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Leitlinie „Polytraumaversorgung im Kindesalter“ der DGKCH

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 31.10.2020
Ablaufdatum: 30.10.2025
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-120.html

Vorgehensweise gemäß PHTLS-Schema im Sinne eines ABCDE-Algorithmus; frühe erste Beurteilung („Primary Survey“)

Transport

  • nach primärer Stabilisierung so zügig wie möglich mit dem geeigneten Rettungsmittel in die geeignete Klinik
  • primäres Ziel: Traumazentrum mit kindertraumatologischer Kompetenz verfügt
  • Transportzeit in Abwägung mit einbeziehen

Thorax

  • Thorax-Untersuchung: min. Inspektion, Palpation, Bestimmung der AF & Lungen-Auskultation
    • einseitig abgeschwächtes/fehlendes Atemgeräusch = Kontrolle & ggf. Tubuslage-Korrektur; sonst Verdachtsdiagnose Pneumothorax und/oder Hämatothorax
      • Dekompression bevorzugt in Bülau-Position (4./5. ICR vordere Axillarlinie)

Volumentherapie

  • bei Hinweisen auf Volumenmangel; sonst ggf. verzichten
  • min. ein (möglichst großlumiger) Gefäßzugang (i.v., alternativ i.o.)
  • bei SHT Normotension/cerebraler Normperfusionsdruck als Ziel; falls nicht ausreichend = Vasopressoren und/oder Katecholamine
  • primär isotonische, balancierte Kristalloidlösungen
  • gewichtsadaptiert in Einzelgaben von 10-20 mL/kg als Bolusgaben mit 50 mL-Spritze
  • bei ausgeprägtem Volumenmangel 20 mL/kg VEL als Bolus; ggf. 2-3 x wiederholen
  • bei anhaltender Hypovolämie und/oder Hypotension = ggf. HAES 130/0,4 oder Gelantine erwägen

Immobilisation

  • Präklinisch soll die Immobilisierung der HWS mit einer passenden Zervikalstütze erfolgen. Dabei erfolgt die Rücknahme der HWS in die Neutralposition. 

Schädel-Hirn-Trauma

  • GCS & Atmungsbeeinträchtigung = Indikator für Hoch-Risiko-Kinder mit SHT
  • Beurteilung & Dokumentation des SHT mit Tools wie (f)GCS, AVPU etc. in Verbindung mit Beurteilung & Dokumentation des Bewusstseins, motorischer Seitendifferenzen (differenziert nach oberer und unterer Extremität) sowie des Pupillenstatus (Pupillomotorik und Isokorie) am Unfallort, bei Übergabezeitpunkten und im Verlauf

Blutungen/Verletzungen

  • stark blutende Verletzungen der Extremitäten mit Beeinträchtigung der Vitalfunktion sollen mit Priorität versorgt werden, aber die Gesamtrettungszeit beim Vorliegen weiterer bedrohlicher Verletzungen nicht verzögern.
  • Ruhigstellung einer auch nur vermutlich verletzten Extremität vor grober Bewegung und für den Transport
  • nur bei groben Fehlstellungen bzw. Kompromittierung der Gefäße und Weichteile nach Analgosedierung achsgerechte Reposition durch Zug und Gegenzug zur Entlastung der Weichteile und ohne das Ziel einer anatomischen Reposition
  • jede offene Fraktur von groben Verschmutzungen gereinigt und steril verbunden werden. Aktive Blutungen sollen mittels manueller Kompression/Druckverband und Hochlagerung behandelt werden, das Tourniquet ist Ultima ratio zum Schutz vor Verbluten.
  • bei V.a. Beckenfraktur sollte eine mechanische Stabilisierung mittels Beckenkompression mit kommerziellem pädiatrischen Notfallbeckengürtel oder Kompression durch Umschlingen des Beckens mit Tuch 

MANV

  • · Bei einem MANV sollen Kinder mit einem auf die kindlichen Normwerte angepassten Sichtungsalgorithmus triagiert werden.

prähospitales Atemwegsmanagement

  • Kinder mit Polytrauma + Apnoe/Schnappatmung (f < 6) = Notfallnarkose, Atemwegssicherung (ET/LaMa), Beatmung
    • auch bei Ausschöpfung aller Therapiemaßnahmen + SpO2 < 90 % trotz effektiver O2-Gabe bei Hypoxie bei SHT, instabiler Hämodynamik & schwerem Thoraxtrauma + resp. Instabilität + Hypoventilation
  • klinische Beurteilung von Atmung und Beatmung
    • Zeichen erhöhter Atemarbeit: Nasenflügeln, Einziehungen (thorakal, jugulär epigastrisch), schnelle, flache Atmung
    • Zeichen eines extrathorakalen Atemwegsproblems: inspiratorisches pathologisches Atemgeräusch
    • Zeichen eines intrathorakalen Atemwegsproblems: exspiratorisches pathologisches Atemgeräusch
    • Zeichen seitendifferenter Atmung/Beatmung: einseitig fehlende Thoraxexkursion/fehlendes Atemgeräusch
    • Zeichen ineffektiver Atmung/Beatmung: fehlende Thoraxexkursionen
  • pädiatrisch modifizierte kontrollierte Rapid Sequence Induction (RSI) empfohlen für hypoxiegefährdete Kinder
  • MILS bei ETI; HWS-Immobilisation temporär aufheben
  • schwierigen Atemweg immer antizipieren
  • LaMa bei Intubation als Alternative immer vorgehalten haben
  • Überwachung/Überprüfung mit EKG, RR-Messung, SpO2, etCO2 (zur Lagekontrolle) sowie atem-/beatmungssynchrone Thoraxexkursion und Beatmungs-/Cuffdrücke
  • Kind mit SHT = Normoventilation mit Ziel: 35 – 40 mmHg etCO2
    • unkontrollierte Hypokapnie (< 30mmHg endtidales CO2, bewusste Hyperventilation) sollte vermieden werden –> massive Vasokonstriktion führt zu einer zerebralen Ischämie
Published inLeitlinien kompakt

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