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Leitlinie „Fraktursonografie“ der DEGUM und DGOU

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der MedizinDeutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S2e
Datum der Veröffentlichung: 01.02.2023
Ablaufdatum: 31.01.2028
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/085-003

Schädelfraktur

  • bei Patient*innen < 18 Jahre mit V.a. Schädelkalottenfraktur OHNE klinische Symptome auf SHT Sonografie-Diagnostik anstatt CT oder MRT
  • bei neurologischer Symptomatik primär CT (siehe S3 Leitlinie Polytrauma und S2k Leitlinie Polytraumaversorgung im Kindesalter
  • bei V.a. Schädelfraktur und V.a. Kindesmisshandlung Röntgenaufnahmen anfertigen
  • Untersuchung mit ausreichend Ultraschallgel oder ggf. Verwendung eines Wasser-/Gelkissens für suffiziente Ankopplung
  • Frakturhämatom kann absacken, daher Untersuchungsareal über Hämatom-Rand ausdehnen
  • Untersuchung aus verschiedenen Schallrichtungen (CAVE: Übersehen von Frakturlinien bei nur parallel zur selbiger durchgeführter Sonografie)
  • Sensitivität von 91 % und Spezifität von 96 % bei Kalottenfrakturen bei milden SHT

Klavikulafraktur

  • kann häufig klinisch diagnostiziert werden
  • wenn Bildgebung notwendig, primär sonografische Diagnostik
  • Verwendung hochfrequenter Linearschallköpfe
  • Durchführung in 2 Schnitten von ventral und kranial; falls notwendig zusätzlich noch von schräg ventro-kranial
  • ggf. auf den Schmerzpunkt fokussierte Diagnostik bei Schwierigkeiten sinnvoll
  • zusätzlich Ausschluss Pneumothorax bei deutlicher Klavikula-Dislokation
  • CAVE: gebogene Form der Klavikula
  • Sensitivität von 91 % und Spezifität von 93 %

Acromioclaviculargelenk-Gelenksprengung

  • bei Patient*innen > 15 Jahre (ausgewachsenes Skelett) POCUS für Erstdiagnostik erwägen
  • bei standardisierter Technik ist nach kurzer Lernphase (US-Training von 2,5 h) eine Schulterdislokationen gut zu lokalisieren
  • Sensitivität von 100 % und Spezifität von 84 %

Sternoklavikular-Gelenksprengung

  • Sonografie bei V.a. SC-Gelenksluxation als Screeningmethode zur Erhärtung des Verdachts erwägen, um die Indikation zur Schnittbildgebung zu sichern
  • fehlende Evidenz als Ursache für fehlenden Empfehlungsgrad
  • Querschnitt von ventral, immer beide SC Gelenke im Seitenvergleich darstellen
    • Seitendifferenz ist Indiz für V.a. SC-Luxation
  • Extended-Mode oder Doppelbildanzeige hilfreich
  • ggf. bei unzureichender Schallkopfbreite Untersuchung nacheinander

proximale Humerusfraktur

  • Fraktursonografie bei V.a. proximale Humerusfraktur bei Patient*innen > 12 Jahre
  • Fraktursonografie zur Messung der Achsabweichung nutzen
  • nach positiven Fraktursonografie-Befund Röntgenbild zum Ausschluss einer pathologischen Fraktur
  • bei unauffälligem/negativem Fraktursonografie-Befund abwarten und bei Persistenz der Beschwerden radiologische Kontrolluntersuchung nach 5 Tagen
  • 4 Längsschnitten gemäß Shoulder-SAFE-Algorithmus (3 Längsschnitte von ventral, lateral und dorsal bei angelegtem, innenrotiertem Arm in Schonhaltung sowie einem 4. Schnitt von ventral bei angelegtem Arm in Neutralposition
    • Humerus-Kortikalis muss auf ganzer Bildbreite zu sehen und Epiphysenfuge miterfasst sein

Ellenbogenfraktur

  • First-Line-Diagnostik zum Ellenbogenfraktur-Nachweis (Gelenkerguss-Darstellung) bei Patient*innen bis 12. Lj.
    • unauffälliger Befund = Fraktur unwahrscheinlich (bei Persistenz der Beschwerden radiologische Kontrolluntersuchung nach 5 Tagen)
  • Untersuchung gemäß Elbow-SAFE-Algorithmus
    • dorsaler Längsschnitt über Fossa olecrani (Humerus-Kortikalis auf ganzer Bildbreite sichtbar!)
    • explizit echoreicher intraartikulärer Erguss ≠ Voraussetzung für Diagnose

distale Unterarmfraktur

  • Sonografie ist Standarddiagnostik bei Verdacht bei Patient*innen < 12 Jahre (bei Operation zusätzlich Röntgenkontrolle)
    • bei konservativer Therapie keine Röntgenkontrolle
  • Längsschnitte distaler Unterarm in 6 Schnitten nach Wrist-SAFE-Standard
    • Radius und Ulna werden jeweils in 3 Schnitten (Kortikalis auf ganzer Bildbreite sichtbar, Epiphysenfuge mit abgebildet!)

