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Leitlinie „Notfallpsychiatrie“ der DGPPN

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 13.04.2019
Ablaufdatum: 12.04.2024
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-023.html

absolute Notfallindikationen

  • erfolgter Suizidversuch
  • konkrete Suizidpläne/-vorbereitungen
  • hochgradiger Erregungszustand
  • Aggressivität/Gewalttätigkeit im Rahmen psychischer Erkrankung
  • konkrete Fremdtötungsabsicht im Rahmen psychischer Erkrankung
  • schwere Intoxikation
  • Delir

relative Notfallindikationen

  • Verwirrtheit
  • Entzugssyndrome ohne Delir
  • Suizidgedanke ohne konkrete Pläne
  • Angst und Panik
  • akute Belastungsreaktion

notfallpsychiatrisch relevante Syndrome und Störungen

Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheitszustände

  • Unterscheidung in
    • quantitative Bewusstseinsstörungen
      • alle Abstufungen von leichter Benommenheit bis zu voller Bewusstlosigkeit
      • übliche Abstufungen: wach, benommen, somnolent, soporös, komatös
    • qualitative Bewusstseinsstörungen
      • Bewusstseinstrübung
      • Bewusstseinseinengung
      • Bewusstseinsverschiebung
      • Bewusstseinserweiterung
    • einfacher Verwirrtheitszustand
      • gekennzeichnet durch assoziativ gelockertes, z.T. verwirrt wirkendes Denken und Sprechen
      • häufig unscharf orientiert
      • Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen
      • Kritik- und Urteilsfähigkeit vermindert
      • Affektlage labil, manchmal auch Affektinkontinenz
      • abzugrenzen sind Delir, Dämmerzustand und amnestisches Syndrom
    • Orientierungsstörungen
      • orientiert zu Zeit, Ort, Person und Situation
  • Ursachen
    • Störungen Hirndurchblutung (Schlaganfälle, Blutungen)
    • Hirndruckerhöhung
    • Schädel-Hirn-Trauma
    • cerebrale Krampfanfälle
    • degenerative Hirnerkrankungen (z.B. Alzheimer Demenz)
    • tumorbedingte Hirnschädigung durch Verdrängung oder Infiltration
    • kardiale Funktionsstörungen (Synkopen, Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand)
    • Entzündungen, lokal (z.B. Meningoenzephalitis) und systemisch (z.B. im Rahmen einer Sepsis)
    • Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts
    • metabolische Störungen (z. B. Hypo- oder Hyperglykämie, Nieren- und Leberfunktionsstörungen)
    • Operationen und diagnostische Eingriffe
    • Intoxikationen durch Drogen und Medikamente
    • Entzug von psychotropen Stoffen
    • indizierte medikamentöse Therapie in adäquater Dosierung
    • Störungen als Folge von Belastungen und Traumatisierung
    • dissoziative Störungen

Delir

  • schwere, unspezifische, meist akute, organische psychische Reaktionsform
  • kann sich innerhalb kürzester Zeit entwickeln, kann auch langsamer über Tage entstehen
  • in der Regel vorübergehend und reversibel
  • Symptome
    • Störung von Bewusstsein und Aufmerksamkeit
    • Störung des Denkens, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses
    • Störung von Emotionalität, Psychomotorik und des Schlaf-Wach-Rhythmus
    • Orientierungsstörungen
  • Ursachen
    • chronische Erkrankungen wie Demenz
    • Suchterkrankungen
    • Operationen
    • Fieber
    • medikamentöse Ursachen
  • Sonderform „Delirium tremens“
    • tritt bei Alkoholentzug auf

psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

  • Intoxikation/Rausch
    • Zustand, der in einem direkten Zusammenhang mit akuter pharmakologischer Wirkungen der eingenommenen Substanz steht, in der Regel vorübergehend ist und bis zur vollständigen Wiederherstellung mit der Zeit abnimmt
    • Beeinträchtigung von Bewusstsein, kognitiven Fähigkeiten, Wahrnehmung, Affekt und Verhalten oder anderen psychophysiologischen Funktionen und Reaktionen
    • Komplikationen wie Trauma, Aspiration, Delir, Koma, Krampfanfälle oder eine Enzephalopathie
    • Anamnese hinsichtlich
      • Mischintoxikation (unklare Toxidrome, mehrgipflige Verläufe)
      • Symptomschwere beeinflussender Faktoren (regelmäßiger Substanzkonsum –> Toleranzentwicklung; zwischenzeitliche Abstinenz –> Verstärkung von Intoxikationszeichen auch bei geringerer Dosierung)
      • neuer Substanzen (Badesalze, Spices, Flakka)
      • Konzentration oder „Reinheit“ der eingenommenen Substanz (variiert ggf. stark)
      • Applikationsweg (Slimming, Eye-Balling); führen zu anderen Verläufen und Komplikationen
      • zeitlichem Verlauf
      • Umgebungsfaktoren
      • Verlust der Schutzreflexe
  • Entzug
    • Symptomatik
      • variable Symptome in unterschiedlichen Ausprägungsgraden
      • Symptome in Beginn und Verlauf zeitlich begrenzt und sind abhängig von Substanz und Dosis
    • Entzüge in der Regel subjektiv sehr unangenehm, aber keine medizinischen Notfälle; werden zu Notfällen durch die Komplikationen wie Krampfanfall oder Delir
  • Missbrauch und Abhängigkeit
    • selbst keine Notfallsituationen; bergen aber erhöhtes Risiko für Notfallsituationen (z.B. Suizidalität, psychotische Störungen wie Alkoholhalluzinose und amnestische Störungen wie Wernicke-Korsakow-Syndrom)
      • Alkoholhalluzinose gekennzeichnet durch akustische Halluzinationen, Angst und ggf. Verfolgungswahn bei fehlenden Bewusstseins- und Orientierungsstörungen
      • Wernicke-Enzephalopathie bedingt durch Malnutrition(v.a. Thiaminmangel) mit Symptomtrias aus Ophthalmoplegie, Ataxie und Bewusstseinsstörung, zusätzlich Hypothermie, Hypotension, Tachykardie, Hyperhidrosis
      • Korsakow-Syndrom mit weitgehendem Verlust des Altzeitgedächtnis, schwererer Merkfähigkeitsstörung, verminderter Auffassungsgabe, Konzentrations- und Antriebsstörung, Unfähigkeit neue Gedächtnisinhalte zu speichern sowie Sprach- und Artikulationsstörung
  • auf den Seiten 47 bis 51 der Leitlinie finden sich Aufstellungen der Symptomatik bedingt durch verschiedene Substanz wie Opiate, Cannabinoide, Kokain, Stimulanzien, Halluzinogene und Inhalanzien

Angstsyndrome

  • zunächst keine vital bedrohliche Störung und im engen Sinn daher keine Notfallsituation
  • Gefühl lebensbedrohlich erkrankt zu sein, was als Notfall zu verstehen ist und damit Definition europäischer Fachgesellschaften erfüllt
  • Affektzustand, der durch die Wahrnehmung von Gefahr oder Bedrohung in Umwelt oder im Individuum ausgelöst wird
  • Unterscheidung in „normale“ und „pathologische“ Angst
    • pathologische Angst: charakterisiert durch eine der Situation unangemessene und überdauernde Angstreaktion, für die Patienten keine Möglichkeit der Erklärung, Reduktion und Bewältigung hat und zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führt
  • Phobie („gerichtete Angst“): irrationale Furcht vor bestimmten Objekten, Situationen und Orten mit Vermeidungsverhalten
  • frei flottierende Angst: Ängste treten ohne äußeren Anlass, ohne eine Belastungssituation und ohne einen Stimulus auf
  • Panik
    • abrupt beginnende Episoden intensiver Angst, die innerhalb von 5 bis 10
      min Maximum erreichen und 10 – 20 Minuten dauern („Panikattacke“).
    • körperliche Symptome wie Tachykardie, Hypertonie, Tremor, Hyperhidrosis, Atemnot, Gefühl der Enge in der Brust, Schwindel, Übelkeit,
      Erbrechen
    • Überzeugung zu sterben oder verrückt zu werden, oft auch ein Derealisations- und Depersonalisationserleben
    • oft mit Agoraphobie verbunden – der Angst, eine Panikattacke in Gegenwart anderer Menschen und in Situationen, in denen der Patient nicht entfliehen
      kann oder in denen er keine Hilfe erhalten kann, zu erleiden

