verschluckte Murmel eine eher weniger dringliche Notfallindikation. Gerade aus diesem Grund ist es wichtig sich genauer mit den wichtigsten Fakten zur Batterieningestion zu beschäftigen, aber vorher noch einige Zahlen & Fakten hierzu.
Zahlen & Fakten
Hinsichtlich der genannten Zahlen & Fakten ist zu betonen, dass diese nur auf Daten aus den USA beruhen, da für Europa oder Deutschland leider keine Daten vorliegen.
- 46 % aller Ingestionen in den USA treten bei Kindern < 5 Jahren auf, in 62 % war die Ingestion ungewollt und in 6,5 % ging es Fremdkörperingestionen
- Raten verschluckter Fremdkörper in den USA im Jahr 2015 von 17,9 Fällen pro 10.000 Kinder (in 61,7 % Münzen; in 10,3 % Spielzeug; in 7 % Schmuck; in 6,8 % Batterien)
- rund 6 % aller Todesfälle durch Fremdkörperingestionen bei Kindern ≤ 5 Jahre sind auf Knopfzell-Batterien zurückzuführen
- jährliche Inzidenz von 4,6 Notfallvorstellungen bedingt durch Knopfzell-Batterien auf 100.000 Einwohner*innen (76,6 % davon entfallen auf Ingestionen)
- Gesamtinzidenz für schwerwiegende Komplikationen & Mortalität bei Knopfzell-Batterie-Ingestion: 0,34 % (Inzidenz steigend mit zunehmendem Durchmesser > 20 mm: 12,6 %)
- jährlich rund 3.000 Knopfzell-Batterie-Ingestionen bei Kindern in den USA
- größter Anstieg der Verletzungsschwere seit 2006 im Zusammenhang mit der Markteinführung von 20-mm-3-Volt-Lithium-Knopfbatterien (z.B. CR 2032-Batterien)
- seit 1977 erfolgten im US-Register 59 Todesmeldungen und 239 Meldungen hinsichtlich schwerer Verletzungen im Zusammenhang mit verschluckten Knopfzell-Batterien (83 % der Todesfälle seit der Markteinführung von 20-mm-3-Volt-Lithium-Knopfbatterien und 47 der Todesfälle, also 79 %, sind auf Blutungen zurückzuführen)
- bei Entwicklung aorto-ösophagealer Fisteln nach Knopfzell-Batterie-Ingestion kommt es fast immer zum Tod (in nur 2 berichteten Fällen überlebten die Patient*innen)
- 7-facher Anstieg des relativen Risikos schwerer Verletzungen infolge von Knopfzell-Batterie-Ingestionen in den letzten 20 Jahren
- laut dem National Poison Center der USA alleine 2019 3467 Knopfzell-Batterie-Ingestionen (53 % bei Kindern < 6 Jahre; bei 1,5 % schwere Komplikationen; 3 Todesfälle)
- Verletzungen der Speiseröhre (39 %), der Nasenhöhle (16 %) und des Magens (7 %) zählen zu den häufigsten Komplikationen nach einer Knopfzell-Batterie-Ingestion
- rund 27 % der schweren Verläufe und 54 % der letalen Verläufe wurden aufgrund unspezifischen Symptomen anfänglich fehldiagnostiziert
Pathophysiologie
Die Ingestion von Batterien wird vor allem gefährlich, wenn der positive und negative Pol der Batterie in Kontakt mit Gewebe/Schleimhaut kommen und so ein Stromkreis entsteht. Sobald der Stromkreis besteht kommt es am negativen Batteriepol zur Elektrolyse, also der Bildung von Hydroxid-Ionen, welche z.B. in Abflussreinigern zu finden sind, und so entsteht ein alkalisches Milieu (pH-Wert-Anstieg), welches zu Kolliquationsnekrosen führt. Bei einer Kolliquationsnekrose verflüssigt sich das angrenzende Gewebe rund um den betroffenen Schleimhautbereich. Wie bei so vielen Notfallbildern ist auch hier die Zeit von Relevanz, da das Ausmaß der Gewebsschädigung proportional zur Dauer der Exposition ist, aber auch der Ladungszustand der Batterie hat Einfluss auf die Ausprägung der Schäden. Die ersten Schädigungen sind i.d.R. schon nach 15 min zu beobachten und wenn die Exposition seit ≥ 2 h besteht sind in fast jedem Fall klar nachweisbare Schleimhautschäden festzustellen. In diesem Zuge kommt es auch nicht selten zu Schäden an angrenzenden Blutgefäßen oder Organen.
