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Leitlinie „Basic Paediatric ECG interpretation“ des RCH

veröffentlichende Fachgesellschaft: Royal Children’s Hospital Melbourne (RCH)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.09.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.rch.org.au/clinicalguide/

Grundsätzliches

  • EKG-Interpretation immer unter Berücksichtigung des Gesamtbildes & Anamnese
  • altersspezifische Grenzwerte sind wesentliches Instrument für genaue Beurteilung
  • auffällige EKG-Befunde und zusätzliche Red Flags wie Brustschmerz, Belastungssynkope, schlechte Belastungstoleranz & Palpitationen sollten immer zur ärztl.Vorstellung führen
  • häufige Indikationen für EKG-Diagnostik sind Brustschmerz, Synkope, Palpitationen, zyanotische Episoden, Krampfanfälle, etwaige Medikamenteneinnahmen, ungewöhnliche kardial-körperliche Untersuchung, Elektrolytstörungen oder plötzlicher Herztod oder ähnliches Ereignis in der Familienanamnese
  • wenn EKG-Anomalien nicht mit den klinischen Merkmalen übereinstimmen, Platzierung der EKG-Elektroden überprüfen und EKG wiederholen
  • CAVE: moderne EKG-Geräte können Intervalle & Achsen berechnen, diese aber nur als Richtwert nutzen und eher als nicht verlässlich angesehen
  • CAVE: viele EKG-Auffälligkeiten variieren mit dem Alter

EKG-Analyse

Der nachfolgende schrittweise Ansatz eignet sich gut zu grundlegenden EKG-Interpretation:

  1. Grundsätzliches (Entwicklungsstand des Kindes erheben, Kontrolle der angebrachten Elektroden)
  2. Frequenzkontrolle (HF normal/abnormal?)
  3. Rhythmuskontrolle (Herzrhythmus normal/abnormal?)
  4. Kontrolle der QRS- & T-Wellen-Achse (Achse normal/abnormal?)
  5. Kontrolle der Dauer & Amplitude von P-, Q-, T- und U-Wellen sowie QRS-Komplex
  6. Kontrolle bzgl. ST-Strecken-Hebung oder -Senkung
  7. Kontrolle des PR- & QT-Intervalls
  8. Suche nach Zeichen für rechtsventrikuläre, linksventrikuläre oder biventrikulärer Hypertrophie

Frequenzkontrolle

  • Schätzung der Herzfrequenz über folgende Berechnung: 300/Anzahl der große Quadrate zw. zwei R-Zacken
  • Suche nach Tachykardiemustern (Sinustachykardie, supraventrikuläre Tachykardie, ventrikuläre Tachykardie, Vorhofflimmern, Vorhofflattern)
  • Suche nach Bradykardiemustern (Sinusbradykardie, Knotenrhythmus und AV-Block)

Rhythmuskontrolle

  • Zeichen für normalen Sinusrhythmus
    • normale, altersbezogene Herzfrequenz
    • P-Welle vor jedem QRS-Komplex
    • P-Wellenachse zwischen 0° bis + 90° (P-Welle in Ableitungen II, III & aVF aufrecht)
    • normale P-Wellen-Morphologie
    • normales PR-Intervall
  • Zeichen für Sinusarrhythmie: normaler Befund, unregelmäßige Frequenz (Variation des R-R-Verhältnisses > 0,12 sec)
  • Sinustachykardie als Hinweis für Sepsis, Schock, Hyperthyreose oder medikamentenbedingt
  • Sinusbradykardie als Hinweis für erhöhten Hirndruck, Sedierung, Schlaf oder medikamentenbedingt

