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Second Victim-Phänomen

Bei „Im Notfall Psychiatrie“ geht es i.d.R. um Erkrankungen bei Patient*innen bzw. die Behandlung und Kommunikation mit selbigen. Heute geht es einen Schritt weiter, denn auch die Behandelnden, egal ob Ärzt*innen, Pflegende oder Rettungsdienstpersonal können zu Patient*innen bzw. Betroffenen werden. In diesem Zusammenhang spricht man oftmals auch vom sogenannten „Second Victim“-Phänomen. Worum es sich hierbei handelt, wie es sich zeigt und welche Hilfen bzw. Hilfsangebote sinnvoll sind, dazu gibt es die Antworten im heutigen „Im Notfall Psychiatrie“-Beitrag.

Was ist eigentlich das „Second Victim“-Phänomen?

Beim „Second Victim“-Phänomen kommt es zur Traumatisierung von Behandelnden durch (außergewöhnliche,) unvorhergesehene Zwischenfälle, Behandlungsfehler oder etwaige Patient*innenschäden. Der Begriff „Second Victim“ leitet sich wie folgt ab: Die Patient*innen, welche Opfer des Zwischenfalls bzw. Behandlungsfehlers sind, sind das „erste Opfer“ (auch „First Victim“). Durch die große emotionale und psychische Belastung aufgrund der Folgen des Zwischenfalls für die Patient*innen werden die Behandler*innen zum „zweiten Opfer“ bzw. dem „Second Victim“. Dieses Stigma bzw. ggf. auch Selbststigma hat oftmals schwere Folgen in Bezug auf die physische und psychische Leistungsfähigkeit des jeweiligen „Second Victim“ und damit i.d.R. auch für die Sicherheit anderer, nachfolgender Patient*innen.

Historisch betrachtet geht der Begriff „Second Victim“ auf den Internisten Albert W. Wu von der Johns Hopkins University zurück. Dieser hat im Jahr 2000 in seinem wegweisenden Artikel bzw. Fallschilderung „Medical error: the second victim“ den Fall eines Kollegen geschildert, welcher ein „Second Victim“ durch einen selbst begangenen Fehler (Nichterkennen einer Perikardtamponade im EKG bei eindeutigen EKG-Zeichen) wurde, und zeigte grundsätzlich auf, dass es „seltsamerweise in der heutigen Medizin keinen Platz für Fehler gibt“ („Strangely, there is no place for mistakes in modern medicine.“). Genau aufgrund dieser fehlenden Fehlerkultur beschreibt Wu zwei Arten von Traumatisierungen in Bezug auf das „Second Victim“-Phänomen. Auf der einen Seite die menschliche Reaktion der strengen Selbstkritik, wenn es zu Fehlern kommt, und auf der anderen Seite besteht oftmals ein toxisches Umfeld, welches einer „Shame-and-Blame“-Kultur folgt und so nicht die Suche nach Ursachen und Hilfsangebote im Mittelpunkt, sondern nur die Suche nach Schuldigen und die Verurteilung von Fehlern.

Fast 10 Jahre später, im Jahr 2009, haben Scott et al. in ihrem Artikel „The natural history of recovery for the healthcare provider „second victim“ after adverse patient events“ den Begriff erweitert und wie folgt definiert:

Second victims are healthcare providers who are involved in an unanticipated adverse patient event, in a medical error and/or a patient related injury and become victimized in the sense that the provider is traumatized by the event. Frequently, these individuals feel personally responsible for the patient outcome. Many feel as though they have failed the patient, second guessing their clinical skills and knowledge base.

Übersetzung: „Second Victims sind medizinisches bzw. Gesundheitsfachpersonal, welches durch ein unvorhergesehenes, unerwünschtes Ereignis, einen medizinischen Fehler und/oder eine Verletzung bei Patient*innen selbst zum Opfer durch die Traumatisierung des Ereignis werden. Häufig fühlen sich die Betroffenen persönlich für das Ergebnis des Patienten verantwortlich. Viele haben das Gefühl, die Patient*innen im Stich gelassen zu haben, und zweifeln an ihren klinischen Fähigkeiten und ihrem Wissen.“

Scott et al., 2009. https://doi.org/10.1136/qshc.2009.032870

Zuletzt wurde das „Second Victim“-Phänomen durch Vanhaecht et al. (2022) konsensbasiert wie folgt neu definiert:

„Any health care worker, directly or indirectly involved in an unanticipated adverse patient event, unintentional healthcare error, or patient injury, and who becomes victimized in the sense that they are also negatively impacted.“

Übersetzung: „Jede*r Mitarbeiter*in des Gesundheitswesens, die/der direkt oder indirekt an einem unerwarteten, unerwünschten Patientenereignis, einem unbeabsichtigten Fehler in der Gesundheitsversorgung oder einer Patientenverletzung beteiligt ist und in dem Sinne zum Opfer wird, dass sie/er ebenfalls negativ betroffen ist.“

Vanhaecht et al., 2022. https://doi.org/10.3390%2Fijerph192416869

Über das „First Victim“- und „Second Victim“-Phänomen hinaus beschreibt Strametz (2021) auch noch das „Third Victim“-Phänomen, also die Traumatisierung von unbeteiligten Mitarbeiter*innen sowie der gesamten Organisation (Klinik-Konzern, RD-Betreiber etc.) in Form von organisationsweiten, organisatorischen Reaktionen als Konsequenz auf das schwerwiegende und unerwünschtes Ereignis.

Exkurs: Definitionen im Bezug auf Behandlungsfehler etc.

Die nachfolgenden Definitionen beruhen auf den Definitionen der American Society for Health Care Risk Management der American Hospital Association:

  • unerwünschtes Ereignis (adverse event): Schädigung, die durch das medizinische Management verursacht wurde und nicht durch die zugrunde liegende Erkrankung des Patienten (manchmal auch als «Schaden» (harm), «Schädigung» (injury) oder «Komplikation» (complication) bezeichnet)
    • CAVE: unerwünschtes Ereignis muss nicht zwingend aus einem Fehler resultieren
    • „medizinisches Management“ –> alle Aspekte der medizinischen Versorgung, nicht bloß Handlungen oder Entscheidungen von Ärzt*innen/Pflegepersonen
  • Behandlungsfehler (medical error): Nicht-Erreichen eines beabsichtigten Ergebnisses mit der dafür vorgesehenen Vorgangsweise oder die Verwendung einer Vorgangsweise, die zur Erreichung eines Zieles nicht geeignet ist
    • schwerwiegender Fehler (serious error): Fehler, der das Potenzial hat, eine permanente Schädigung oder einen vorübergehenden, aber potenziell lebensbedrohlichen Schaden hervorzurufen
    • geringfügiger Fehler (minor error): Fehler, der keinen Schaden verursacht oder hierzu nicht das Potenzial hat
    • Beinahe-Zwischenfall (near-miss): Fehler, der einen Schaden hätte verursachen können, jedoch keine Auswirkung auf den Patienten hatte, da er «abgefangen» wurde
  • vermeidbares unerwünschtes Ereignis (preventable adverse event): Schädigung (oder Komplikation), die aus einem Fehler oder Systemversagen resultiert
    • Typ 1: Fehler des/der verantwortlichen Arztes/Ärztin
    • Typ 2: Fehler eines anderen Mitglieds des medizinischen Betreuungsteams
    • Typ 3: Systemversagen ohne Fehler einer Einzelperson
  • nicht vermeidbares unerwünschtes Ereignis (unpreventable adverse event): Schädigung (oder Komplikation), die nicht auf einen Fehler oder ein Systemversagen zurückzuführen ist, und die nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht immer vermeidbar ist
    • Typ 1: häufige, gut bekannte Gefahren von Hochrisiko-Therapien, welche von den Patient*innen verstanden und akzeptiert werden (z.B. Komplikationen bei Chemotherapien)
    • Typ 2: seltene, aber bekannte Risiken gewöhnlicher Behandlungen, über die die Patient*innen nicht zwingend informiert wurden (z.B. Medikamentennebenwirkungen)
  • Zwischenfall (incident): unerwünschtes Ereignis oder schwerwiegender Fehler

Epidemiologie des „Second Victim“-Phänomen?