Vor allem bei Kindern kommt es zu lebensbedrohlichen Kolliquationsnekrosen, da Knopfzell-Batterien mit einem Durchmesser > 20 mm an den natürlichen Engstellen des Ösophagus (Cricoidenge, Aortenenge & Zwerchfellenge) oftmals hängenbleiben. Litovitz et al. haben aus diesem Grund die 3-N-Regel, bestehend aus Negative (negativer Batteriepol), Narrow (Engstelle) und Necrotic (Nekrose), als lebensbedrohliche Kombination im Zusammenhang mit der Ingestion von Knopfzell-Batterien geprägt.
Symptomatik
Die Symptome einer Ingestion sind oft unspezifisch und werden nicht selten mit Atemwegs- oder Magen-Darm-Erkrankung verwechselt, v.a. bei unbemerkter Ingestion. Jedoch stellen sich bei der Ingestion von Batterien rasch merkbare Symptome ein wie z.B.
- Würgen und/oder Erbrechen (auch Hämatemesis)
- Dysphagie mit Sabbern (Schluckstörungen)
- retrosternales Fremdkörpergefühl
- (anhaltender) starker Speichelfluss
- Ereignis selbst häufig kaum, nicht oder als ein solches wahrgenommen
- ggf. Luftnot durch begleitende Larynx- und/oder Trachealkompression
- Unruhe, Fieber oder Gedeihstörungen bei Menschen mit Behinderung
- Fieber
- Husten
- Appetitlosigkeit und/oder Trinkschwäche
- thorakale oder abdominelle Schmerzen (Peritonismus & akutes Abdomen)
- Schmerzen im Hals/Rachen-Bereich (ggf. mit Schwellung/Rötung bei lokaler Infektion)
- Reizbarkeit
Komplikationen
- Obstruktion oberhalb der gastro-ösophagealen Verbindung
- Darmperforation
- Magenperforation
- aorto-ösophageale Fistel (v.a. bei Lokalisation auf Höhe des Aortenbogens)
- trachea-ösophageale Fistel
- vaskulär-ösophageale Fistel
- ösophageale Perforation (ggf. mit konsekutiver Mediastinitis)
- ösophageale Stenosen
- ösophageale Ulcera
- Stimmbandparese (bei Beschädigung des N. laryngeus recurrens)
- Blutungen (für 79 % aller bekannten Todesfälle verantwortlich)
Anamnese & Diagnostik
- ausführliche Anamnese, v.a. zu den nachfolgenden Punkten
- Art und Größe des Fremdkörpers (z.B. Durchmesser, Volt, mA etc.; CAVE: gefährliche Spannung ab > 1,2 Volt, sodass auch fast entladene Knopfzellen gefährlich sind)
- Zeit seit Ingestion
- letzte Mahlzeit
- Vorliegen von Vorerkrankungen
- Komplikationszeichen (z.B. Ösophagusschädigung)
- Röntgenaufnahme von Hals, Thorax und Abdomen in zwei Ebenen (anterior-posterior & lateral) innerhalb von < 2 h zur Detektion und Lokalisation des ingestierten Gegenstands mit vorheriger Risiko-Nutzen-Abwägung (Röntgen mit Einblendung des Halses)
- Kontrastmittel-CT zur Erkennung von Komplikationen
relevante Fakten zur Batterie
Das R in „CR 2032“ als Bezeichnung für die Batterie steht für die runde Form. Die ersten zwei Ziffer geben den Durchmesser in mm an und die letzten zwei Ziffern die Höhe in 1/10 mm. So handelt es sich bei einer „CR 2032“-Batterie um eine runde Batterie mit einem Durchmesser von 20 mm und einer Höhe von 3,2 mm.