Kontrolle der QRS- & T-Wellen-Achse

  • QRS-Achse
    • normale QRS-Achse bei älteren Kindern und Erwachsenen: positiver QRS-Komplex in Abl. I & aVF mit Achse von 0° bis + 90°
    • Abweichung der linken Achse (- 30° bis – 90°) als Hinweis für atrioventrikulären Septumdefekt, linksventrikuläre Hypertrophie oder Trikuspidalatresie (normal bei Jugendlichen)
    • Abweichung der rechten Achse (+ 90° bis + 180°) als Hinweis für rechtsventrikuläre Hypertrophie
    • Abweichung der „Nord-West“-Achse als Hinweis für atrioventrikulären Septumdefekt, Trikuspidalatresie, Ebstein-Anomalie, Wolff-Parkinson-White-Syndrom, Dextrokardie
  • T-Wellen-Achse
    • in den ersten 2 – 3 Lebenstagen ist aufrechte T-Wellen in rechtspräkordialen Ableitungen (V1 & V3R) normal
    • i.d.R. Umkehrung der T-Welle in der ersten Lebenswoche (CAVE: persitierende positive T-Welle in V1 oder V3R oftmals pathologisch)
    • T-Welle in V2 & V3 in früher Kindheit häufig invertiert (Aufrichtung im Jugendalter in der Reihenfolge V3, V2 & V1)
    • T-Welle in V5 & V6 in jedem Alter aufrecht (CAVE: Inversion ist Zeichen für linksventrikuläre Hypertrophie)

P-Welle

  • P-Wellen in I & aVF normalerweise aufrecht
  • normale P-Wellen-Amplitude: <3 mm (3 kleine Quadrate)
  • max. P-Wellendauer: < 0,10 sec bei Kindern und < 0,08 sec bei Säuglingen
  • hohe P-Welle (P-Pulmonale) als Hinweis für Erweiterung des rechten Vorhofs
  • verlängerte/breite/gespaltene P-Wellen (P-Mitrale) als Hinweis für Erweiterung des linken Vorhofs

Q-Welle

  • normale Q-Wellen-Dauer: 0,02 – 0,03 sec
  • normal Q-Wellen-Amplitude: <5 mm
  • Q-Welle in V1 oder keine Q-Welle in V5 & V6 sind pathologisches Zeichen
  • abnormal tiefe Q-Welle ist Hinweis für ventrikuläre Hypertrophie
  • „dolchartige“ Q-Welle in I, aVL & V5 – V6 ist Hinweis für hypertrophe Kardiomyopathie
  • ungewöhnlich tiefe & breite Q-Welle ist Hinweis für Myokardinfarkt oder Fibrose

QRS-Komplex

  • Messung des QRS-Komplexes: Beginn Q-Welle bis Ende S-Welle in Ableitung II
  • QRS-Dauer
    • Dauer > 0,12 sec (3 kleine Quadrate) gilt als pathologisch
    • breiter QRS-Komplex und Unterbrechung des R/S-Wellenflusses ist grundsätzlicher Hinweis für Schenkelblock (am besten in V1 & V6; Merkhilfe „William Morrow“)
      • William als Zeichen für Linksschenkelblock (negativer QRS-Komplex)
      • Morrow als Zeichen für Rechtsschenkelblock (positiver QRS-Komplex)
    • partieller Schenkelblock ohne QRS-Verlängerung gilt als Normalbefund
    • negativer QRS-Komplex in V1 & positive Auslenkung in V6 als Hinweis für Linksschenkelblock
    • positives rSR-Muster in V1 & negative Auslenkung in V6 als Hinweis für Rechtsschenkelblock (ggf. verursacht durch rechtsventrikulären Overload; Rechtsschenkelblock häufig bei Ventrikelseptumdefekt oder Fallot-Tetralogie)
  • QRS-Amplitude
    • hohe QRS-Amplitude bei ventrikulärer Hypertrophie oder ventrikulärer Erregungsleitungsstörungen (z.B. Schenkelblock, WPW-Syndrom)
    • niedrige QRS-Amplitude bei Perikarditis, Myokarditis oder Hypothyreose (normal bei Neugeborenen)

ST-Strecken-Veränderungen

  • Messung der ST-Strecke: Beginn ist Ende der S-Welle (J-Punkt) und Ende ist Anfang der T-Welle
  • normale ST-Strecke ist isoelektrisch
  • Normalbefunde
    • ST-Strecken-Hebung/-Senkung bis 1 mm in Extremitätenableitung bei Säuglingen und Kindern normal
    • ST-Strecken-Hebung/-Senkung bis 2 mm in Brustwandableitung bei Säuglingen und Kindern normal
    • J-Punkt-Senkung ohne anhaltende ST-Senkung ist nicht pathologisch
    • gutartige frühe Repolarisation häufiger Befund bei Jugendlichen (ST-Strecke ist in Ableitungen mit aufrechter T-Welle erhöht und konkav)
  • pathologische Befunde
    • gewölbte oder sattelförmige ST-Strecken-Hebung > 2 mm in V1 – V3 als Hinweis für Brugada-Syndrom (Brugada 1: gewölbte ST-Strecken-Hebung; Brugada 2: sattelförmige ST-Strecken-Hebung)
    • anhaltende horizontale ST-Strecken-Senkung ≥ 0,08 sec ist pathologisches Zeichen
    • pathologische ST-Strecken-Veränderungen häufig zusammen mit T-Wellen-Veränderungen (z.B. bei Perikarditis, Myokardischämie/-infarkt, schwerer ventrikulärer Hypertrophie und Digitalis-Intoxikation)

