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Leitlinie „Asthma“ des NVL (Update 2024)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL)
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 23. August 2024
Ablaufdatum: 14. August 2029
Quelle/Quelllink: https://www.leitlinien.de/themen/asthma

Grundsätzliches

  • Definition „Asthma“: heterogene Erkrankung, die durch chronische Entzündung der Atemwege charakterisiert ist
  • gekennzeichnet durch das Auftreten zeitlich und in ihrer Intensität variierender Symptome, wie Atemnot, Giemen, Brustenge und Husten, sowie durch eine bronchiale Hyperreagibilität
  • Einteilung der Asthmaformen in Phänotypen
    • allergisches Asthma (häufig mit Auftreten anderer allergischer Erkrankungen und/oder mit Erkrankungen des atopischen Formenkreises vergesellschaftet; im Sputum häufig Zeichen einer eosinophilen Entzündung
    • nicht-allergisches Asthma (durch Infektionen der Atemwege ausgelöst; ggf. auch Intoleranz gegen ASS oder NSAR)

Epidemiologie

  • 12-Monatsprävalenz des Asthmas bei Erwachsenen in Deutschland: 6,2 % (Frauen häufiger als Männer betroffen: 7,1 % vs. 5,4 %)
  • 12-Monatsprävalenz des Asthmas bei Kindern & Jugendlichen in Deutschland: 4,0 % (Jungen häufiger als Mädchen betroffen: 5,0 % vs. 3,0 %)

Asthmaanfall bei Erwachsenen

  • altersspezifische Fallzahl für die Diagnose „Asthma bronchiale“
    • 15- bis < 45-Jährige: 4 von 100 000 Einwohner*innen
    • 45- bis < 65-Jährige: 3 von 100 000 Einwohner*innen
    • ≥ 65-Jährige: 4 von 100 000 Einwohner*innen
  • altersspezifische Fallzahl für die Diagnose „Status asthmaticus“
    • 15- bis < 45-Jährige: 27 von 100 000 Einwohner*innen
    • 45- bis < 65-Jährige: 27 von 100 000 Einwohner*innen
    • ≥ 65-Jährige: 39 von 100 000 Einwohner*innen
  • altersstandardisierte Sterbefälle für die Diagnose „Asthma bronchiale“: 1 von 100.000 Einwohner (2016)
  • altersstandardisierte Sterbefälle für die Diagnose „Status asthmaticus“: 0,1 von 100.000 Einwohner (2016)

Asthmaanfall bei Kindern & Jugendlichen

  • altersspezifische Fallzahl für die Diagnose „Status asthmaticus“
    • < 15 Jahre: 6 von 100.000 Einwohner*innen
  • altersspezifische Fallzahl für die Diagnose „Asthma bronchiale“
    • < 15 Jahre: 43 von 100 000 Einwohner*innen
  • altersstandardisierte Sterbefälle für die Diagnose „Asthma bronchiale“
    • 1 Jahr bis < 15 Jahre: 0 von 100.000 Einwohner*innen
    • 15 Jahre bis < 20 Jahre: 0 von 100.000 Einwohner*innen
  • altersstandardisierte Sterbefälle für die Diagnose „Status asthmaticus“ –> keine Berechnung möglich, da so selten

Anamnese & Diagnostik

Symptomatik

  • wiederholtes Auftreten anfallartiger, oftmals nächtlicher Atemnot
  • pfeifende Atemgeräusche („Giemen“)
  • Brustenge
  • Husten mit und ohne Auswurf

Auslösefaktoren

  • Atemwegsreize (z.B. Exposition gegenüber Allergenen, thermischen und chemischen Reizen, Rauch und Staub, pathologischer gastro-ösophagealer Reflux, rezidivierende und chronische Entzündungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich)
  • Tages- & Jahreszeit (z B. Tag-/Nachtrhythmus, Allergenexposition)
  • Aufenthaltsort und Tätigkeit (z.B. Arbeitsplatz, Hobbys)
  • körperliche Belastung
  • Atemwegsinfektionen
  • Medikamente (z.B. NSAR, ASS, Betarezeptorenblocker)
  • emotionale Belastungsfaktoren
  • aktive und passive Tabakexposition