Risikofaktoren für schweren Verlauf
- Durchmesser Knopfzell-Batterie > 20 mm
- höhere Batteriespannung
- Kinder <5 Jahre
- Blutungszeichen (Hämatemesis, Hämoptysen)
- Lokalisation der Batterie auf Höhe des Aortenbogens
Therapie
initiale Therapie mit Honig
Initial sollte, sofern dies den Transport und die Endoskopie nicht verzögert, die regelmäßige Gabe von 10 mL Honig (2 Teelöffel) im Abstand von jeweils 10 min erfolgen, um den pH-Wert im Bereich der Batterie zu neutralisieren, wenn die nachfolgenden Kriterien zutreffen:
- Lithium-Batterie oder Batterietyp unbekannt
- Patient*in > 12 Monate alt (CAVE: bei Patient*innen < 12 Jahre besteht durch den Honig die Gefahr von Säuglingsbotulismus)
- Ingestion vor < 12 Stunden
- keine Dysphagie (Schluckbeschwerden)
- Honig sofort verfügbar
- keine Honig-Allergie
Die Honig-Gabe sollte in Abhängigkeit der Literatur maximal 3 – 6 Mal erfolgen. Alternativ kann in der Klinik bzw. bei präklinischer Verfügbarkeit die Gabe von 1g bzw. 10 mL Sucralfat, ein Aluminiumsalz von Saccharosesulfat, erwogen werden (CAVE: i.d.R. schlechte Verfügbarkeit und Compliance-Probleme der Patient*innen). Die Sucralfat-Gabe sollte max. 3 Mal erfolgen.
Honig und Sucralfat haben neben ihrer pH-neutralisierenden Wirkung auch eine protektive Funktion durch die hohe Viskosität, jedoch mss hinsichtlich der Studienlage betont werden, dass diese sehr heterogen ist und so ein direkter Vergleich der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich ist. Es konnte aber in allen Studien gezeigt werden, dass die Honig-/Sucralfat-Gabe eine positive Wirkung hat bei gleichzeitig minimalen Risiken und Nachteilen.
Im nachfolgenden Video der NERDfallmediziner*innen und den Tox Docs ist sehr gut zu sehen welch protektive Wirkung der Honig für das Gewebe hat.
Jia et al. konnten 2022 in einer kleineren Testreihe an Tieren zeigen, dass Olivenöl in Kombination mit Honig eine größere Schutzwirkung hat als die alleinige Honig-Gabe. Ingesamt wurde konstatiert, dass die „Spülung mit Olivenöl allein die Entladung der Knopfzell-Batterie nicht verhindern konnte und problematisch beim Greifen der Knopfzell-Batterie bei der Entfernung war. In Kombination mit Honig verhindert Olivenöl jedoch sehr wirksam den Abgang von BB und bietet einen besseren Schutz der Speiseröhre als Honig“.
