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Leitlinie „Global Spider and Scorpion Envenomation Management“ des JTS

veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 09.02.2021
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs

Spinnen

Echte Witwe (Latrodectus Species)

  • Pathophysiologie
    • Gift besteht aus mehreren Toxinen
    • führen zu Aktivierung des Nervensystems und Muskelkontraktionen
  • Symptomatik
    • kleine rote Flecken an Bissstelle möglich; meist aber nicht sichtbar
    • Symptome beginnen in der Regel nach 15 bis 60 Minuten
    • Hauptsymptom sind schmerzhafte Muskelkrämpfe, die an Bissstelle beginnen und sich zur Körpermitte hin ausbreiten
    • ggf. Entwicklung schmerzhaftes, steifes Abdomen (CAVE: Verwechslung Bauchfellentzündung)
    • Schmerzen nehmen mit der Zeit zu und können in Wellen auftreten
    • ggf. vorübergehende schweißnasse, grimassierte und verzerrte Mimik („facies latrodectismica“)
    • weitere Symptome wie Erbrechen, Schüttelfrost, Tachykardie, Hypertonie (oft stark ausgeprägt) und Unruhe
    • Symptome dauern Stunden bis Tage
    • Todesfälle äußerst selten; meist aufgrund Herzstillstand bedingt durch starke Hypertonie
  • Therapie/Management
    • primär Beruhigung, Analgesie und Wundversorgung (einschließlich Tetanusprophylaxe)
    • keine routinemäßige Antibiotika-Gabe
    • Analgesie mit Paracetamol, NSAR und/oder Opioiden
    • ggf. Benzodiazepine bei Muskelkrämpfen
    • falls verfügbar, Antidot-Gabe

Sechsäugige Sandspinnen (Loxosceles Species)

  • Pathophysiologie
    • zytotoxisch
    • besteht aus zwei Hauptbestandteilen: Sphingomyelinase-D und Hyaluronidase
      • Hyaluronidase erleichtert Ausbreitung des Giftes im Gewebe
      • Sphingomyelinase-D verursacht Nekrose und Hämolyse
  • Symptomatik
    • ulzerative Läsion, manchmal erst Tage nach erster Infektion
    • lokale Ischämie mit Schmerzen, Juckreiz und Schwellungen innerhalb weniger Stunden nach dem ersten Biss
    • Blasenbildung oder zentraler Bereich mit violetter Verfärbung
    • Gift bewirkt Vasokonstriktion und kann zu blassem Rand um das zentrale Geschwür/die Blase/die Verfärbung führen
    • Geschwür vergrößert sich in den nachfolgenden Tagen; Ränder bilden sich 1 – 2 Wochen nach dem ersten Biss zurück
    • ggf. systemischer Loxoszelismus (Ausmaß der Hautreaktion sagt nichts über die Entwicklung eines systemischen Loxoszelismus; i.d.R. 24 – 72 Stunden nach Infektion)
      • äußert sich durch Fieber, Schwäche, Erbrechen, Gelenkschmerzen, Petechien, Rhabdomyolyse, DIC und Hämolyse; in schweren Fällen: Hämoglobinämie, Hämoglobinurie, Nierenversagen und Tod
  • Therapie/Management
    • Behandlung lokaler Symptome umfasst Wundversorgung, Tetanusprophylaxe, Analgetika und ggf. Antipruritika
    • kein Antidot verfügbar
    • Wunde kann mit lokalisiertem Abszess verwechselt werden
    • prophylaktische Antibiotika nicht indiziert
    • Versuch durch erhöhte Flüssigkeitszufuhr i.v. akutes Nierenversagen zu verhindern

Tarantel/Vogelspinne (Aranea tarantula)

  • mehr als 1500 Arten von Vogelspinnen
  • Symptomatik
    • Biss für den Menschen nicht gefährlich
    • Widerhakenhaare führen ggf. zu Verletzungen
    • Haare können Reizungen und Juckreiz an der Haut, den Augen und den Atemwegen verursachen
  • Therapie/Management
    • kühlende Umschläge, Schmerzmittel, Juckreizstillung und Tetanusprophylaxe
    • ggf. mit Klebeband Stachelhaare von der Haut entfernen
    • bei Haaren im Auge, ausgiebige Spülung des Auges; ggf. Transport in Augenklinik
    • Hautreizungen ggf. mit topischen und oralen Antihistaminika und Kortikosteroiden therapieren

Trichternetzspinne/Webspinne (Atrax)

