veröffentlichende Fachgesellschaft: Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 21.11.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://goldcopd.org/2024-gold-report/
Grundsätzliches
- chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) = heterogene Lungenerkrankung, die durch chronische respiratorische Symptome (Dyspnoe, Husten, Auswurf und/oder Exazerbationen) aufgrund von Anomalien der Atemwege (Bronchitis, Bronchiolitis) und/oder der Lungenbläschen (Emphysem), die zu anhaltender, oft fortschreitender Behinderung des Luftstroms führt
- COPD ist weltweit eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität
- weltweite COPD-Prävalenz: 10,3 % (95 % KI: 8,2 – 12,8 %)
- COPD gehört zu den drei häufigsten Todesursachen weltweit (90 % der Todesfälle in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen)
- 2012 starben mehr als 3 Millionen Menschen an COPD (6 % aller Todesfälle weltweit)
- Schätzungen zufolgen 2060 > 5,4 Millionen Todesfälle jährlich durch COPD
- COPD-assoziierte Sterberate: 42/100.000 (4,72 % aller Todesfälle)
- weltweit ca. 38,5 Milliarden € Kosten des Gesundheitssystems verursacht durch COPD
- 74,4 Millionen DALY durch COPD (disability-adjusted life year; behinderungsbereinigte Lebensjahre)
Anamnese & Diagnostik
- wichtigste COPD-beeinflussende Umwelteinflüsse
- Rauchen
- Einatmen toxischer Partikel und Gase (Luftverschmutzung)
- abnorme Lungenentwicklung & beschleunigte Lungenalterung (z.B. durch genetische Faktoren, Entwicklungsanomalien, niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburt, Atemwegsinfektionen in der Kindheit etc.)
- Diagnosekriterien
- klinische Untersuchung bzw. klinisches Gesamtbild
- nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion (FEV1/FVC < 0,7 nach Bronchodilatation) bei Spirometrie
- CAVE: ggf. „Prä-COPD“, also Vorliegen struktureller Lungenläsionen (z.B. Emphysem) und/oder physiologischer Anomalien (inkl. niedrigem FEV1, Gaseinschluss, Hyperinflation, verringerter Lungen-Diffusionskapazität und/oder schneller FEV1-Abfall), ohne Vorliegen einer Atemwegsobstruktion (FEV1/FVC ≥ 0,7 nach Bronchodilatation)
Symptomatik
CAVE: Symptome können von Tag zu Tag variieren
- Dyspnoe (bei ca. 40 % aller Patient*innen; im Verlauf fortschreitend; bei Belastung schlimmer werdend & anhaltend)
- Gefühl erhöhter Atemanstrengung
- Schweregefühl in der Brust
- Lufthunger
- rezidivierend inspiratorisches und/oder exspiratorisches Keuchen/Stridor (von Tag zu Tag und im Verlauf eines einzigen Tages variierend)
- chronischer (ggf. intermittierender) Husten (bei ca. 30 % aller Patient*innen; häufig initiales Symptom)
- mit/ohne Auswurf (i.d.R. kleine Mengen zähen Sputums; CAVE: bei eitrigem Sputum besteht V.a. ausgeprägte Entzündunsproblematik)
- thorakales, schlecht lokalisierbares Engegefühl mit muskulärem Charakter (v.a. nach Anstrengung)
- subjektive Gefühl von Müdigkeit oder Erschöpfung (häufiges & belastendes Symptom) mit Aktivitätseinschränkung
- wiederkehrende Infektionen der unteren Atemwege
- Gewichtsverlust, Verlust von Muskelmasse und/oder Anorexie (v.a. bei schwerer COPD)
- Knöchelschwellungen bei Cor pulmonale
Differentialdiagnosen
- intrathorakal
- Asthma
- Lungenkrebs
- Tuberkulose
- Brochoektasie
- Herzinsuffizienz (v.a. Linksherzversagen)
- interstitielle Lungenerkrankungen
- Mukoviszidose
- idiopathischer Husten
- Bronchiolitis obliterans
- diffuse Panbronchiolitis
- extrathorakal
- chronische allergische Rhinitis
- Postnasal-Drip-Syndrom
- Sinobronchiales Syndrom (Upper Airway Cough Syndrome)
- gastroösophageale Refluxkrankheit
- Medikamente (z.B. ACE-Inhibitoren)
- typische Differentialdiagnosen der COPD-Exazerbation
- dekompensierte Herzinsuffizienz
- Pneumonie
- Lungenembolie
Anamnese
- Exposition ggü. Risikofaktoren wie Rauchen und Umwelteinflüsse (Luftverschmutzung im privaten oder beruflichen Kontext)
- med. Vorgeschichte, inkl. früher Lebensereignisse (Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht, Passivrauchen), Asthma, Allergien, Nasennebenhöhlenentzündung oder Nasenpolypen, Atemwegsinfektionen in der Kindheit, HIV, Tuberkulose
- Familienanamnese bzgl. COPD oder anderer chronischer Atemwegserkrankung
- Muster der Symptomentwicklung (i.d.R. im Erwachsenenalter mit zunehmender Atemnot, häufiger oder länger anhaltende „Wintererkältungen“ etc.)