  • 2/3 der Pflegekräfte denken aufgrund der Belastungen darüber nach, aus dem Beruf auszuscheiden
  • „Second-Victim“-Prävalenz in der stationären Akutversorgung in den USA: 10 – 42 %
  • alleine im Bereich der ärztlichen Weiterbildung liegt die Prävalenz bei über 50 %
  • 2/3 aller Betroffenen geben an ursächliche Ereignisse dysfunktional zu verarbeiten
  • 10 – 20 % aller „Second Victims“ erholen sich nie vollständig vom auslösenden Ereignis
  • „Second-Victim“-Prävalenz über Zeitraum von 5 Jahren: bis zu 86,3 %
  • SeViD-Studien
    • SeViD-I-Studie (junge deutsche Ärzt*innen der Inneren Medizin)
      • nur 1/10 der Befragten wussten was das „Second Victim“-Phänomen ist, aber 6/10 gaben an selbst schon einmal von einer Traumatisierung im Rahmen des „Second Victim“-Phänomen betroffen gewesen zu sein
      • 35 % der Befragten hatten eine „Second Victim“-Traumatisierung innerhalb der letzten 12 Monate
      • 12 % gaben an, dass selbst empfundene Zeit bis zur vollständigen Genesung > 1 Jahr betrugt oder sich nie erholt zu haben
      • 2,5-fach erhöhtes Risiko für „Second-Victim“-Phänomen bei Ärztinnen sowie zusätzlich 2-fach erhöhtes Risiko für höhere Symptomlast
    • SeViD-II-Studie (deutsche Pflegekräfte)
      • „Second-Victim“-Lebenszeitprävalenz: 59 %
      • 24 % gaben an, dass selbst empfundene Zeit bis zur vollständigen Genesung > 1 Jahr betrugt
      • „Second-Victim“-Phänomen aufgrund aggressiver Patient*innen in ca. 1/4 der Fälle
      • Pflegekräfte oft länger betroffen als Ärzt*innen
    • SeViD-II-Studie (deutsche Notärzt*innen)
      • 53,1 % hatten bisher mindestens ein „Second-Victim“-Ereignis erlebt
      • „Second-Victim“-12-Monats-Prävalenz: 13,7 %
      • 57,7 % waren innerhalb eines Monats wieder vollständig genesen und 31 % nach mehr als einem Monat

Zahlen zu Behandlungsfehler o.Ä.

  • Übergabe-, Diagnose-, Geräteanwendungs- & Medikationsfehler sowie Kommunikationsfehler bzw. Fehler bei der Teamarbeit gehören zu den 10 häufigsten Todesursachen (ca. 1/10 vermeidbare Medikationsfehler)
  • 13 % der ambulanten Pflege- bzw. Krankenhauskosten wären vermeidbar, sofern man die Patient*innensicherheit gewährleisten würde (ca. 53.000.000.000 € pro Jahr)
  • internationale Fehlerhäufigkeit im Krankenhausbereich: ca. 4 – 18 %
  • internationale Behandlungsfehler-Rate mit schwerwiegendem Dauerschaden: ca. 2 – 4 %
  • internationale Mortalitätrate in Folge eines Behandlungsfehlers: 0,1 %
  • 84 % aller Anästhesist*innen erlebten in ihrer Laufbahn min. einen schwerwiegenden medizinischen Zwischenfall
  • allein 44.000–98.000 vermeidbare Todesfälle in US-amerikanischen Kliniken jährlich
  • laut Schätzungen jährlich 40.000 – 170.000 Behandlungsfehlern in Deutschland
  • offizielle Zahlen des RKI geben ca. 12.000 Behandlungsfehler jährlich in Deutschland an

Wie kommt es zum „Second Victim“-Phänomen?

Die Gründe für die Entwicklung eines „Second Victim“-Phänomens sind mannigfaltig, aber einer der relevantesten Faktoren ist eine schlechte oder ggf. sogar fehlende Fehlerkultur auf der organisatorischen Ebene.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einfache_Bed%C3%BCrfnishierarchie_nach_Maslow.svg

Zusätzlich spielt aber auch die persönliche Ebene eine wichtige Rolle. Hierzu lohnt sich der Blick auf die Bedürfnispyramide nach Maslow (siehe Bild), denn werden etwaige Bedürfnisse nicht befriedigt, so kommt es i.d.R. zu Anspannungs- und/oder Angstgefühlen. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Stufen der Pyramide erkennt man, dass die Befriedigung oder die Störung der Einzelebenen sich gut auf die Arbeit im Gesundheitswesen übertragen lässt:

BedürnissebeneBefriedigungStörung
physiologische Bedürfnisseausgeruht seinSchlafstörung
Sicherheitsbedürfnisselangfristiges ArbeitsverhältnisSorge bzgl. Kündigung oder Vertragsverlängerung
soziale Bedürfnissefreundlicher, kollegialer Umgang als gemeinsames TeamGefühl, isoliert bzw.
ausgeschlossen zu sein
IndividualbedürfnisseErfolg sowie Wertschätzung & Lob– Gefühl, versagt zu haben
– Reputationsverlust
Selbstverwirklichungwerteorientiertes Handeln
(„ein guter Arzt sein“)
Verstoß gegen eigene Werte und/oder Ansprüche

Den genaueren Ablauf der Traumatisierung als „Secon Victim“ skizzierten Scott et al. (2009) ebenfalls im zuvor erwähnten Fachartikel, hierfür nutzen sie die strukturierten Interviews von 31 „Second Victims“ und konnten so die folgenden 6 Stufen herausarbeiten:

  1. Phase „Chaos and accident Response“ (Chaos & Notfallmanagement)
    • Chaosphase direkt oder kurz nach dem Ereignis
    • ggf. keine Weiterbetreuung der Patient*innen durch Chaos & Schock nicht möglich
  2. Phase „Intrusive reflections“ (aufdrängende Erinnerungen)
    • Reflektion des Geschehenen, geprägt von „Was wäre wenn“-Fragen
    • Entstehen von Insuffizienzgefühlen, Schuld und Versagensängsten
  3. Phase „Restoring personal integrity“ (Herstellung der persönlichen Integrität)
    • Angst vor der Reaktion des persönlichen und/oder Arbeitsumfelds
    • Angst vor Verlust der beruflichen Wertigkeit und von Vertrauen
  4. Phase „Enduring the inqusition“ (Inquisition überstehen)
    • Bewusstwerden, dass Fehler ggf. auch weitere Folgen hat
    • Angst vor Jobverlust, juristischen Konsequenzen, Verlust der Zulassung/Berufsbezeichnung
  5. Phase „Obtaining emotional first aid“ (emotionale Erste Hilfe)
    • Suche bzw. Annahme von emotionaler Unterstützung im privaten/beurflichen Umfeld
    • Unsicherheit darüber, was man mit wem reden darf und was nicht
  6. Phase „Moving on – dropping out, surviving or thriving“ (vorwärts gehen)
    • Variante 1 –> Bewältigung der Belastungssituation mit vollständiger Genesung
    • Variante 2 –> ausbleibende Bewältigung mit Resignation, Aufgabe des Berufs, „Flucht“ in Süchte (Alkohol etc.), Langzeitkranksein oder im schlimmsten Fall Suizid

(CAVE: Der Ablauf nach Scott et al. beschreibt den typischen Verlauf, jedoch nutzt jede*r einzelne*r seine/ihre ganz eigenen Bewältigungsstrategien! Desweiteren ist zu betonen, dass die Stadien 1 – 3 individuell und ggf. parallel durchlaufen werden.)

Risikofaktoren für Entstehen des „Second Victim“-Phänomen

  • Beziehung zw. Patient*innen und Gesundheitspersonal
  • pädiatrische Patient*innen bzw. junge & zuvor gesunde Patienten
  • Ereignisse in Zusammenhang mit mehreren Patient*innen
  • hohes Maß der persönlichen Verantwortlichkeit
  • weibliches Geschlecht
  • Glaube an die eigene Unfehlbarkeit
  • feindseliges Arbeitsumfeld  („Shame & Blame“-Kultur)
  • Angst vor Rechtsstreitigkeiten
  • Assoziation demografischer Patient*innenmerkmale mit denen der eigenen Familie

Faktoren, die Kultur der Sicherheit und Offenlegung fördern

  • Kultur der Offenheit
  • Grad der Verantwortung für den Fehler
  • gute Teambeziehungen bzw. starkes Team-/Gemeinschaftsgefühl
  • Schulungen zum CRM/TRM bzw. für eine bessere Fehlerkultur
  • frühere, positive Erfahrungen in Bezug auf Fehlermanagement

Wie zeigt sich das „Second Victim“-Phänomen?

