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Leitlinie „Inhalation Injury and Toxic Industrial Chemical Exposure“ des JTS

veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 25.07.2016
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs

allgemeine Verletzungen durch Rauchgasinhalation

  • primär thermische und chemische Schädigungen
  • chemische Verletzungen entstehen durch Verbrennungs- & Pyrolysestoffe
  • Entstehung…
    • leicht wasserlöslicher Reizstoffe wie Acrolein, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff und Ammoniak
    • mittelstark wasserlöslicher Reizstoffe wie Chlor und Isocyanate
    • schlecht wasserlöslicher Reizstoffe wie Stickstoffoxide und Phosgen
  • einfach, enthaltende asphyktisch wirkende Stoff, die Sauerstoff verdrängen, sind Kohlendioxid und Methan sowie Zyanid und Schwefelwasserstoff
    • Hemmung Mitochondrienaktivität und Verringerung Hämoglobintransportkapazität
  • Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung einer SpO2 von 92 – 96 %
  • ggf. Behandlung des ARDS

Inhalationstraumata durch toxische Industriechemikalien

  • Behandlung ähnlich der Rauchgasinhalation
    • Atemwegsmanagement
    • lungenschonende Beatmungsstrategien mittels maschineller Beatmung
    • aggressive Lungentherapie
    • Vermeidung Volumenüberlastung oder schnelle Flüssigkeitsgabe (CAVE: Lungenödem aufgrund von Capillary Leak)

Chlor

  • Chlor löst sich in Wasser und bildet Salzsäure
  • unmittelbar nach Exposition Schleimhautreizung
  • nach großer Exposition Husten, Kurzatmigkeit und thorakale Schmerzen
  • bei leichter und mittlerer Exposition gehen Symptome der oberen Atemwege den Symptomen der unteren Atemwege voraus
  • Lungentoxizität kann sich auch über Tage hinweg verschlimmern
  • Maßnahmen
    • Dekontamination der Haut
    • ggf. zusätzlichem Sauerstoff, Beta-Agonisten und maschinelle Beatmung
    • inhalative Kortikosteroide (z.B. Fluticason) verbessern die sekundären Ergebnisse
    • kein vernebeltes Bikarbonat

Phosgen (Carbonylchlorid, COCl2)

  • süßer, angenehmer Geruch nach gemähtem Heu
  • schwer wasserlöslich und nicht giftig
  • entsteht bei der Verbrennung von Chlorkohlenwasserstoff (Schweißen, Brände) und bei der Synthese von Lösungsmitteln (Entfetter, Reinigungsmittel)
  • im Ersten Weltkrieg als chemische Waffe eingesetzt
  • Reizstoff für die Atemwege
  • Husten, Brennen im Hals und in den Augen, Tränenfluss, verschwommenes Sehen, Atemnot, Übelkeit und Erbrechen und/oder Hautverletzungen
  • Einatmen hoher Dosen kann innerhalb von 2-6 Stunden zum Lungenödem führen (auch verzögert einsetzendes Lungenödem bis zu 48 Stunden nach Exposition möglich)
  • hohe Konzentrationen können schweren Husten mit Kehlkopfspasmus hervorrufen
  • Dekontamination ist in der Regel nicht erforderlich
  • ggf. Sauerstoff-Gabe und Beatmung notwendig

Schwefelwasserstoff (H2S)

  • Geruch wie faule Eier
  • chemischer Reizstoff
  • Exposition v.a. in Abfallwirtschaft, Erdöl- & Erdgasindustrie sowie Asphalt- & Gummifabriken
  • Gas wirkt wie Zyanid und hemmt die Cytochromoxidase (Verhinderung mitochondriale Sauerstoffnutzung und Zellatmung)
  • in niedrigeren Dosen Haut- und Schleimhautreizungen
  • in hohen Konzentrationen „Knockdown“-Effekt (plötzlicher Bewusstseinsverlust) sowie Krampfanfälle, Myokardischämie, Keratokonjunktivitis und Verletzungen der oberen Atemwege/Lunge
  • überwiegender Teil stirbt bevor sie medizinisch versorgt werden können
  • Maßnahmen
    • sofortige Beseitigung der Exposition
    • zusätzliche Sauerstoff-Gabe
    • Hydroxocobalamin i.v. (5 g) oder Natriumnitrit i.v. (300 mg); Infusion über 5 – 7 min

