veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e.V. (DGRh)
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 27.08.2024
Ablaufdatum: 26.08.2029
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/060-005
Grundsätzliches
- Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, bei der sich aufgrund zu hoher Harnsäurekonzentrationen mit Überschreiten des Löslichkeitsproduktes, Harnsäurekristalle peri- und intraartikulär sowie in Geweben und Organen ablagern können
- Kristalle können entzündliche Abwehrreaktionen provozieren, die sich im Bereich der Gelenke als Gichtarthritis manifestieren
- bei nicht adäquater Behandelung kann es zu rezidivierenden entzündlichen Schüben und letztlich auch der Ausbildung von Depots von Harnsäurekristallen in Form von Tophi kommen
- im Verlauf kann es zu strukturellen Gelenkveränderungen (Gelenkdeformitäten) und Funktionseinschränkungen kommen
- ohne medikamentöse Therapie dauert ein Gichtanfall in der Regel 3 – 14 d
Diagnostik
- Diagnosestellung der Gicht unter Berücksichtigung von
- Anamnese (Schmerzmaximum ohne Prodromi innerhalb von 24 Stunden, frühere Anfälle),
- Befund (Lokalisation, Rötung, Schwellung, Überwärmung, Tophi) und
- Harnsäurekonzentration im Serum
- typischer erster Gichtanfall tritt zumeist als akute Entzündung eines Gelenkes, oft des Großzehengrundgelenks (MTP 1-Gelenk), mit Schmerzen, Schwellung und Rötung (Podagra) auf, die spontan nach einigen Tagen wieder abklingt
- seltener manifestiert sich die Gicht primär an anderen Gelenken, die aber im Verlauf, v.a. bei unzureichender Behandlung, involviert sein können
- am häufigsten sind neben den Zehengelenken Sprung- & Kniegelenke betroffen, grundsätzlich können aber alle Gelenke involviert sein
- bei ca. 10 % der Gichtpatienten kann es zur Ausbildung von Harnsäurekristalldepots in den Weichteilen kommen, den sog. Tophi
- häufig sind knotige Ablagerungen im Bereich der Bursa praepatellaris und Bursa olecrani tast- und sichtbar
- Tophi können z.B. auch an der Ohrhelix auftreten und als punktförmige, derbe, weißlich-gelbliche Einlagerungen subepidermal sichtbar werden
- zur Differentialdiagnose oder zur Diagnosebestätigung fortgeschrittener Stadien einer Gicht Röntgenaufnahme erwägen
- Gichtkalkulator
Charakteristikum | Punktzahl |
---|---|
männliches Geschlecht | 2 |
früherer Arthritisanfall | 2 |
Auftreten innerhalb von 24 Stunden | 0,5 |
Rötung des betroffenen Gelenkes | 1 |
Beteiligung des Großzehengrundgelenkes | 2,5 |
arterielle Hypertonie oder > 1 kardiovaskuläre Erkrankung | 1,5 |
Hyperurikämie von > 5,88 mg/dL (> 353 µmol/L) | 3,5 |
Therapie des akuten Gichtanfalls
- Behandlung des akuten Gichtanfalls zeitnah mit Colchicin, Glukokortikoiden oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) (alphabetisch) als Mitteln der ersten Wahl (Auswahl des Medikaments in Abhängigkeit von bestehender Komedikation, Komorbiditäten und weiteren Kontraindikationen
- bei Colchicin-Gabe diese nur in niedriger Dosierung (max. 6 mg pro Gichtanfall, ggf. in Ausnahmefällen überschreiten; i.d.R. Schema mit 3 – 4 x 0,5 mg am 1. Tag, 2 – 3 x 0,5 mg am 2. & 3. Tag und max. 2 x 0,5 mg Colchicin ab Tag 4)
- bei Glukokortikoidtherapie morgendliche Einmaldosierung von 30 mg/d Prednisolonäquivalent p.o. für 5 d
- bei Patient*innen Therapie mit Canakinumab erwägen bei …
- nicht ausreichender Wirksamkeit der Vortherapien mit Colchicin, NSAR oder Glukokortikoiden oder Kontraindikationen gegen die Substanzen
- rezidivierenden Gichtanfällen (≥ 3 im Jahr) und nicht ausreichender Wirksamkeit einer Vortherapie mit Colchicin, NSAR oder Glukokortikoiden oder Kontraindikationen gegen diese Substanzen
- bei ausbleibender Besserung innerhalb von 24 – 72 h, Re-Evaluation & ggf. Therapieanpassung
- physikalische Therapieansätze mit Kombinationen aus Ruhigstellen, Hochlagern und Kühlen supportiv anwenden
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