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Leitlinie „Management of Headache“ des VA/DoD

veröffentlichende Fachgesellschaft: Department of Veterans Affairs – Department of Defense (VA/DoD)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 04.08.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.healthquality.va.gov/guidelines/MH/scz/index.asp

Grundsätzliches

  • Kopfschmerzen werden grob in primäre Kopfschmerzerkrankungen und sekundäre Kopfschmerzerkrankungen eingeteilt
  • weltweit sind Spannungskopfschmerz, Migräne und Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch die häufigsten Kopfschmerzerkrankungen
  • Lebenszeitprävalenz von Kopfschmerzerkrankungen liegt bei 66 %
  • 50 % der Menschen mit Kopfschmerz in der Anamnese leiden aktiv unter Kopfschmerzen
  • Kopfschmerzen sind in allen Altersgruppen die zweithäufigste Ursache für Behinderungen
  • auf Kopfschmerzen ist mehr Verlust gesunder Lebensjahre (DALY) zurückzuführen als auf alle anderen neurologischen Erkrankungen zusammen
  • bei Personen im Alter von 25 bis 49 Jahren war Kopfschmerz die siebthäufigste Erkrankung
  • 10 % der Kopfschmerzpatient*innen geben an, jede Woche mehrmals Kopfschmerzen zu haben, und 3 % geben an, täglich Kopfschmerzen zu haben

Einteilung

primäre Kopfschmerzerkrankungen

primäre Kopfschmerzerkrankungen sind idiopathische, wiederkehrende und stereotype Kopfschmerzen, denen keine sekundäre Ursache zugrunde liegt

KriteriumSpannungskopfschmerzMigräneCluster-Kopfschmerz
Dauer30 min bis 7 d4 – 72 h15 – 180 min
Häufigkeitschwankendschwankend1 – 8x pro Tag
(oft zur gleichen Tageszeit)
Schweremild bis moderatmoderat bis schwerschwer bis sehr schwer
Lokalisationbilateralunilateralunilateral orbital, supraorbital, temporal oder Kombination
Qualitätdrückend oder ziehend, nicht pulsierendpochend oder pulsierendstechend, bohrend
Verschlimmerung bei körperlicher Betätigungneinjaverursacht ggf. Gefühl der Agitation oder Unruhe
Photophobie &
Phonophobie
ggf. beides möglichbeidesunterschiedlich
Übelkeit und/oder Erbrechenweder nochmin. eines der Symptomeggf. vorhanden
autonome Symptome (z.B. Rhinorrhoe, Miosis, periorbitale Ödeme, Ptosis, Tränenfluss) neinggf. vorhanden, aber oft subtil und nicht direkt spürbarausgeprägte autonome Merkmale ipsilateral zum Schmerz

sekundäre Kopfschmerzerkrankungen

  • Kopfschmerzen, welche auf andere Ursache zurückzuführen sind, wie z.B. Trauma, cerebrale Gefäßanomalien, Substanzmissbrauch-/entzug, Infektionen, Homöostasestörung, sonstige anatomische Anomalien, psychiatrische Erkrankung
  • Unterscheidung in
    • zervikogener Kopfschmerz (ausgelöst durch Störung der Bandscheiben, Muskulatur und Weichteile im Hals; i.d.R. zusammen mit Nackenschmerz)
    • posttraumatischer Kopfschmerz (durch Verletzung, v.a. von Kopf und/oder Hirn; z.B. SHT, ICB, Schleudertrauma etc.)
      • Kopfschmerz muss innerhalb von 7 d nach Verletzung auftreten bzw. 7 Tage nach Absetzen von ggf. maskierenden Medikamenten
      • gemäß ICHD-3 zählen auch akute und persistierende Kopfschmerzen mit „verzögertem Beginn“ dazu, die bis zu 3 Monate nach Verletzung auftreten, sofern Zusammenhang zu Kopfverletzung klar belegbar ist
    • Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch (MOH)
      • früher auch Kopfschmerz bei Medikamentenmissbrauch, Rebound-Kopfschmerz oder medikamenteninduzierter Kopfschmerz
      • sehr häufige Kopfschmerzform in der Primär-/Spezialversorgung als Folge der übermäßigen Einnahme von (nicht-)verschreibungspflichtigen Kopfschmerzmedikamenten auftritt
      • Patient*innen nehmen bei Bedarf an den meisten Tagen des Monats und sogar mehrmals täglich innerhalb eines Monats Kopfschmerzmedikamente ein, ohne sich der möglichen negativen Folgen bewusst zu sein
      • Kopfschmerzen treten an ≥ 15 im Monat bei Patient*innen mit Kopfschmerzdiagnose auf, die ein/mehrere akute Kopfschmerzmedikamente über mehr als 3 Monate hinweg einnehmen
      • Richtwerte: Opioide an ≥ 8 Tagen/Monat über 3 Monate; Triptane an ≥ 10 Tagen/Monat über 3 Monate; ASS/NSAR/Paracetamol/Steroide an ≥ 15 Tagen/Monat über 3 Monate

