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Leitlinie „Halsschmerzen“ der DEGAM

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Datum der Veröffentlichung: 31.10.2020
Ablaufdatum: 30.10.2025
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-010.html

Ursachen

  • es kommen sowohl infektiologische als auch nicht-infektiologische Ursachen in Betracht
  • häufigste Ursache: Infektionen des Pharynx
  • häufigste, infektiologisch bedingte Ursache des Halsschmerzes sind (altersunabhängig) selbst-limitierende virale Infektionen des Pharynx
  • nicht-infektiologische Ursachen
    • physikalisch-chemischen Faktoren wie z. B. Zigarettenrauchinhalation, Schnarchen, eine stattgehabte tracheale Intubation, eine Fehl- und Überbelastung der Stimme und auch begleitende Krankheiten sowie Medikamentennebenwirkungen

relevante Differentialdiagnosen

Gruppe A-Streptokokken – Pharyngitis oder Tonsillopharyngitis

  • häufigste isolierbare bakterielle Erreger der akuten Tonsillitis, der akuten Pharyngitis und der akuten Tonsillopharyngitis bei Kindern sowie Erwachsenen
  • mittlere Inkubationszeit von zwei bis vier Tagen
  • klassische klinische Zeichen mit plötzlich einsetzenden Beschwerden wie Halsschmerzen, Schmerzen beim Schlucken, Fieber und Kopfschmerzen
  • bei Kindern vor allem schweres Krankheitsgefühl mit Kopf- und Bauchschmerzen, sowie Übelkeit und Erbrechen; Schwellung der Uvula, Petechien des harten Gaumens, impetiginöse krustige Läsionen der Nasenlöcher und ein feinfleckiges (sog. Scarlatiniformes Exanthem)
  • Erythem des Pharynx und der Tonsillen, ggf. mit Tonsillenexsudaten
  • ggf. zusätzlich palpatorisch zervikale Lymphadenitis, besonders der anterioren zervikalen Lymphknoten
  • Fieber klingt in der Regel innerhalb von drei bis fünf Tagen ab
  • zusätzliche klinische Befunde, wie eine Konjunktivitis, Rhinitis, Husten, Heiserkeit und spezifischere Befunde, wie eine anteriore Stomatitis sowie orale ulzerative Läsionen und ein begleitendes unspezifisches Exanthem möglich

Scharlach

  • akute durch beta-hämolysierende Streptokokken verursachte Infektionskrankheit, vor allem bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 15 Jahren
  • exsudative Tonsillopharyngitis mit starken Schluckbeschwerden, hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl plus tiefrotes Enanthem der Rachenschleimhäute und die sog. Himbeerzunge
  • selten auch ohne Tonsillitis
  • nach einer Inkubationszeit von ca. ein bis zwei Tagen kommt es zu einem abrupten hochfieberhaften Erkrankungsbeginn, der mit Übelkeit, Kopf- und Bauchschmerzen einhergehen kann

Epiglottitis

  • fulminante, akut-lebensbedrohliche, bakterielle Entzündung des Kehldeckels und der supraglottischen Strukturen mit der Gefahr einer abrupten, kompletten Atemwegsverlegung
  • meist ausgelöst durch Haemophilus influenzae Typ b (vor allem bei Kindern)
  • sofortige KH-Einweisung mit Notarztbegleitung und strenges intensivmedizinisches Management bei Kindern
  • Kinder nicht gegen ihren Willen in Rückenlage bringen
    • moderates Vorgehen bei Erwachsenen
  • bei Kindern dramatisches Bild mit Atemnot, Stridor und der typischen Sitzhaltung (tripod position)
  • bei erwachsenen Patienten hauptsächlich Hals- und Schluckschmerzen sowie Schluckbeschwerden; ggf. vermehrter Speichelfluss, kloßige Sprache, Atemnot, Fieber, AZ-Verschlechterung, Angst, Unruhe

infektiöse Mononukleose

  • Pharyngitiden bedingt durch infektiöse Mononukleose
  • Trias aus Halsschmerzen, Fieber und Lymphadenopathie
  • zusätzlich kloßige, häufig auch nasale Sprache, ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit, Husten und Exanthem; ggf. Schluckstörung durch vergrößerte Tonsillen mit Exsudat oder sogar Atemwegsverlegung
  • geschwollene Lymphknoten in 80-90 % der Fälle
  • Erreger: Epstein-Barr-Virus (EBV)

Kawasaki-Syndrom

  • akute, fieberhafte, selbstlimitierende Vaskulitis unklarer Ätiologie
  • kann sich als fieberhafte Pharyngitis ohne Exsudat manifestieren
  • hyperämischer Rachen und (Antibiotikatherapieresistentes) Fieber, gerötete oder einreißende Lippen, eine Himbeerzunge, eine zervikale Lymphadenopathie, beidseitige konjunktivale Injektionen, ein Exanthem sowie Ödeme und Erytheme der Hände und Füße mit späterer periungualer Hautschuppung

Diphtherie

  • Infektionen durch Corynebacterium diphtheriae
  • heute sehr selten Dank Diphtherie-Impfung
  • süßlicher Foetor ex ore, gräuliche pseudomembranöse, „spinnennetzartige Beläge, die fest an Tonsillen und Pharynxwand haften
  • bei klinischer Verdachtsdiagnose einer Rachen- oder Kehlkopf-Diphtherie muss sofort spezifische Therapie mit Antitoxin und parallel eine unterstützende Antibiotikagabe

Begleitsymptomatik

Symptome/Anamnese, die eine bakterielle Genese wahrscheinlicher machen

  • – plötzlicher Beginn der Halsschmerzen
  • 5. – 15. Lebensjahr
  • Fieber
  • Scharlach-artiger Ausschlag
  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
  • tonsillopharyngeale Entzündung
  • fleckige tonsillopharyngeale Exsudate
  • Petechien am Gaumen
  • anteriore zervikale Lymphknotenschwellung
  • Auftreten im Winter und Frühling
  • mehrmalige Streptokokkeninfektionen in der Anamnese

Symptome/Anamnese, die eine virale Genese wahrscheinlicher machen

  • Konjunktivitis
  • Rhinitis
  • Husten
  • Diarrhoe
  • Heiserkeit
  • diskrete ulzerative Stomatitis
  • Exanthem

diagnostisches Vorgehen

Centor-Score (Score zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer
durch GAS-Streptokokken verursachten Tonsillopharyngitis)

Fieber in der Anamnese (> 38 °C) = 1 Punkt
Fehlen von Husten = 1 Punkt
geschwollene vordere Halslymphknoten = 1 Punkt
Tonsillenexsudat = 1 Punkt

4 Punkte = ca. 50 bis 60 %
3 Punkte = ca. 30 bis 35 %
2 Punkte = ca. 15 %
1 Punkte = ca. 6 bis 7 %
0 Punkte = ca. 2,5 %

McIsaac-Score (modifizierter Centor-Score zur Anwendung bei Kindern ab 3 Jahren)

Fieber in der Anamnese (> 38 °C) = 1 Punkt
Fehlen von Husten = 1 Punkt
schmerzhafte vordere Halslymphknoten = 1 Punkt
Tonsillenschwellung/Tonsillenexsudat = 1 Punkt
Alter < 15 Jahre / Alter > 45 Jahre = 1 Punkt / – 1 Punkt

4 Punkte = ca. 50 %
3 Punkte = ca. 30 %
2 Punkte = ca. 17 %
1 Punkte = ca. 10 %
0 Punkte = ca. 1 %

Therapie

  • Kortikosteroide sollen nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen genutzt werden
Published inLeitlinien kompakt

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