T-Welle

  • aufrechte T-Wellen in V1 bei Alter zw. 4 d & 4 a normalerweise pathologisch und Hinweis für rechtsventrikuläre Hypertrophie
  • nach Geburt physiologische Inversion in V1 – V3, welche sich im Kindesalter (i.d.R. im Alter von 16 Jahren) aufrichtet (erst V3, gefolgt von V2 und V1)
  • abhängig vom Alter ggf. keine Umkehrung der T-Wellen in V1 – V3, aber nicht pathologisch („anhaltendes juveniles T-Wellen-Muster“)
  • persistierende T-Wellen-Inversion in V1 und aufrechte T-Welle in V5 & V6 ist Normalbefund
  • hohe, spitze T-Welle ist Hinweis für Hyperkaliämie, linkssventrikuläre Hypertrophie (Volumenüberlastung), zerebrale Gefäßpathologie oder posteriorer Myokardinfarkt
  • flache/niedrige T-Welle ist Hinweis für Hypokaliämie, Hypo-/Hyperglykämie, Hypothyreose, Myokarditis, Perikarditis, Ischämie, Digitalis-Intoxikation, Long-QT-Syndrom (normal bei Neugeborenen)

U-Welle

  • U-Welle = zusätzliche positive Abweichung am Ende einer T-Welle
  • Normalbefund bei langsamer Herzfrequenz (z.B. Sinusbradykardie)
  • z.B. verursacht durch Hypokaliämie

PR-Intervall

  • Messung des PR-Intervall: Beginn der P-Welle bis Beginn des QRS-Komplexes in Ableitung I
  • variiert abhängig von Herzfrequenz und Alter (Normalbefund: 110 – 200 sec = 5 kleine Quadrate)
  • verlängertes PR-Intervall ist Hinweis für AV-Block Grad 1 (z.B. bei Myokarditis, Arzneimittelintoxikation, angeborenen Herzfehlern wie Ebstein-Anomalie, Hyperkaliämie & Ischämie; CAVE: nicht selten auch nicht-pathologischer Normalbefund)
  • verkürztes PR-Intervall ist Hinweis für WPW-Syndrom, v.a. wenn Delta-Welle im QRS-Komplex vorhanden, oder Glykogenspeicherkrankheit (CAVE: nicht selten auch nicht-pathologischer Normalbefund)

QT-Intervall

  • Messung des QT-Intervall: Beginn Q-Welle bis Ende T-Welle (i.d.R. in Ableitungen II & V5)
  • Nachweis QT-Verlängerung ist relevant für Identifizierung von Kindern mit Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien im Zusammenhang mit Synkopen und plötzlichem Herztod
  • Berechnung korrigierte QT-Zeit (QTc) mithilfe der Bazett-Formel (QTc = QT ⁄ √R-R-Intervall
  • Nutzung der „Tangenten“-Methode, um Ende der T-Welle zu identifizieren
  • normale QTc-Zeit: > 340 ms bis ≤ 450 ms
  • QTc-Verlängerung ist Hinweis auf Elektrolytanomalien (v.a. Hypokalzämie/Hyperventilation), SHT, Long-QT-Syndrom oder selten Myokarditis, aber auch nedikamenteninduziert (z.B. Amiodaron, Trizyklika, Fluconazol, Erythromycin, Methadon, Metoclopramid, Haloperidol, Ondansetron, SSRIs)
  • ggf. auch QTc-Verlängerung bei QRS-Verlängerung (z.B. Rechtsschenkelblock), aber auch nach ektopischem Herzschlag, ventrikulärer Stimulation, (supra-)ventrikulärer Tachykardie oder kürzlich erfolgter Katheterablation)