Anamnese

  • Häufigkeit und Charakter
  • Beginn, Prodromi/Aura
  • Ort und Dauer
  • erleichternde/verschlimmernde Faktoren (z.B. Verschlimmerung bei körperlicher Betätigung)
  • assoziierte und autonome Symptome sowie Kiefer-/Nackenschmerzen/-verspannung
  • visuelle Probleme/Defizite und Fremdkörpergefühl im Auge
  • Schwindel sowie Übelkeit und/oder Erbrechen
  • aktuelle Medikation (Dosierung etc.) und frühere medikamentöse Versuche sowie Risikofaktoren für MOH
  • Diät und Ernährung, Flüssigkeitszufuhr
  • Alkohol-, Nikotin & Koffeinkonsum sowie Konsum anderer Stimulanzien
  • Schlaf und körperliche Betätigung
  • Kopf- und/oder Hals-Trauma in der Vorgeschichte
  • weitere Komorbiditäten (v.a. auch psychiatrische Erkrankungen)
  • Menstruationszyklus und Menopause

Red Flags

  • systemische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Myalgien, Nachtschweiß, Gewichtsverlust oder -zunahme, Infektionen, Riesenzellarteriitis, Schwangerschaft oder Wochenbett sowie Immunsuppresion
  • neurologische Symptome wie Verwirrung, Vigilanzminderung/Bewusstseinsstörungen, Verhaltens-/Persönlichkeitsveränderungen, Diplopie, pulsierender Tinnitus, fokale neurologische Defizite, Meningismus, Krampfanfälle, Ptosis, Proptosis sowie Schmerzen bei Augenbewegungen
  • Beginn/Einsetzen der Schmerzen (abrupt oder „Donnerschlag“ in Form erster, schwerer oder „schlimmster Kopfschmerzen im Leben“
  • Alter ≥ 50 Jahre
  • Progression/Veränderung des Kopfschmerzmusters (Häufigkeit, Schweregrad, Klinik)
  • Valsalva-Manöver als Auslöser (z.B. Husten, Bücken)
  • Verschlimmerung durch Bewegung oder Anstrengung
  • Papillenödem

Diagnostik

  • Monitoring (RR, HF, SpO2, EKG, GCS, Temperatur, Pupillenkontrolle etc.)
  • allgemeine neurologische Untersuchung (Reflexe, Gefühl, Kraft, Untersuchung der oberen Motoneuronen)
  • Hirnnervenuntersuchung (inkl. funduskopische Untersuchung)
  • Untersuchung der HWS und umgebender Muskulatur (Palpation, Bewegungsumfang, Spurling-Test)
  • Untersuchung des Kiefergelenk (Palpation, Bewegungsumfang, Symmetrie, Schmerzen)
  • Palpation der perikranialen Muskeln
  • Palpation der Schläfenarterie (z.B. fehlender Puls)
  • bei V.a. auf SHT Ausschluss von Liquorleck sowie Epidural-, Subdural-, Subarachnoidal- und intraparenchymaler Blutung

Therapie

  • keine ausreichenden Beweise für Empfehlung für/gegen Antiemetika i.v. (Chlorpromazin, MCP, Prochlorperazin), Magnesium i.v. oder Lidocain i.n. für die Behandlung akuter Kopfschmerzen
  • Akuttherapie Migräne
    • Eletriptan, Frovatriptan, Rizatriptan, Sumatriptan (oral/s.c.) zur akuten Migräne-Therapie
    • Aspirin/Paracetamol/Koffein als Kombi-Präparat zur akuten Migräne-Therapie
    • Paracetamol, Aspirin, Ibuprofen oder Naproxen zur akuten Migräne-Therapie
    • Rimegepant oder Ubrogepant zur akuten Migräne-Therapie
    • keine ausreichenden Beweise für Empfehlung für/gegen Lasmiditan zur akuten Migräne-Therapie
    • Blockade des Nervus occipitalis major für akute Behandlung der Migräne in Betracht ziehen
    • keine ausreichenden Beweise für Empfehlung für/gegen supra-orbitale Nervenblockade zur akuten Migräne-Therapie
  • Akuttherapie Spannungskopfschmerz
    • 400 mg Ibuprofen oder 1.000 mg Paracetamol zur akuten Spannungskopfschmerz-Therapie
  • Akuttherapie Cluster-Kopfschmerz
    • 6 mg Sumatriptan s.c. oder 10 mg Zolmitriptan i.n. zur akuten Cluster-Kopfschmerz-Therapie
    • Gabe von normobaren Sauerstoff zur akuten Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes
Published inLeitlinien kompakt

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