- frühere Exazerbationen oder KH-Aufenthalte wegen Atemwegserkrankung
- Vorhandensein von Begleiterkrankungen wie Herzkrankheiten, Osteoporose, Erkrankungen des Bewegungsapparats, Angstzustände und Depressionen
- lebenseinschränkende Auswirkungen, inkl. Aktivitätseinschränkung, Arbeitsausfall und wirtschaftliche Auswirkungen, Auswirkungen auf Familienalltag, Auswirkungen auf Wohlbefinden und sexuelle Aktivität sowie Depression oder Angst
- soziale und familiäre Unterstützung
- Compliance/Möglichkeiten zur Reduktion von Risikofaktoren, v.a. Raucherentwöhnung
Schweregrade
- milde COPD
- Dyspnoe (VAS < 5)
- AF < 24/min
- HF < 95/min
- SpO2 ≥ 92 bei Raumluft (oder bei verschriebenem O2) UND Schwankungen ≤ 3 %
- CRP < 10 mg/dL
- moderate COPD
- Dyspnoe (VAS ≥ 5)
- AF ≥ 24/min
- HF ≥ 95/min
- SpO2 < 92 bei Raumluft (oder bei verschriebenem O2) UND Schwankungen > 3 %
- CRP < 10 mg/dL
- PaO2 ≤ 60 mmHg (Hypoxämie) und/oder PaCO2 > 45 mmHg (Hyperkapnie) ohne Azidose in der BGA
- schwere COPD
- Dyspnoe sowie AF, HF, SpO2 und CRP wie bei moderater COPD
- neu aufgetretene/sich verschlechternde Hyperkapnie & Azidose in BGA (PaCO2 > 45 mmHg & pH < 7,35)
Definition der COPD-Exazerbation (ECOPD)
- verstärkte Dyspnoe und/oder Husten, Stridor und Auswurf (erhöhte Sputumpurulenz & -menge)
- Verschlimmerung innerhalb von < 14 Tagen (i.d.R. verstärkte Symptome über 7 – 10 d)
- ggf. begleitet von Tachypnoe und/oder Tachykardie
- häufig auch verstärkte lokale und systemische Entzündung
- i.d.R. ausgelöst durch virale Atemwegsinfektionen (z.B. humane Rhinoviren, Para-Influenza-, Influenza- & Metapneumoviren)
- nach 8 Wochen haben bis zu 20 % der Patient*innen Zustand vor Exazerbation noch nicht wieder erreicht
- > 80 % der Exazerbationen werden ambulant medikamentös behandelt
- Klassifikation der Exazerbation
- leicht (ambulante Behandlung nur mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren)
- mäßig (ambulante Behandlung mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren, oralen Kortikosteroiden ± Antibiotika)
- schwer (KH-Einweisung bei Gefahr des akuten Atemversagens)
Therapie der Exazerbation
- Bestimmung der Symptomschwere, BGA sowie Thorax-Röntgen
- O2-Gabe bei Hypoxämie mit Ziel-SpO2 von 88 – 92 % (Nicht-Invasive Ventilation oder High-Flow-Sauerstofftherapie in dieser Reihenfolge erwägen)
- Gabe von Bronchodilatatoren (kurzwirksame Beta-2-Agonisten) in Kombination mit Anticholinergika (ggf. vernebelt; nach Stabilisierung Gabe von langwirksamen Bronchodilatatoren); CAVE: keine Theophyllin-/Aminophyllin-Gabe
- Gabe von oralen Glukokortikoiden (alternativ i.v.; 40 mg/d Prednison-Äquivalent über 5 d)
- (orale) Gabe von Antibiotika bei Zeichen einer bakteriellen Infektion mit Antibiotikawahl anhand der lokalen bakteriellen Resistenzmuster (wie Sputumeiterigkeit und Zunahme der Dyspnoe und/oder Sputumvolumens; zusätzlich auch bei invasiver oder nichtinvasiver Beatmung)
- Anlage pVK und Flüssigkeitsgabe (CAVE: Bilanzierung)
- Gabe von Heparin s.c. oder niedermolekularem Heparin zur Thromboseprophylaxe erwägen
- Behandlung von Komorbiditäten wie Herzversagen, Arrhythmien, Lungenembolie etc.