  • Pathophysiologie
    • Robustotoxin
    • löst autonome Kaskade aus durch übermäßige Freisetzung von Acetylcholin, Noradrenalin und Epinephrin
  • Symptomatik (biphasisches Syndrom)
    • erste Phase
      • Schmerzen an der Bissstelle, periorales Kribbeln, Piloerektion und regionale Faszikulationen, die sich zu Muskelkrämpfen entwickeln können
      • Muskelspasmus kann das Gesicht, die Zunge und den Kehlkopf betreffen (CAVE: Beeinträchtigung der Atemwege)
      • verstärkte Stimulation des cholinergen und adrenergen Systems verursacht Übelkeit, Erbrechen, Tränenfluss, Speichelfluss, Tachykardie, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und akute Lungenverletzungen
    • zweite Phase
      • Symptome der ersten Phase klingen ab
      • allmähliches Auftreten von refraktärer Hypotonie, Apnoe und Herzstillstand
  • Therapie/Management
    • Druckimmobilisierung mit elastischen Verbänden, die die Lymphausbreitung begrenzen sollen (CAVE: Blutfluss nicht eingeschränken)
      • Verband erst entfernen, wenn Gegengift zur Verabreichung bereitsteht
    • falls verfügbar, Antidot-Gabe
      • 2 Ampullen bei Patienten mit Anzeichen einer Vergiftung
      • 4 Ampullen bei Lungenödemen oder verschlechtertem Bewusstseinszustand
      • Anfangsdosis alle 15 Minuten wiederholen, bis sich klinischer Zustand sich verbessert

Skorpione

  • Pathophysiologie
    • Skorpiongifte sind komplex
    • können Phospholipase, Acetylcholinesterase, Hyaluronidase, Serotonin und Neurotoxine enthalten
    • Skorpiongift erhöht die neuronale Freisetzung (Blockierung der Inaktivierung von Natriumkanälen)
    • übermäßige Stimulation des ZNS, des neuromuskulären Systems, des sympathischen Nervensystems und des parasympathischen Nervensystems
  • Symptomatik
    • schmerzhafte lokale Reaktionen (häufig mit Kribbeln oder Brennen)
    • häufig Rötungen an der Einstichstelle; manchmal Verfärbung und Nekrose
    • Symptome übermäßiger Stimulation des sympathischen Nervensystems überwiegen Symptomen übermäßiger Stimulation des parasympathischen Nervensystem
    • Stimulation des Sympathikus (übermäßige Katecholaminausschüttung)
      • Bluthochdruck, Tachykardie, Reizbarkeit und Unruhe; in schweren Fällen Krampfanfälle und Hyperthermie
      • übermäßige kardiovaskuläre Stimulation mit myokardialer Ischämie, Myokardinfarkt und Herzrhythmusstörungen
      • in seltenen Fällen Bradykardie und Hypotonie
    • Stimulation des Parasympathikus
      • Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Pankreatitis und Priapismus
      • neuromuskuläre Symptomen wie Zungenfaszikulationen, Muskelkrämpfe, Dysphagie und Dysphonie; selten schwere Muskelkrämpfe, aber ggf. Beeinträchtigung der Atemwege und Atemstillstand
    • wandernde Augenbewegungen als klassischer Befund bei schwerer Centruroides-Vergiftung
    • Lungenödem in schweren und tödlichen Fällen (sowohl kardiogener als auch nicht-kardiogener Natur)
  • Therapie/Management
    • Diagnose klinisch anhand Anamnese sowie Symptomen/Anzeichen einer Infektion
    • EKG bei Patienten mit mittelschweren bis schweren Symptomen (Ausschluss Ischämie und Herzrhythmusstörungen)
    • Analgesie mit Ibuprofen, Paracetamol und/oder Opioiden
    • routinemäßige Wundversorgung einschließlich Tetanusprophylaxe
    • Anlage Tourniquets kontraindiziert
    • Benzodiazepin-Gabe zur Behandlung erheblicher Erregung oder von Krampfanfällen
    • medikamentöse RR-Senkung nicht angezeigt
    • Vasopressoren wie Nitroprussid, Nitroglyzerin, Labetalol und Phentolamin i.v. bei Patienten mit schwerem oder symptomatischem Bluthochdruck
    • endotracheale Intubation bei Patienten mit signifikantem neuromuskulärem Spasmus, starkem Speicheln, Sedierung und gefährdetem Atemweg
    • Therapie des Lungenödems mit nichtinvasiver oder invasiver Beatmung in Kombination mit Optimierung des Herzzeitvolumens
    • falls verfügbar, Antidotgabe
Published inLeitlinien kompakt

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