Erregungszustände

  • auch Agitation, Agitiertheit oder Unruhezustände genannt
  • Symptomatik
    • innere Gespanntheit und innere Unruhe
    • ängstlich-misstrauische Grundstimmung
    • Steigerung des Antriebes und der Psychomotorik
    • Hypertonie, Tachykardie, Schwitzen
    • ggf. reduziertes Schmerzempfinden
    • verminderte Impulskontrolle
    • Störungen der Wahrnehmung
    • reduzierte Aufmerksamkeit
    • Verhaftetsein in eigenen Vorstellungen
    • verminderte kognitive Flexibilität
    • reduzierte oder fluktuierende Fähigkeit zur Compliance
  • Phasen von Erregungszuständen
    • Phase der Gespanntheit oder Prodromalphase
    • Phase verbaler Aggression
    • Phase motorischer Aggression
    • Erregungssturm
  • Ursachen
    • fast jede psychiatrische Erkrankung, v.a. schizophrene Psychosen, Manien, Panikattacken, Traumafolgestörungen und Persönlichkeitsstörungen
    • Intoxikationen mit Alkohol oder Drogen
    • Entzug psychotroper Substanzen, mit oder ohne Delir
    • neuropsychiatrische Erkrankungen (Demenzen oder Intelligenzminderung)
    • neurologische Erkrankungen (Tumore, Enzephalitis, Epilepsien, Schlaganfälle
      und Schädel-Hirn Trauma, Chorea Huntington)
    • internistische Erkrankungen (Hyperthyreose, Störungen des Glukosestoffwechsels, akutes Koronarsyndrom, Autoimmunerkrankungen)
    • pharmakologisch bedingt (z.B. anticholinerg wirksame Psychopharmaka, Kortikosteroide, Antibiotika und Antihypertensiva)

Suizidalität

  • Suizidalität: Summe aller Denk- und Verhaltensweisen eines Menschen oder auch von Gruppen von Menschen, die in Gedanken, durch aktives Handeln, Handeln lassen oder passives Unterlassen den eigenen Tod anstreben bzw. in Kauf nehmen
  • Suizid: suizidale Handlung mit letalem Ausgang
  • Suizidversuch: jede Handlung mit nichttödlichem Ausgang, bei der das Individuum entweder gezielt ein nicht habituelles Verhalten zeigt, das zum Ziel hat, durch die aktuellen oder erwarteten Konsequenzen Veränderungen zu bewirken
  • Personengruppen mit erhöhtem Risiko
    • Personen mit mindestens einem Suizidversuch in der Vorgeschichte
    • Menschen mit psychischen Erkrankungen
    • Menschen mit chronischen Schmerzen
    • Menschen mit lang anhaltenden Schlafstörungen
    • alte Menschen
    • vereinsamte und isolierte Menschen, Fehlen mitmenschlicher Kontakte (z. B. bei
      Scheidung, Verwitwung, Entwurzelung)
    • Kinder und Jugendliche aus Broken-home Verhältnissen
    • Menschen in Medizinal- und Helferberufen
  • Ursachen
    • (Langzeit-) Arbeitslosigkeit
    • finanzielle Probleme
    • Zugehörigkeit zu Randgruppen in der Gesellschaft mit besonders hoher Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit
    • Lebensveränderungskrisen (biografische Wendepunkte) und traumatische Krisen (Katastrophen, Schicksalsschläge), die als existenzbedrohend erlebt oder mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins oder eines bevorstehenden Untergangs verbunden sind
    • Gewalttätigkeit in der Familie oder durch Partner
    • feindliches, durch chronische Belastungen und Auseinandersetzungen geprägtes
      Familienmilieu
    • anstehende Strafverfahren

paranoid-halluzinatorische Syndrome

  • beiden Formen der Wahrnehmungsstörung ist fehlender Realitätsbezug gemeinsam
  • Wahn
    • Fehlbeurteilung tatsächlich real existierender Wahrnehmungen oder Ideen
    • Wahnwahrnehmungen oder Wahnideen oft entsprechend der Grunderkrankung thematisch geprägt (z.B. Größenwahn bei Manien, Verarmungs-, Verschuldungs-, Versündigungs- oder hypochondrischer Wahn bei Depressionen, Verfolgungs-, Beziehungs- und Beeinträchtigungswahn bei schizophrenen Psychosen)
  • Halluzinationen
    • Wahrnehmungserlebnisse ohne physikalische Reizquelle auf jedem Sinnesgebiet (akustisch, optisch, gustatorische, olfaktorische, haptische bzw. coenästhetische)
  • Ursachen
    • neuropsychiatrische Erkrankungen (schizophrene Psychosen, Manien, Depressionen, Delirien)
    • Drogenintoxikationen (Cannabis, Halluzinogene, Kokain, Amphetamine)
    • Alkoholfolgeerkrankungen
    • neurologische Erkrankungen (systemdegenerative Erkrankungen, Demenzen, Hirntumore, Schlaganfälle, Meningitiden, Epilepsien)
    • internistische Erkrankungen (zahlreiche metabolisch-hormonelle Erkrankungen wie Hyperthyreose, Hyper- und Hypoglykämie, renale und hepatische Enezephalopathien und Funktionsstörungen der Nebenniere, Hypoxie, Hyperkapnie, hohes Fieber, kardiale Erkrankungen mit begleitender zerebraler Hypoperfusion, Autoimmunerkrankungen mit zerebraler Manifestation)
    • pharmakologische Ursachen

