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Leitlinie „Management of Bipolar Disorder“ des VA/DoD

veröffentlichende Fachgesellschaft: Department of Veterans Affairs – Department of Defense (VA/DoD)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 04.08.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.healthquality.va.gov/guidelines/MH/scz/index.asp

Grundsätzliches

  • Unterscheidung in bipolare Störung Typ 1, bipolare Störung Typ 2 und Zyklothymie
  • weltweit mehr als 40 Millionen Menschen betroffen
  • Lebenszeitprävalenz von etwa 1 % bei Erwachsenen in den USA (variiert stark je nach Stichprobe oder geografischen Gegebenheiten)
  • klinische Schätzungen für bipolare Spektrumsstörungen reichen bis zu 2,4 % weltweit
  • Exposition ggü. Traumata in der Kindheit und belastenden Lebensereignissen wird mit erhöhter Erkrankungswahrscheinlichkeit in Verbindung gebracht
  • vermehrte Hinweise auf Korrelation von Erkrankungswahrscheinlichkeit und Konsum von z.B. Kokain, Cannabis, Opioiden, Stimulanzien und Sedativa/Beruhigungsmitteln
  • zusätzlich wahrscheinliche genetische Korrelationen zwischen Störungen des Alkoholkonsums und bipolarer Störung
  • außerdem werden psychiatrischen Erkrankungen (Panik-, Angststörung, Suizidalität und schnell wechselnde Stimmungslagen) und bipolare Störung in Verbindung gebracht
  • somatische Erkrankungen wie Asthma, Migräne, MS, SHT & Reizdarmsyndrom und bipolare Störung werden ebenfalls in Verbindung gebracht

Symptomatik/Diagnosekriterien

  • Schwankungen der Stimmung, des Denkens, der Energie, des (sozialen) Verhaltens
  • Manie ist gemäß DSM-5 Kombination aus
    • erhöhte, expansive oder reizbare Stimmung
    • psychomotorischer Unruhe
    • vermindertes Schlafbedürfnis
    • gesteigerte Aktivität
    • übersteigertes Selbstwertgefühl
    • schnelles, gedrängtes Sprechen
    • rasende Gedanken
    • hohe Ablenkbarkeit
    • riskantes Verhalten (rücksichtsloses Geldausgeben oder sexuelle Ausschweifungen)
  • Hypomanie sind effektiv die gleichen Symptome in anderer Ausprägung, welche nicht mit dem gleichen Ausmaß an negativen Folgen verbunden ist, bzw. Episoden, die vier Tage oder länger dauert, aber kürzer als 7 Tage ist
  • Symptome müssen die meiste Zeit des Tages bzw. fast jeden Tag, mindestens 7 Tage lang anhalten und zu erheblichen Beeinträchtigungen oder negativen Folgen führen (z.B. KH-Aufenthalt, Festnahme, psychotische Züge, fremdschädigendes Verhalten, Verlust Arbeitsplatz oder wichtiger Beziehungen)
  • Diagnosestellung
    • Diagnosestellung einer bipolaren Störung 1 erfordert min. eine manische Episode mit/ohne Depression in der Vorgeschichte
    • Diagnosestellung einer bipolaren Störung 2 erfordert min. eine hypomanische Episode und mindestens eine depressive Episode ohne Manie in der Vorgeschichte
    • Diagnosestellung der Zyklothymie erfolgt bei Patient*innen, die über einen Zeitraum von 2 Jahren oder mehr häufige Stimmungsschwankungen erleben, aber nicht die Kriterien für die bipolare Störung Typ 1/2 oder eine vollständige hypomanische oder schwere depressive Episode erfüllen
    • Zusatzdiagnose „Rapid Cycling“ bei vier oder mehr Episoden (Depression, Manie oder Hypomanie) pro Jahr
  • viele Episoden (nicht nur Manie, sondern auch Hypomanie und Depression) können jedoch deutlich länger als eine Woche andauern
  • klinische Erscheinungsbild einer schweren depressiven Episode im Rahmen einer bipolaren Erkrankung unterscheidet sich nicht zuverlässig von einer schweren depressiven Episode im Rahmen einer schweren depressiven Erkrankung (unipolare Depression), kann also nicht als Diagnoskriterium herangezogen werden