Skaphoidfraktur

  • Ultraschalldiagnostik bei Skaphoidfraktur setzt ausreichende Expertise voraus
    • bei positivem Befund ergänzende CT-Diagnostik
    • bei negativem Befund ergänzend MRT-Diagnostik
  • Os scaphoideum in Sonografie zu sehr großen Teilen zugänglich
  • abhängig von Schallkopfpositionierung dorsaler, radialer und palmarer Anteil gut einsehbar
  • bei Flexion und Extension des Handgelenks Teil der proximalen Gelenkfläche sichtbar
  • Darstellung palmare Kortikalis mit Schallkopf in Längsrichtung, leicht radial der FCR-Sehne, auf palmarer Radiusgelenklippe aufgesetzt
    • leichtes Verschieben des distalen Schallkopfanteils nach radial zur Darstellung der gesamten Skaphoid-Taille
  • Sensitivität von 78 % bzw. 80 % und Spezifität von 100 % bzw. 77 %
    • Prädiktor für okkulter Skaphoidfraktur: Kortikalis-Riss (94 – 98 %)

subkapitale Mittelhandfraktur 5. Strahl

  • primäre Diagnose-Methode zur korrekten Bestimmung der palmaren Dislokation bei Patient*innen < 13. Lj.; bei > 13 Jahre nur als ergänzendes Instrument
  • Längsschnitt: Schallkopf im Verlauf des betreffenden Mittelhandknochens dorsal auflegen
    • bei stark abgewinkelter Fraktur, Verwendung einer Vorlaufstrecke oder Verwendung eines Handbads oder ausreichende Menge Ultraschallgel
  • dorsale Kortikalis Mittelhandknochen und ggf. Grundphalanx-Basis mus auf gesamter Bildschirmbreite sichtbar sein
  • Fraktur auf Schallkopfmitte oder am Übergang vom mittleren zum distalen Bilddrittel einzustellen, um proximal der Fraktur genügend kortikale Oberfläche zur Erfassung des Winkels und distal die relevanten Gelenkanteile abzubilden
  • ggf. weitere Schnitte zur Bestimmung des Frakturverlaufs
  • CAVE: Verwechslungsgefahr offene Epiphysenfuge mit Frakturverlauf
  • Sensitivität von 90 % und Spezifität von > 95 %

Rippenfraktur

  • initial Ultraschall-Diagnostik bei V.a. Rippenfraktur*en
  • Befund positiv bei Kortikalisunterbrechung (ggf. auch bewegliche Frakturenden)
    • CAVE: bei Kindern/Jugendlichen Rippenfrakturen extrem selten (hohe Rippenelastizität), jedoch können Lungenparenchymverletzungen (Kontusion, Lungenlazeration) übersehen werden, da diese in der Sonografie nicht zugänglich sein
  • bei Rippenserienfraktur (≥ 3 Rippen) zusätzlich sonografischer Ausschluss/Nachweis Pneumothorax
  • Untersuchung des Areals mit dem größten Druckschmerz in Längsrichtung der Rippe (CAVE: schräge Verlaufsrichtung der Rippen berücksichtigen)
    • zweiter, querer Schnitt zur Rippe nicht notwendig
  • bei Detektion der Kortikalis-Unterbrechung einer Rippe sind die oberhalb & unterhalb liegende Rippe in jedem Fall auch zu überprüfen
  • auf Pleura und Flüssigkeitsansammlungen direkt unter der betroffenen Rippe achten
  • Sensitivität von 97 % und Spezifität von 94 %

Sternumfrakturen

  • bei eFAST im Schockraum oder stumpfen Thoraxtrauma bei hämodynamisch stabilen Patienten Sonografie des Sternum (weitere Diagnostik bei positivem Befund)
  • Häufigkeit von 8 – 10 % bei stumpfem Thoraxtrauma
  • Sonografie kann bei Verletzungen wie Verbrennungen nicht möglich oder risikoreich sein
  • zusätzliche Abklärung Contusio cordis (Labordiagnostik & EKG)
  • Durchführung durch Untersucher*in mit ausreichender Erfahrung mit hochfrequenten Linearschallkopf in sagittal- und transversaler Richtung
  • Sensitivität von 91 % und Spezifität von 93 %