Risikofaktoren

  • Vorhandensein anderer Erkrankungen des atopischen Formenkreises (z.B. Ekzem, Rhinitis)
  • positive Familienanamnese (Allergie, Asthma)
  • psychosoziale Faktoren

Komorbiditäten

  • Erkrankungen der oberen Atemwege
  • pathologischer gastro-ösophagealer Reflux
  • Adipositas
  • Rhinitis und Sinusitis
  • dysfunktionale Atmung
  • COPD
  • psychische Erkrankungen

körperliche Untersuchung

  • Zeichen einer Atemwegsobstruktion
    • trockene Nebengeräusche (Giemen, Pfeifen, Brummen) bei der Auskultation, ggf. durch forcierte Exspiration zu provozieren
    • verlängertes Exspirium
    • bei schwerer Atemnot (v. a. im Kindesalter): thorakale Einziehungen (v.a. jugulär, intercostal, epigastrisch)
    • bei schwerer Obstruktion: sehr leises Atemgeräusch

Differenzialdiagnostik

  • Erwachsene
    • ohne Atemwegsobstruktion
      • vorherrschender Husten ohne pathologische Veränderung der Lungenfunktion –> chronischer Husten, Pertussis, chronische Bronchitis, rezidivierende Lungenembolie, passagere postinfektiöse bronchiale Hyperreagibilität, Sarkoidose, Lungenstauung, habitueller Husten
      • Schwindel, Benommenheit, periphere Parästhesien –> dysfunktionale Atmung, z.B. Seufzerdyspnoe, überwiegend thorakale Exkursionen, Hyperventilationssyndrom
      • vorherrschende nasale Symptome ohne pathologische Veränderung der Lungenfunktion –> Rhinitis, akut rezidivierende/chronische Sinusitis, Postnasal-Drip-Syndrom
      • haltungs- oder Nahrungsmittelabhängige Symptome, vorherrschend Husten –> Gastro-ösophagealer Reflux (GÖR)
      • Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, periphere Ödeme, bestehende kardiale Erkrankung –> Herzinsuffizienz
      • Knisterrasseln (Sklerosiphonie) in der Auskultation –> Lungenfibrose
    • mit Atemwegsobstruktion
      • wesentliche Tabakrauchanamnese (d.h. 30 Pack-years), Alter bei Einsetzen > 35 Jahre –> COPD
      • chronischer, produktiver Husten bei Fehlen von Giemen oder Kurzatmigkeit –> Bronchiektasen, Fremdkörperaspiration, Bronchiolitis obliterans, Stenose der zentralen Atemwege, Lungenstauung mit Obstruktion, Mukoviszidose
      • Neubeginn bei Rauchenden, systemische Symptome, Gewichtsverlust, Hämoptyse –> Lungenkarzinom, Sarkoidose
  • Kinder
  • Anamnese
    • Symptome seit der Geburt, peripartal respiratorische Probleme –> cystische Fibrose (CF), Chronische Lungenerkrankung nach Frühgeburtlichkeit/Bronchopulmonale Dysplasie, primäre ziliäre Dysfunktion (PCD), Angeborene Lungenfehlbildung
    • Familienanamnese mit pulmonalen Erkrankungen –> CF, Neuromuskuläre Erkrankungen, Immundefekt, PCD
    • akutes Auftreten ohne vorherige Probleme –> akute Fremdkörperaspiration
  • Symptome
    • Fieber, obere Atemwegssymptom –> akuter respiratorischer Infekt (Bronchitis, Bronchiolitis, Bronchopneumonie)
    • produktiver Husten –> CF, PCD, Bronchiektasen, protrahierte bakterielle Bronchitis, rezidivierende Aspirationen, Immundefekt, chronische Fremdkörperaspiration
    • nächtliche Symptome, verstärkte Spuckneigung –> obere Atemwegsprobleme, pathologischer gastro-ösophagealer Reflux (GÖR) mit rezidivierenden Aspirationen
    • anfallartiger Husten –> Pertussis/postinfektiöse Hyperreagibilität, Dysphagie, Schluckstörung, habitueller Husten
    • Kurzatmigkeit mit Schwindel, Kribbelparaesthesien –> dysfunktionale Atmung, z. B. überwiegend thorakale Atemexkursionen, Hyperventilation
    • in- und/oder exspiratorischer Stridor –> angeborene Fehlbildung (Stenose oder Malazie im Bereich der großen Atemwege), Laryngitis, Tracheitis, laryngeale Obstruktion, VCD
    • abnorme Stimme, Heiserkeit –> laryngeales Problem, pathologischer GÖR
    • lokalisierte thorakale Befunde –> angeborene Fehlbildung, postinfektiöse Veränderungen, Tuberkulose
    • Trommelschlegelfinger –> CF, interstitielle Lungenerkrankung, Bronchiolitis obliterans
    • Gedeihstörung –> CF, Immundefekt, pathologischer GÖR, interstitielle Lungenerkrankung
  • Untersuchungsbefunde
  • lokalisierte radiologische Veränderungen –> angeborene Fehlbildung, CF, post-infektiöse Veränderungen, Fremdkörperaspiration, rezidivierende Aspirationen bei Schluckstörung oder GÖR, Bronchiektasen, Tuberkulose