endoskopische Entfernung
Bei einer Ingestion einer Knopfzell-Batterie ist i.d.R. eine notfallmäßige (also innerhalb von < 2 h nach Ingestion) oder dringliche Endoskopie notwendig abhängig von Art, Größe & Lokalisation. Hinsichtlich der Dringlichkeit sollten die beteiligten medizinischen Fachgebiete gemäß der S2k-Leitlinie „Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion“ der DGAI die folgende Risiken beurteilen und gegeneinander abwägen:
- Risiko einer (sub-)totalen Atemwegsobstruktion durch den Fremdkörper
- Risiko einer respiratorischen Erschöpfung des Kindes
- Risiko von Sekundärschäden (z.B. Batterien, mehrere Magnete)
- Risiken einer Notfallnarkoseeinleitung (Rapid-Sequence-Induction, RSI) mit dem Risiko der Regurgitation von Mageninhalt und/oder pulmonaler Aspiration bei nicht-nüchternem Kind, ggf. aggraviert durch einen evtl. begleitenden, nicht-kompensierten Atemwegsinfekt
- Risiko der Durchführung des Eingriffs mit ggf. nicht optimaler Teambesetzung im Notfallbetrieb
Vor allem bei V.a. Batterien-/Knopfzell-Ingestion sollten die Nüchternheitszeiten aufgrund der zu erwartenden Risiken bzw. Komplikationen keine Berücksichtigung finden. Auch bei (mutmaßlichen) Lokalisation der Batterie im Magen und symptomatischen Patient*innen, sollte die Bergung nach radiologischer Verifikation nicht abgewartet werden, da die Gefahr von Nekrosen oder einer Perforation groß ist. Bei gastrointestinal ingestierten Knopfbatterien gilt, dass zur Vermeidung schwerwiegender Sekundärkomplikationen eine schnellstmöglich endoskopische Entfernung durchgeführt werden sollte. Wenn bei gastraler Ingestion mit Lokalisation im Magen keine Symptome festzustellen sind, kann eine abwartende Therapie erwogen werden und es sollte bei ausbleibender Ausscheidung in den vier darauffolgenden Tagen ein Kontroll-Röntgen erfolgen.
Zusätzlich sollte eine Bronchoskopie erfolgen, wenn der negative Batteriepol anterior lokalisiert war, um Schäden am Atmungstrakt auszuschließen.
Im Nachgang der Entfernung der Batterie während der Endoskopie kann die Spülung mit 50-150 mL 0,25 %iger steriler Essigsäure zur Neutralisierung erwogen werden, sofern Anzeichen einer Perforation erkennbar sind.
sonstige Therapieerwägungen
- bei Kinder > 12 Jahren mit einer ingestierten Batterie ≤ 12mm und ohne ko-ingestierte Magneten, welche bei Vorstellung asymptomatisch sind, kann folgendes erwogen werden
- ggf. Verzicht auf Röntgenbild
- ambulante Versorgung, wenn keine relevanten (Ösophagus-)Vorerkrankung vorliegen
- engmaschige ambulante Kontrollen, sofortige Vorstellung bei Symptomen
- nicht empfohlen sind die folgenden Therapieansätze
- induziertes Erbrechen (z.B. mit Ipecacuanha-Sirup)
- blinde Entfernung der Batterie (z.B. mittels Ballonkatheter)
- Bestimmung von Kupfer oder anderen Batteriebestandteilen im Urin oder Serum
- Therapie mit Chelatbilder
- Gabe von Laxantien oder Polyethylenglycol
Bei den Kolleg*innen von NERDfallmedizin findet Ihr zu diesem Thema auch ein sehr interessantes Video mit einem Interview mit Christoph Hüser von Tox Docs (http://toxdocs.de/):
Behanldungsalgorithmen
Quellen
- Abteilung für Neonatologie am Universitätsklinikum Bonn. „Knopfzelle (Knopfbatterie): Große Gefahr für Kleinkinder“. Kindernotfall Bonn (blog), 25. Januar 2022. https://www.kindernotfall-bonn.de/kindernotfall/knopfzelle-knopfbatterie-kind/.
- „Akzidentelle Ingestion von Knopfzellen bei Kindern: aktualisierte Leitlinie“. AINS – Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie 55, Nr. 09 (September 2020): 510–11. https://doi.org/10.1055/a-1219-7142.
- Eich, C., T. Nicolai, J. Hammer, T. Deitmer, P. Schmittenbecher, K.-P. Schubert, M. Laschat, u. a. „Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörper aspiration und Fremdkörperingestion“. Laryngo-Rhino-Otologie 95, Nr. 05 (2. Mai 2016): 321–31. https://doi.org/10.1055/s-0042-102614.
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- Fandler, Martin. „Kinder und Knopfzellbatterien – eine hochgefährliche Kombination!“ Nerdfallmedizin (blog), 11. März 2023. https://nerdfallmedizin.blog/2023/03/11/kinder-und-knopfzellbatterien-eine-hochgefaehrliche-kombination/.
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