Anamnese

  • Familienanamnese (v.a. Verwandte ersten Grades mit bipolarer Störung)
  • Anzeichen von Manie, Hypomanie oder beidem oder von Reizbarkeit, Unruhe oder beidem nach Beginn der Einnahme von Antidepressiva
  • ausgedehnte Perioden mit hoher Energie bei wenig oder gar keinem Schlaf
  • atypische Depression, wie bleierne Lähmung, psychomotorische Retardierung
  • andere Manie- oder Hypomanie-Symptome
  • schwerer anfänglicher Beginn der Depression, Beginn der Depression in jungem Alter (≤ 25 Jahre) oder mehrere frühere depressive Episoden (≥ 5)
  • Komorbidität wie Angstzuständen, Substanzkonsum, Depression mit psychotischen Zügen
  • behandlungsresistente Depression
  • Schlafstörungen
  • Risikofaktoren bzgl. Suizidalität (aktuelle oder frühere psychiatrische Behandlungen/Erkrankung, kürzlich aufgetretene bio-psycho-soziale Stressfaktoren, Verfügbarkeit von Suizidwerkzeugen, demografische Faktoren)
  • aktuelle Medikation, v.a. Psychopharmaka

Diagnostik

  • Beurteilung der Gefahr einer Selbst- oder Fremdgefährdung (ggf. Zwangsmaßnahmen)
  • Nutzung von Screening-Tools wie PHQ-9, C-SSRS oder CAMS für die Suizidalitätseinschätzung
  • allgemeine medizinisch-körperliche, v.a. neurologische, Untersuchung
  • Blutentnahme und Labor sowie Urin-Test bzgl. Drogen
  • Monitoring, sofern möglich (RR, HF, SpO2, BZ, EKG, Pupillenkontrolle etc.)

Therapie

  • Gabe von Lithium oder Quetiapin als Monotherapie bei akuter Manie
  • sofern Gabe von Lithium oder Quetiapin nicht möglich, Gabe von Olanzapin, Paliperidon oder Risperidon als Monotherapie bei akuter Manie
  • sofern Gabe von Lithium, Quetiapin, Olanzapin, Paliperidon oder Risperidon nicht möglich, Gabe von Aripiprazol, Asenapin, Carbamazepin, Cariprazin, Haloperidol, Valproat oder Ziprasidon als Monotherapie bei akuter Manie
  • Gabe von Lithium oder Valproat in Kombination mit Haloperidol, Asenapin, Quetiapin, Olanzapin oder Risperidon bei akuter Manie, wenn Monotherapie nicht zufriedenstellend oder es zum erneuten Symptomdurchbruch kommt
  • keine Gabe von Brexpiprazol, Topiramat oder Lamotrigin als Monotherapie bei akuter Manie
  • keine zusätzliche Gabe von Aripiprazol, Paliperidon oder Ziprasidon nach unbefriedigendem Ansprechen auf eine Lithium- oder Valproat-Monotherapie bei akuter Manie
  • keine ausreichenden Beweise für Empfehlung für/gegen andere Antipsychotika der 1. oder 2. Generation, Gabapentin, Oxcarbazepin oder Benzodiazepine als Monotherapie oder in Kombination bei akuter Manie
  • bei schwangeren Betroffenen Einsatz von Lithium in der niedrigsten wirksamen Dosis
  • bei bipolarer Störung Typ 1 mit akuten schweren manischen Symptomen Elektrokrampftherapie in Kombination mit Pharmakotherapie, wenn schnelle Symptomkontrolle erforderlich ist
MedikamentDosierung (Indikation)max. Tagesdosis
Aripiprazol5 mg (akute Manie)max. 30 mg/d
Carbamazepin100 – 400 mg/d in 2 – 4 Dosen (akute Manie)max. 1,6 g/d
Haloperidol2 – 15 mg/d in 1 – 2 geteilten Dosen (akute Manie)max. 20 mg/d
Lithium600 – 900 mg in 2 – 3 geteilten Dosen (akute Manie), dann Umstellung auf tgl. einmal vor dem Schlafenmax. 1800 mg/d
Olanzapin5 – 15 mg einmal tgl. (akute Manie)max. 20 mg/d
Quetiapin550 mg zweimal tgl. (Tablette), 300 mg einmal tgl. (akute Manie)max. 800 mg/d
Risperidon1 – 3 mg/einmal tgl. oder in 2 geteilten Dosen (akute Manie)max . 6 mg/d
Published inLeitlinien kompakt

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