Graduierung des Asthmaanfalls bei Kindern & Jugendlichen

Therapie

Asthmaanfall bei Erwachsenen

  • Behandlungsalgorithmus (Reihenfolge stellt keine Rangfolge dar)
  • weitergehende Therapiemaßnahmen in der Notaufnahme für 1 – 3 h
    • 50 – 100 mg Prednisolonäquivalent i.v.
    • Sauerstoff (Ziel: Sättigung: > 94 %)
    • Ipratropium 250 – 500 µg + SABA vernebelt
    • ggf. Beta-2-Sympathomimetika parenteral
    • ggf. Magnesiumsulfat 2 g über 20 min i.v.
    • keine Antibiotika ohne hinreichende Belege für bakterielle Infektion
  • Indikationen für ITS
    • persistierende oder zunehmende Hypoxämie (SaO2 < 92%)
    • Hyperkapnie, Azidose (arterieller / kapillärer pH < 7,35)
    • falls messbar: Verschlechterung der PEF-Werte (< 40% des PBW)
    • Erschöpfung
    • Bewusstseinsstörung/Konfusion
    • Koma oder Atemstillstand

Asthmaanfall bei Kindern & Jugendlichen

  • Behandlungsalgorithmus (Reihenfolge stellt keine Rangfolge dar)
  • medikamentöse Initialtherapie in Abhängigkeit vom Schweregrad des Asthmaanfalls
  • weitergehende, individualisierte Therapie unter adäquater Überwachung
    • Initialtherapie weiterführen und ausschöpfen (CAVE: keine inhalative Corticosteroide)
    • bei respiratorischer Insuffizienz Sauerstoffgabe
    • Flüssigkeit bei Bedarf substituieren (oral oder i.v)
    • 25 – 50 mg/kgKG Magnesium (max. 2 g) über 20 – 30 min i.v., üblicherweise 1x/d
    • Ultima ratio: ggf. Beta-2-Sympathomimetika und/oder Theophyllin i.v. erwägen
    • keine Antibiotika ohne hinreichende Belege für bakterielle Infektion
  • Indikation zur pädiatrischen-intensivmedizinischen* Überwachung und Therapie
    • initiale Präsentation mit lebensbedrohlichem Anfall
    • refraktäre Hypoxämie trotz ausgeschöpfter Therapie
    • Erschöpfung/drohender Intubationsbedarf
    • Bewusstseinsstörung/Konfusion
    • Koma oder Atemstillstand
    • Hyperkapnie trotz ausgeschöpfter Therapie

Asthma in der Schwangerschaft

  • bei Patientinnen in der Schwangerschaft mit Asthmaanfall frühzeitige O2-Gabe (Ziel-SpO2: 92 – 96 %; bei Hyperkapnierisiko 88 – 92 %) und Überwachung des Feten
Published inLeitlinien kompakt

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