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Leitlinie „Intrakranieller Druck (ICP)“ der DGN (Update 2023)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 14.02.2023
Ablaufdatum: 13.02.2028
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-105.html

Grundsätzliches

  • Definition intrakranieller Druck
    • Druck, der im Schädelinneren herrscht, also der Druck, den der Schädelinhalt auf die Durahülle ausübt
    • Druck, der aufgewendet werden muss, um das Heraustreten von Liquor cerebrospinalis über eine Punktionskanüle aus dem Liquorraum in horizontaler Körperlage zu verhindern
    • normaler ICP bei Erwachsenen: < 10 mmHg
    • pathologisch erhöhter ICP: dauerhafte Werte > 20 mmHg
  • Mechanismus der intrakraniellen Druckerhöhung
    • Volumen im Schädelinneren bleibt konstant
    • Volumenzunahme eines oder mehrerer der Hirn-Kompartimente führt zu einer ICP-Erhöhung
      • Hirngewebe: ICP-Erhöhung durch Blutung, Schwellung, Entzündung
      • Gefäßkompartiment: ICP-Erhöhung durch Hyper- oder Hypoventilation, venöse Stauung

Therapieindikation ICP-senkender Verfahren

  • akut komatöse Patient*innen oder intubiert-sedierte Patient*innen
  • klinisch nicht hinreichend beurteilbar
  • bestehender Verdacht auf vorliegende oder zu erwartende relevante ICP-Erhöhung
  • CAVE: i.d.R. sollte ICP-Messung Voraussetzung für Einsatz ICP-senkender Maßnahmen sein

Therapie

  • Osmotherapie bei Patient*innen, bei denen operative Intervention unmittelbar geplant ist und V.a. ICP-Erhöhung besteht (ggf. auch ohne Hirndruckmessung)
    • hypertone Kochsalzlösung vorsichtig als Bolus oder als kont. Infusion (3 %- oder 10 %-NaCl-Perfusor)
    • 20%iges Mannitol als 250 mL-Stechampulle (max. 6 Dosen/d)
  • hochnormale arterielle Oxygenierung (PaO2: 75 – 95 mmHg)
  • strikte Normokapnie mit Ziel-PaCO2 von 35 – 45 mmHg (Hyperventilation mit paCO2 < 36 mmHg und Zielwerten 28 – 35 mmHg bei schwerster ICP-Krise zur zeitlichen Überbrückung)
  • Normoglykämie (110 – 160 mg/dL; CAVE: Hypoglykämie vermeiden)
  • stabiler, ausgeglichener Elektrolythaushalt
  • strikte Normothermie mit Temp.-Ziel zw. 36,5 – 37,0 °C (Temperatursenkung indiziert bei > 37,5 °C; CAVE: Temperaturschwankungen vermeiden)
  • Gewährleistung eines freien venösen Abstrom, z.B. durch optimierte Lagerung (Oberkörperhochlagerung mit ca. 15°; ggf. individualisieren)
  • bei respiratorischer Insuffizienz und/oder GCS < 8 Analgosedierung und maschinelle Beatmung
    • Sedativa wie Propofol (CAVE: Propofol-Infusionssyndrom bei > 4 mg/kgKG) oder Benzodiazepine in Dosierung von 2,5 – 10 mg/h
    • Analgetika wie Ketamin oder Opioide
    • ggf. neuromuskuläre Blockade mit z.B. Rocuronium, Vecuronium, Cisatracurium, etc. bei schwieriger Beatmung oder Auftreten von „Shivering“ im Einzelfall erwägen
  • Glukokortikosteroid-Gabe bei onkologischer Ursache oder in Akutphase der bakteriellen Meningitis (CAVE: bei SHT, ischämischem/hämorrhagischem Schlaganfall oder SAB kontraindiziert)

ICP-Erhöhung beim raumfordernden ischämischen Schlaganfall

  • keine routinemäßiger Einsatz der Osmotherapie
  • keine Glukokortikoide-Gabe empfohlen
  • routinemäßige Hyperventilation nicht empfohlen (kurzzeitige Hyperventilation bei akuter klinischer Verschlechterung aufgrund Einklemmung erwägen)
  • keine Diuretika oder Barbiturate empfohlen

ICP-Erhöhung bei intrazerebraler Blutung (ICB)

  • akute RR-Senkung mit Ziel-Werten RRsys. zw. 130 – 150 mmHg anstreben
  • sorgfältige Titration der medikamentösen RR-senkenden Therapie sowie kontinuierliche RR-Kontrolle (CAVE: RR-Schwankungen vermeiden)
  • venösen, vasodilatierenden Medikamente vermeiden
  • Normothermie mit Ziel zw. 36,5 – 37,0 °C (Temperatursenkung indiziert bei > 37,5 °C)
  • hyperosmolare Therapie bei Hirnödem oder zur vorrübergehenden ICP-Senkung in Betracht ziehen
  • keine Glukokortikoide-Gabe empfohlen

ICP-Erhöhung bei Subarachnoidalblutung (SAB)

  • Hyperkapnie vermeiden
  • Barbituratnarkose für schwere Fälle mit refraktär erhöhtem ICP vorbehalten
  • Mannitol (20 %) und hypertone Kochsalzlösung (3 %–23,5 %) erwägen
  • Normothermie mit Ziel zw. 36,5 – 37,0 °C

ICP-Erhöhung bei Schädel-Hirn-Trauma

  • Aufrechterhaltung zerebraler Perfusionsdruck mit Zielwert von 60 – 70 mmHg
  • keine Glukokortikoide-Gabe empfohlen
  • keine prinzipielle oder prophylaktische hyperosmolare Therapie empfohlen
  • keine prophylaktische milde Hypothermie empfohlen
  • keine prophylaktische und andauernde Hyperventilation empfohlen (ggf. temporär erwägen)
  • Barbiturat-Gabe nicht empfohlen (ggf. erwägen bei hämodynamisch stabilen Patient*innen mit therapierefraktärem erhöhtem ICP)

ICP-Erhöhung bei globaler zerebraler Ischämie

  • bei Patient*innen nach Herz-Kreislauf-Stillstand (egal welcher Initialrhythmus) mit ROSC ohne Wiedererlangung des Bewusstseins Hypothermie (32 – 36 °C)
  • Einsatz von Glukokortikoiden, Barbituraten und der Hyperventilation kann nicht generell empfohlen werden
  • Osmotherapie bei ICP-Krisen erwägen

ICP-Erhöhung bei Enzephalitis/Meningitis

  • Glukokortikoide-Gabe bei bakterieller Meningitis empfohlen (Nutzen bei viralen Enzephalitis unklar)
  • keine Hypothermie und Barbiturat-Gabe empfohlen

ICP-Erhöhung bei Hirnvenen- oder Sinusthrombose

  • rasch induzierte und ausreichende Antikoagulation (CAVE: keine systemische Thrombolyse)
  • keine Glukokortikoide-Gabe empfohlen
Published inLeitlinien kompakt

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