Ammonium

  • gängige Industrie- und Haushaltschemikalie
  • Verwendung als Düngemittel, Kühlmittel und Reinigungsmittel sowie bei der Synthese von Kunststoffen und Sprengstoffen
  • stechender Geruch
  • bei Freisetzung reagiert es mit Wasser und bildet Ammoniumhydroxid (NH4OH)
    • starke Base
    • verursacht Schleimhautreizungen (Tränen, Hautreizungen, Augenschmerzen und Verätzungen), schwere Reizungen der oberen Atemwege und alkalische Hautverätzungen
  • bei hohen Konzentrationen oder längerer Expositionsdauer (bewusstloser Patient in einem geschlossenen Raum) ggf. tracheobronchiale und pulmonale Entzündungsreaktionen
  • innerhalb von 2-5 min nach Exposition Atemstillstand
  • Maßnahmen
    • Haut- und Augenspülung
    • Hautpflege bei Alkaliverbrennungen
    • ggf. zusätzliche Sauerstoff-Gabe und/oder maschinelle Beatmung

Cyanid

  • Freisetzung z.B. bei Gebäude- und Fahrzeugbränden sowie bei der Verbrennung von Chemikalien oder Kunststoffen
  • Verwendung bei der Herstellung von Pestiziden und synthetischen Materialien, bei der Metallgewinnung und in chemischen Labors
  • hemmt die mitochondriale Cytochromoxidase und stoppt Zellatmung und aeroben Stoffwechsel
  • frühe oder leichte Wirkungen sind meist neurologisch (Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Angstzustände)
  • späte oder schwere Auswirkungen sind Koma, Krampfanfälle, Atemdepression, Hypotonie und Tachykardie (Koma geht Apnoe voraus und verursacht Hypotonie)
  • Trias einer schweren Toxizität sind Hypotonie, veränderters Bewusstsein und Laktatazidose
  • Sauerstoffgabe und/oder mechanischer Beatmung
  • rasche Verabreichung des Antidots (Hydroxocobalamin, auch Cyanokit®)
    • 5 g i.v. über 15 Minuten
    • zweite Dosis (5 g) ggf. bei Patienten mit schwerer Symptomatik oder schlechtem klinischen Ansprechen

Kohlenmonoxid

  • Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Verbindungen in Verbrennungsmotoren und bei Kochen, Grillen etc.
  • hohe Affinität zu Hämoglobin und verdrängt Sauerstoff
  • Verwirrung, Stupor, Koma, Krampfanfälle und Herzinfarkt
  • Gabe von 100 % hochdosiertem Sauerstoff; ggf. hyperbare Sauerstofftherapie

Brandbekämpfungsmittel (HFC227, Heptafluorpropan)

  • inerte Chemikalie
  • einfaches Erstickungsmittel
  • kann sich bei einem Brand in geringen Mengen in Fluorwasserstoff umwandeln (CAVE: schwere Verletzungen beim Einatmen)
  • Fluoridionen binden rasch Kalzium –> tödliche, durch Hypokalzämie verursachte Herzrhythmusstörungen
  • typischerweise Kurzatmigkeit, Husten oder Hypoxie
  • Maßnahmen
    • Kalziumglukonat vernebelt (1,5 mL 10%iges Kalziumglukonat in 4,5 mL Wasser) alle 4 h
    • Kalziumglukonat (1000 mg) oder Kalziumchlorid (1000 mg) i.v. bei schwerer Hypokalzämie über ZVK alle 15 min
    • ggf. Gabe von Steroiden, wenn sich Symptome nicht bessern
Published inLeitlinien kompakt

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