Femur-Wulstfrakturen

  • Ultraschall kann eingesetzt werden, es gibt jedoch keine ausreichende Evidenz
  • Verletzung bei Kindern nur selten
  • Durchführung gemäß SAFE-Technik
  • nur eine Studie bei Erwachsenen mit Aussagen zu Sensitivität und Spezifität
    • kortikale Diskontinuität: Sensitivität von 96 % und Spezifität von 92 %
    • Gelenkerguss der Hüfte: Sensitivität von 62 % und Spezifität von 77 %

Unterschenkel-Frakturen

  • POCUS zur Diagnostik der proximalen Tibiafraktur bei Patient*innen < 12 Jahre einsetzen
    • 4 Längsschnitte (ventral, lateral, dorsal und medial)
  • bei V.a. Distorsionstraumata des Sprunggelenks qualitative Darstellung mit Ultraschall (bei positivem/auffälligem Befund weitere radiologische Diagnostik)
    • Sensitivität von 83 – 100 % und Spezifität von 90 – 100 % (bei Kindern uneindeutiger)
    • Außen- und Innenknöchel aus jeweils 3 Richtungen (ventral, dorsal und lateral/medial)

Toddler’s Fraktur

  • Toddler’s Fraktur = Spiralfrakturen des Tibiaschaftes bei Kindern < 2 – 3 Jahre (Periost unverletzt, daher keine Dislokation)
    • typischerweise durch Rotationstrauma entstehend (z.B. hängenbleibendes Bein beim Rutschen)
  • Durchführung sequenziell in 4 Längsschnitten von ventral, lateral, dorsal und medial in ganzer Länge
    • Kortikalisunterbrechung = Fraktuverdacht

Mittelfuß-Frakturen

  • POCUS bei Patient*innen > 14 Jahre zur Erstdiagnostik einsetzen
  • Darstellung 1. und 5. Mittelfußknochen aus jeweils 3 Richtungen (dorsal, plantar und
    medial/lateral)
  • Darstellung Mittelfußknochen 2 bis 4 in 2 Schnitten (dorsal und plantar), bei Unsicherheit in 4 Schnitten (jeweils 45° dorso-lateral, dorso-medial, plantarlateral und plantar-medial)
  • Sensitivität von 80 – 97 % und Spezifität von 76 – 100 %

Stressfrakturen

  • Ultraschall bei Frühzeichen von Stressfrakturen bei negativem Röntgenbefund einsetzen, dann ggf. weitergehende Bildgebung
  • Ziel: exakte Darstellung der Kortikalis des betroffenen Röhrenknochen im Bereich des maximalen Schmerzpunktes in Längsrichtung (Kortikalis-Veränderungen wie Kortikalis-Unterbrechung, Wulst, kleines Extrafragment, Verdickung, Reverberationsartefakte
  • Röhrenknochen von mehreren Seiten und in möglichst vielen Rotationsebenen im Bereich des Schmerzpunktes darstellen
  • Linearschallkopf mit min. Frequenz von 12 MHz, besser 16 – 18 MHz und mehr
  • Kortikalis muss senkrecht vom Schallstrahl getroffen werden
  • Sensitivität von 43 – 99 % und Spezifität von 13 – 79 %

Frakturdislokation

  • Sonografie bei dislozierten Frakturen der langen Röhrenknochen an oberen Extremitäten bei Patient*innen zwischen 1 – 15 Jahren (Wachstumsphase) initial nur bedingt einsetzbar; im Verlauf erwägbar
  • Sonografie bei dislozierten Frakturen am Ellenbogengelenk in Wachstumsphase initial nur bedingt einsetzbar; im Verlauf erwägbar
    • Sonografie erkennt dislozierte Frakturen sicher, Röntgen ist aber weiterhin Goldstandard
    • Sonografie von Vorteil bei disloziertem Abriss des überwiegend noch knorpligen Epikondylus ulnaris/radialis und Frakturen des noch nicht ossifizierten Radiuskopfes
  • Sonografie bei Frakturen der langen Röhrenknochen bei Erwachsenen erwägen
    • Dislokationsgrad gut bestimmbar
    • höhere Sensitivität hinsichtlich der Frakturverschiebung als Röntgen
  • Sonografie bei Mittelfußfrakturen bei Jugendlichen >14 Jahre und Erwachsenen durchführen
  • Darstellung wie üblich in Längsachse in min. 2 senkrecht aufeinander stehenden Schnitten (besser 4)
    • Kortikalis auf ganzer Bildbreite sichtbar!
    • Schnitt mit größter Achsabweichung suchen (Gefahr der Unter- im Vergleich zur Überschätzung!!!)
Published inLeitlinien kompakt

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