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Empfehlung „Umgang mit schweren Behandlungskomplikationen und belastenden Verläufen“ der DGAI

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 19.05.2014
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.bda.de/docman/alle-dokumente-fuer-suchindex/oeffentlich/empfehlungen/635-empfehlungen-zum-umgang-mit-schweren-behandlungskomplikationen-und-belastenden-verlaeufen/file.html

Symptomatik

(CAVE: ggf. auch schon länger bestehend und teilweise redundant)

  • wiederholte Alpträume bezogen auf das Ereignis
  • Gefühl der Empfindungslosigkeit
  • „inneres Chaos“ (Angst, Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit)
  • Schlaflosigkeit (für mehr als eine Nacht)
  • plötzlicher Verlust an Arbeits- oder Lebensfreude
  • zunehmender Alkohol-, Medikamenten- oder Drogengebrauch
  • verstärkte Reizbarkeit, vegetative Symptome („Hyperarousal“)
  • „Flash back“ (sog. Nachhallerinnerungen)
  • Gefühl der sozialen Isolation, Rückzugsverhalten
  • Konzentrationsstörungen
  • Intrusionen (unauslöschliche seelische Prägungen durch die traumatische Erfahrung durch sich aufdrängende Erinnerung, Wiedererleben etc.)
  • persistierende Schuldgefühle
  • Wiederauftreten der Erinnerungen an das Ereignis während des Tages

mögliche langfristige Konsequenzen nach schweren Behandlungszwischenfällen

  • Depression/Burnout (Angststörung, Postraumatic Distress Syndrom-PTDS)
  • soziale Isolation (beruflich und privat)
  • Erfordernis längerfristiger psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung
  • Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch, Entwicklung einer Abhängigkeit
  • erhöhte Wahrscheinlichkeit erneuter Behandlungszwischenfälle
  • Wechsel in ein anderes Krankenhaus
  • Wechsel in eine andere Klinikfachrichtung
  • Wechsel in eine patient*innenferne Tätigkeit
  • Berufsaufgabe
  • Suizid

Empfehlungen für Betroffene

  • nicht Zurückziehen, sondern das Gespräch suchen
  • Vorgesetzte involvieren
  • Vorfall gut dokumentieren (zeitnah, nicht nur juristisch wichtig)
  • Führen des ersten Gesprächs mit Angehörigen nie am Telefon
  • Führen des ersten Gesprächs mit Angehörigen möglichst immer im interdisziplinären Team
  • schnell, erste interdisziplinäre Nachbesprechung erwirken
  • berücksichtigen, dass man vorerst nicht verkehrstüchtig ist
  • erwägen, angemessene Auszeit zu nehmen
  • eigene Ressourcen zur Stressreduktion aktivieren wie Sport, Naturerleben, Kultur, soziale Kontakte etc. (sofern möglich)
  • professionelle Hilfe bei Zeichen von Burnout, Depression, Angstzuständen, posttraumatischer Belastungsstörung aufsuchen
  • Suche des Gesprächs (mit möglichst stabilen Gegenüber und im geschützten Umfeld)

Empfehlungen für Kolleg*innen

  • Sie sind als Kolleg*innen gefordert!
  • nicht an Schuldzuweisungen, Ausgrenzungen und/oder Mobbing beteiligen
  • Einschreiten, falls es zu Schuldzuweisungen, Ausgrenzungen und/oder Mobbing kommt
  • aktive Gesprächsbereitschaft signalisieren (sofern selbst stabil genug)
  • Vertraulichkeit zusichern (sofern möglich)
  • sowohl über fachliche als auch über emotionale Aspekte sprechen
  • Wachsam sein bzgl. Symptomen der Belastungsstörung bei Ihren Kolleg*innen (Gereiztheit, Müdigkeit, Lustlosigkeit etc.)
  • Rückzug und Kommunikationsverweigerung des Gegenübers überwinden
  • Betroffene nicht unbedingt nach Hause schicken, sondern ggf. auch außerhalb des Bereichs des kritischen Ereignisses einsetzen
  • psychologische bzw. psychosomatische Fachbehandlung vorschlagen (v.a. bei länger anhaltender Problematik)

Empfehlungen für Vorgesetzte, Abteilung, Geschäftsführung & Verwaltung

  • vorbereitet sein, da Zwischenfälle auch in Ihrem Team oder einem selbst passieren
  • Nutzung von präventivem Erfahrungsaustausch, Schulungen und Coachings zum Thema Umgang mit Zwischenfällen und Fehlern
  • Präsenz zeigen & Vorbild sein und empathisch führen
  • verinnerlichen, dass Behandlungszwischenfall ein Notfall für Patient*innen und Behandlungsteam ist
  • berücksichtigen, dass auch bei Führungspersonen Überforderungsgefühle ausgelöst werden können
  • Gesprächsbereitschaft signalisieren
  • Vertraulichkeit zusichern (ggf. Vermittlung von Gesprächspartner*in, welche Vertraulichkeit zusichern kann)
  • Schutzmechanismen wie Rückzug und Kommunikationsverweigerung überwinden
  • Wachsam sein bzgl. Symptomen der Belastungsstörung bei Ihren Mitarbeiter*innen
  • Betroffene längerfristig im Auge behalten
  • aktiv interne oder externe Hilfe anbieten
  • Vorverurteilungen, Schuldzuweisungen, Mobbing im Team klare Absage erteilen
  • systematische Nachbesprechungen mit den Betroffenen und im (interdisziplinären, interprofessionellen) Team durchführen
  • Betroffene nicht unbedingt nach Hause schicken, sondern ggf. auch außerhalb des Bereichs des kritischen Ereignisses einsetzen
  • ggf. erfahrene Kolleg*innen längerfristig als Mentor*innen einsetzen
  • Mortalitäts- & Morbiditätskonferenzen planen (CAVE: nicht erst oder nur zum aktuellen Fall)
  • erwägen, tödliche Verläufe in Simulatortrainings einzubauen
  • institutionalisierte, möglichst niederschwellige Anlaufstellen schaffen (z.B. Betriebsarzt, Selbsthilfegruppen, geschulte Peers)
  • sich selbst und leitendes Personal schulen und dadurch Sensibilität wecken
  • Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen und Diskussionsforen zum Thema durchführen
Published inLeitlinien kompakt

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