ventrikuläre Hypertrophie

  • Veränderungen der QRS-Achse, QRS-Spannungen, Q-Wellen, R/S-Verhältnis und/oder T-Achse können Hinweis für ventrikuläre Hypertrophie sein
  • Normalwerte abhängig vom Alter
  • leicht erhöhte Spannungen in der Brustwandableitung sind häufig Normalbefund
  • Zeichen für rechtsventrikuläre Hypertrophie
    • Abweichung der rechten Achse (+ 90° bis + 180°; CAVE: altersabhängig)
    • hohe R-Welle (altersabhängig) in V4R & V1
    • tiefe S-Welle (altersabhängig) in V5 & V6
    • abnormales R/S-Verhältnis, z.B. erhöhtes R/S-Verhältnis (altersabhängig) in V1 – V2
    • R/S-Verhältnis <1 in V6 (ab einem Monat nach Geburt)
    • aufrechte T-Welle in V1 & V4R bei Alter von 3 d – 6 a, vorausgesetzt, T-Wellen sind anderswo normal, z.B. in V6
    • qR-Muster in V1, also kleine Q-Welle & große R-Welle (hochspezifisch)
  • Zeichen für linksventrikuläre Hypertrophie
    • Abweichung der linken Achse (- 30° bis – 90°; CAVE: alteraabhängig)
    • hohe R-Welle in V5 & V6 (altersabhängig)
    • tiefe S-Welle in V4R & V1 (altersabhängig)
    • abnormales R/S-Verhältnis, z.B. verringertes R/S-Verhältnis in V1 – V2 (alteraabhängig)
    • abnormale T-Wellen in I & aVL
    • abnormale Q-Wellen in V5 & V6
  • Zeichen für biventrikuläre Hypertrophie
    • positive Spannungskriterien für rechts-/linksventrikuläre Hypertrophie (+ normale QRS-Dauer)
    • große äquiphasische QRS-Komplexe in 2 oder mehr Extremitätenableitungen und in mittleren Brustwandableitungen (V2-5)

weitere pathologische EKG-Zeichen

Wolff-Parkinson-White-Syndrom

  • kurzes, altersabhängiges PR-Intervall
  • Deltawelle (kleine positive Welle vor QRS-Komplex), am besten in V2 – V6 sichtbar
  • breiter QRS-Komplex

Perikarditis

  • Stadium 1: weit verbreitete ST-Hebung und PR-Senkung mit reziproken aVR-Veränderungen (erste zwei Wochen)
  • Stufe 2: Normalisierung der ST-Veränderungen; generalisierte Abflachung der T-Welle (1 – 3 Wochen)
  • Stadium 3: Invertierung abgeflachter T-Wellen (≥ 3 Wochen)
  • Stadium 4: Normalisierung des EKGs (nach einigen Wochen)

Myokarditis

  • erhöhtes PR-Intervall
  • verminderte T-Wellen-Amplitude
  • verlängertes QT-Intervall
  • verminderte QRS-Amplitude

Synkope

  • verlängertes QT-Intervall
  • breitkomplexige Tachykardie
  • hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (pathologische Q-Wellen)

Hyperkaliämie

  • verbreiterte/abgeflachte P-Welle
  • PR-Verlängerung
  • QRS-Verlängerung
  • spitzenförmige T-Wellen
  • Bradyarrhythmien (Sinusbradykardie, hochgradiger AV-Block mit langsamen junktionalen und ventrikulären Ersatzrhythmen, langsames Vorhofflimmern)
  • Schenkelblock/faszikulären Block
  • schwere Hyperkaliämie
    • Sinuswellen-Entwicklung (präterminaler Rhythmus)
    • Kammerflimmern
    • pulslose elektrische Aktivität
    • Asystolie

Hypokaliämie

  • abgeflachte oder invertierte T-Wellen
  • ST-Strecken-Senkung
  • PR-Verlängerung
  • ggf. Torsades de pointes

Hyperkalzämie

  • verkürztes QT-Intervalls

Hypokalzämie

  • verlängertes QT-Intervall
  • selten Rhythmusstörungen (Berichte über Vorhofflimmern)
  • ggf. Torsades de pointes

altersbezogene EKG-Daten

HIER findet Ihr alle altersbezogenes EKG-Daten (Intervalle, Breiten etc.)!

Published inLeitlinien kompakt

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