veröffentlichende Fachgesellschaft: Resuscitation Council UK
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 04.05.2021
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.resus.org.uk/sites/default/files/2021-05/Emergency%20Treatment%20of%20Anaphylaxis%20May%202021_0.pdf
Definition
- Anaphylaxie
- schwere systemische Überempfindlichkeitsreaktion, die in der Regel schnell einsetzt und zum Tod führen kann
- schwere Anaphylaxie
- potenziell lebensbedrohliche Beeinträchtigung der Atemwege, der Atmung und/oder des Kreislaufs; kann ohne typische Hautmerkmale oder Kreislaufschock auftreten
- refraktäre Anaphylaxie
- Anaphylaxie, welche trotz zweier Gaben von Adrenalin i.m., weiterer therapeutische Schritte aufgrund anhaltender respiratorischer oder kardiovaskulärer Symptome bedarf
Diagnostik & Symptomatik
A-/B-/C-Probleme
- Airway/Atemwege
- Schwellungen im Bereich der Atemwege
- heisere Stimme
- inspiratorischer Stridor
- Breathing/Beatmung
- erhöhte Atemarbeit
- Bronchospasmus (Keuchen) und/oder anhaltender Husten
- Ermüdung des Patienten durch die Anstrengung des Atmens
- Hypoxämie (SpO 2 <94%), die Verwirrung und/oder zentrale Zyanose verursachen kann
- Atemstillstand
- Circulation/Kreislauf
- Schockzeichen:
- blass, kaltschweißig
- deutliche Tachykardie
- Hypotonie
- Schwindel, verminderte Bewusstseinslage oder Verlust des Bewusstsein
- Herzrhythmusstörungen
- Herzstillstand
- Schockzeichen:
Veränderungen der Haut und/oder Schleimhäute
- häufig erstes Merkmal allergischer Reaktionen
- bei über 80 % der Anaphylaxien vorhanden
- können subtil (z.B. fleckige Erytheme) oder generalisiert auftreten
- ggf. auch als Urtikaria (auch Nesselsucht, Striemen oder Quaddeln genannt); Quaddeln können blass, rosa oder rot sein, sie können unterschiedliche Formen und Größen haben und Juckreiz auslösen
- ggf. auch Angioödem
Therapie
- Lagerung
- so bequem wie möglich, angepasst an den Patientenzustand
- kein plötzliches Aufstehen, Gehen oder Aufsitzen (CAVE: Umlagerung)
- Patienten mit Atemwegs- und Atemproblemen in halb liegender Position
- hypotone Patienten flach lagern, mit oder ohne Hochlegen der Beine
- normal atmende, bewusstlose Patienten in Stabiler Seitenlage lagern
- schwangere Patientinnen in Linksseitenlage lagern
- bei Bewusstlosigkeit ebenfalls Stabile Seitenlage
- keine Hochlagerung der Beine
- bei notwendiger Lagerung in Rückenlage manuelle Verschiebung der Gebärmutter nach links; auf fester Unterlage kann eine leichte Absenkung des Höhenniveau des Kopfes erwogen werden
- Entfernen des/der Auslöser für Anaphylaxie, sofern möglich
- bei Herz-Kreislaufstillstand Abarbeitung gemäß ALS/pALS-Algorithmus
- prolongierte Reanimation bei refraktärer Anaphylaxie erwägen
- bei Schwangerschaft und schwerer Anaphylaxie ggf. frühzeitigen Kaiserschnitt erwägen
- frühzeitige Monitor-Überwachung, vor allem bei Adrenalingabe (AF, SpO2, HF, RR, Bewusstseinszustand)
- pVK-Anlage bzw. falls nicht möglich i.o.-Zugang
medikamentöse Therapie
- frühzeitige intramuskuläre Adrenalingabe (1 mg/mL [1:1000]); ggf. alle 5 Minuten wiederholen
- Erwachsene & Kinder > 12 Jahre: 500 µg (0,5 mL)
- 6 – 12 Jahre: 300 µg (0,3 mL)
- 6 Monate – 6 Jahre: 150 µg (0,15 mL)
- < 6 Monate: 100 – 150 µg (0,1 – 0,15 mL)
- ggf. intravenöse Adrenalingabe (nur durch Experten/geübten Anwender)
- CAVE: Tachyarrhythmie, schwere Hypertonie, Herzinfarkt, Schlaganfall)
- Adrenalin vernebelt bei Obstruktion der oberen Atemwege
- 5 mL von 1 mg/mL (1:1 000) Adrenalin
- frühzeitige Sauerstoffgabe
- Ziel-Sättigung: 94 – 98 % bzw. 88 – 92 % bei Patienten mit dem Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens
- Flüssigkeitstherapie i.v.
- Kinder: 10 mL/kg
- Erwachsene: 500 – 1 000 mL
- bei schwerer Anaphylaxie ggf. auch 3 – 5 L erforderlich
- Antihistaminika
- kein Teil der initialen Notfallbehandlung, da keine Relevanz für die Behandlung/Beseitigung von Atemwegs- oder kardiovaskulären Problemen
- ggf. zur Behandlung von Hautsymptomen einsetzen
- Einsatz von Antihistaminika darf niemals Behandlung der respiratorischen oder kardiovaskulären Symptome der Anaphylaxie verzögern
- Steroide
- keine routinemäßige Verwendung von Kortikosteroiden empfohlen
- Verabreichung erwägen bei anhaltendem Asthma/Schock oder sekundär bei refraktärer Anaphylaxie oder
- Einsatz von Steroiden darf niemals Behandlung der respiratorischen oder kardiovaskulären Symptome der Anaphylaxie verzögern
- Bronchodilatatoren
- ggf. Gabe von Salbutamol und/oder Ipratropium erwägen
- Bronchodilatatoren stellen aber keine Alternative zu einer weiteren parenteralen Behandlung mit Adrenalin dar
Anaphylaxie-Algorithmus
refraktäre Anaphylaxie
- weniger als 1 % aller Anaphylaxien
- nach zwei frustranen/nicht ausreichenden Adrenalingaben mit Adrenalin-Infusionstherapie beginnen
- EKG, Pulsoxymetrie, nicht-invasive Blutdruckmessung min. alle 5 Minuten
- CAVE: RR-Messung am Arm, über welchen die Infusionstherapie nicht erfolgt; Risiko von Paravastbildung, daher regelmäßige Kontrolle der Punktionsstelle
- 1 mg (1 mL von 1 mg/ml [1:1 000]) Adrenalin in 100 mL 0,9 % Natriumchlorid lösen und über Infusomaten (ggf. Perfusor) applizieren
- Laufrate für Kinder und Erwachsene: 0,5 – 1,0 mL/kg/h
- 0,5 mL/kg/h bei moderatem Schweregrad
- 1,0 mL/kg/h bei hohem Schweregrad
- je nach Ansprechen hoch-/runtertitrieren
- Zeit bis zur Stabilisierung im Schnitt bei 5 – 10 Minuten; bei Besserung Laufrate um 50 % reduzieren
- EKG, Pulsoxymetrie, nicht-invasive Blutdruckmessung min. alle 5 Minuten
- falls notwendig ETI durch klinisch erfahrenste anwesende Person
- keine Gabe von Magnesiumsulfat
- keine routinemäßige Gabe von Steroiden
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