Das „Second Victim“-Phänomen zeigt auf viele verschiedene Arten, die sich fast alle den spezifisch Stress-assoziierten Störungen gemäß ICD-11 zuordnen lassen. Zu den häufigsten Symptomen bzw. Anzeichen gehören:

  • Reue und Mitleid (bei ca. 68 % der Betroffenen)
  • Verzweiflung (bei ca. 63 % der Betroffenen)
  • Frustration (bei ca. 55 % der Betroffenen)
  • Schuld (bei ca. 53 % der Betroffenen)
  • Wut ggü. anderen oder sich selbst
  • Angst vor Ausgrenzung/Isolation auf Arbeit, vor Verlust des Arbeitsplatzes oder vor Rückkehr an Arbeitsplatz
  • Sorge um die Betroffenen („First Victims“)
  • Infragestellung der eigenen Berufswahl
  • Schlafstörungen (bei ca. 36 % der Betroffenen)
  • Depressionen (z.B. mit Antriebslosigkeit)
  • Suizidalität
  • reduziertes berufliches Selbstvertrauen (bei ca. 45 % der Betroffenen)
  • Wiedererleben der Situation (Flashbacks)
  • Drogen-, Medikamenten- und/oder Alkoholkonsum
  • berufliche Verhaltensänderungen (z.B. defensivere Medizin, absicherndes Verhalten oder auch aggressives, bewusst risikohaftes Verhalten)
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • psychosomatische Symptome wie Kopf-, Rückenschmerzen, Erschöpfung etc.
  • Ängste vor möglichen weiteren/künftigen Fehlern (bei ca. 51 % der Betroffenen)

Was ist zu tun beim „Second Victim“-Phänomen?

„Patientensicherheit ist Mitarbeitersicherheit!“

Am Wichtigsten bei der Unterstützung von Betroffenen des „Second Victim“-Phänomens sind schnelle Hilfsangebote und ein nicht verurteilendes Arbeitsumfeld (kein Lästern, Mobbing, Schuldzuweisung & Herabwürdigen) sowie klare Abläufe für das Vorgehen nach kritischen Ereignissen. Hierzu ist es auch wichtig den betroffenen Personen die Möglichkeit einer Auszeit zu geben, um das traumatisierende Ereignis zu verarbeiten, auch bei bestehender Personalknappheit. Die schon erwähnten Hilfsangebote sollten vor allem auch eine professionelle, psychologische/psychiatrische Gesprächsangebote als schnelle Krisenintervention umfassen, egal ob individuell oder im Team, auch um Emotionen & Ängste zu zulassen, um diese dann behandeln zu können und Sicherheit zu vermitteln. Darüberhinaus ist auch die kollegiale Hilfe als standardmäßige emotionale Unterstützung von Bedeutung sowie eine rechtliche Beratung, initiiert durch die Arbeitgeber*innen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein zeitnahes Debriefing, also die Aufarbeitung der jeweiligen Situation zur Identifikation von problematischen Abläufen, um so weitere Vorfälle zu verhindern und die Patient*innensicherheit zu erhöhen, aber auch die Unterstützung bei der Fortsetzung patient*innennaher Tätigkeiten. Hierbei ist zu betonen, dass es anzuraten ist, die Debriefings routinemäßig zu etablieren, da dies Hemmung hinsichtlich der Offenlegung von Problemen minimiert.

Da im Rahmen des „Second Victim“-Phänomens immer auch ein „First Victim“ beteiligt ist, ist die Unterstützung bei der Kommunikation mit den betroffenen Patient*innen und/oder Angehörigen ein sehr wichtig Punkt.

Zusätzlich zu den individuellen Angeboten für Betroffene des „Second Victim“-Phänomens, sind auch systemische, organisatorische Aufarbeitungsprozesse notwendig, um zukünftige Vorfälle zu vermeiden. Hierzu ist z.B. auch die Etablierung eines Critical Incident Reporting Systems (CIRS) wichtig.

Auch die DGAI bzw. der BDA haben sich mit dem Thema von Behandlungskomplikationen und belastenden Verläufe in ihrer Empfehlung „Umgang mit schweren Behandlungskomplikationen und belastenden Verläufen“ aus dem Jahr 2014 beschäftigt. Die Zusammenfassung der Empfehlung findet ihr HIER im gleichnamigen Blog-Beitrag.

Quellen

Published inIm Notfall Psychiatrie

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