- Ausschluss zu berücksichtigender Komorbiditäten bzw. Differentialdiagnosen
- Pneumonie (Thoraxröntgen)
- Lungenembolie (Symptomatik: Bluthusten, OP/Fraktur/Krebs in der Vorgeschichte, Tiefe Beinvenenthrombose; D-Dimere; CT-Angio)
- Herzversagen (Thoraxröntgen; Pro-BNP und BNP; Echokardiografie)
- Pneumothorax oder Pleuraerguss (Thoraxröntgen, Thorax-Ultraschall)
- Herzinfarkt und/oder Arrhythmien wie Vorhofflimmern & Vorhofflattern (EKG, Troponin)
- Suche nach Genese der Exazerbation (virale/bakterielle Infektion, Umweltfaktoren etc.)
Klassifizierung der respiratorischen Symptomatik bei Exazerbation
- keine respiratorische Insuffizienz
- Atemfrequenz ≤ 24/min
- Herzfrequenz < 95/min
- kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- keine Bewusstseinsveränderung
- Verbesserung der Hypoxämie bei O2-Gabe über Venturi-Maske (FiO2: 24 – 35 %)
- kein Anstieg des PaCO2
- nicht-lebensbedrohliches, akutes respiratorisches Versagen
- Atmungsrate > 24/min
- Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- keine Bewusstseinsveränderung
- Verbesserung der Hypoxämie bei O2-Gabe über Venturi-Maske (FiO2: > 35 %)
- Hyperkapnie (PaCO2 im Vergleich zum Ausgangswert oder um 50 – 60 mmHg erhöht)
- lebensbedrohliches, akutes respiratorisches Versagen
- Atmungsrate > 24/min
- Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- Bewusstseinsveränderung
- keine Verbesserung der Hypoxämie bei O2-Gabe über Venturi-Maske (FiO2: > 40 %)
- Hyperkapnie (PaCO2 im Vergleich zum Ausgangswert oder um > 60 mmHg erhöht) oder Azidose (pH ≤ 7,25)
Indikationen für Nicht-Invasive Ventilation (NIV)
- Hyperkapnie (PaCO2 > 6,0 kPa oder 45 mmHg) und/oder Azidose (pH < 7,35)
- schwere Dyspnoe mit klinischen Anzeichen, die auf Ermüdung der Atemmuskulatur, erhöhte Atemarbeit oder beides hindeuten (z.B. Einsatz Atemhilfsmuskulatur, paradoxe Atmung mit Bauchatmung oder Einziehen der Zwischenrippenräume)
- anhaltende Hypoxämie trotz zusätzlicher O2-Gabe
Indikationen für invasive Beatmung
- fehlende Compliance für NIV oder Versagen der NIV
- Zustand nach Atem- oder Herzstillstand
- durch Sedierung nicht ausreichend kontrollierbares beeinträchtigtes Bewusstsein oder psychomotorische Unruhe
- anhaltende Unfähigkeit, Atemwegssekrete abzuhusten o.Ä.
- schwere hämodynamische Instabilität ohne Ansprechen auf Flüssigkeiten & Vasopressoren
- schwere ventrikuläre oder supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen
- lebensbedrohliche Hypoxämie bei frustraner NIV
KH-Einweisungsindikationen
- schwere Symptome wie plötzliche Verschlechterung der Dyspnoe im Ruhezustand, AF↑, SpO2↓, Verwirrung, Schläfrigkeit
- akutes Atemversagen
- Auftreten neuer körperlicher Anzeichen (z.B. Zyanose, periphere Ödeme)
- frustraner Exazerbationsverlauf, nach erstem Ansprechen auf Therapie
- Vorliegen schwerwiegender Begleiterkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen usw.)
- unzureichende häusliche Unterstützung (Versorgungsproblem)
Einweisungsindikationen für ITS
- schwere Dyspnoe, die auf anfängliche Notfalltherapie nur unzureichend anspricht
- Bewusstseinsveränderungen (Verwirrtheit, Lethargie, Koma)
- anhaltende oder sich verschlimmernde Hypoxämie (PaO2 < 5,3 kPa oder < 40 mmHg) und/oder schwere/sich verschlimmernde respiratorische Azidose (pH < 7,25) trotz zusätzlicher O2-Gabe und NIV
- Notwendigkeit einer invasiven mechanischen Beatmung
- hämodynamische Instabilität und Bedarf an Vasopressoren
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