maniforme Syndrome

  • auch Manie oder bipolar-affektive (manisch-depressive) Störung
  • mindestens einwöchige Dauer folgender Symptome:
    • gehobene oder gereizte Stimmung
    • übersteigertes Selbstwertgefühl
    • gesteigerte Betriebsamkeit
    • Rededrang (Logorrhoe)
    • Ideenflucht
    • vermindertes Schlafbedürfnis
    • erhöhte Ablenkbarkeit
    • Aktivitäten mit möglicherweise nachteiligen Konsequenzen

Stupor und Katatonie

  • Stupor
    • keine Bewusstseins- sondern eine Expressions- und Kommunikationsstörung
    • Patienten nehmen Umgebung wahr und hören und verstehen auch, was zu ihnen gesagt wird, sind jedoch nicht in der Lage zu reagieren
    • Zustand fehlender körperlicher Aktivität mit mimischer Ausdruckslosigkeit, Aspontaneität, fehlender Reaktion auf Außenreize (einschließlich Schmerzreize) sowie extreme Antwortlatenzen bis hin zum Mutismus
    • trotz äußerer Bewegungs- und Ausdruckslosigkeit isind Patienten ausgeprägt erregt, beunruhigt, angespannt oder ängstlich (Tachykardien, hypertensiven Krisen oder Hyperhidrosis)
    • Ursachen
      • psychiatrische Erkrankungen (Schizophrenien, Depressionen, dissoziative Störungen, Drogenintoxikationen, akute Belastungsreaktionen, posttraumatische Belastungsstörungen)
      • internistische Erkrankungen (metabolische oder endokrine Entgleisungen)
      • hirnorganische Erkrankungen (Meningitis, Enzephalitis, Schlaganfälle,
        raumfordernde Prozesse)
      • pharmakogene Ursachen (Intoxikationen, Malignes Neuroleptisches Syndrom)
  • Katatonie
  • motorische, affektive und Verhaltensstörungen
  • von Hyper- oder Hypophänomenen gekennzeichnet
HyperphänomeneHypophänomene
– psychomotorische Erregung
– Bewegungs- und Sprachstereotypien
– Manierismen
– Befehlsautomatie
– Grimassieren
– Echolalie/Echopraxie
– Stupor
– Sperrung
– Mutismus
– Negativismus
– Katalepsie
– Flexibilitas cerea
– Haltungsstereotypien/-verharren
  • Ursachen
    • psychiatrische Erkrankungen (Schizophrenien, Manien, Autismus, Drogenintoxikation)
    • hirnorganische Erkrankungen (Meningoenzephalitis, Tumor, Epilepsie, Wernicke Enzephalopathie, hepatische und renale Enzephalopathien, Autoimmunenzephalitiden)
    • internistische Erkrankungen (Neoplasien, Intoxikationen, Infektionen, diabetische Ketoazidose, Morbus Addison, Elektrolytstörungen, Hyperparathyreoidismus, Thyreotoxikose, Lupus erythematodes, Vitamin-B12-Mangel)
    • pharmakogene Ursachen (Malignes neuroleptisches Syndrom, Medikamentenintoxikation, Glukokortikoide, Antibiotika)

Anorexia nervosa

  • Essstörung, welche in schwerster Form oft letal endet
  • Body Mass Index (BMI) < 17,5 sowie keine somatische Erkrankung, die ein niedriges Gewicht erklärt
  • Untergewicht meist herbeigeführt durch Nahrungs- und Flüssigkeitsrestriktion, Laxanzien und Diuretikaabusus sowie exzessive körperliche Aktivität
  • vital gefährdende Komplikationen wie Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes oder Proteinmangels, in Spätstadien ausgeprägte kognitive Störungen mit Beeinträchtigung der freien Willensbildung und Negierung der Bedrohlichkeit des aktuellen körperlichen Zustands
  • Symptome (im notfallmedizinischen Kontext)
    • Schwindel
    • Müdigkeit
    • Synkopen
    • Hypoglykämie
    • Dehydrierung mit hypovolämischem Schock
    • Nierenversagen
    • Herzrhythmusstörungen
    • Perikarderguss bei Hypoproteinämie
    • Krampfanfälle
    • Brustschmerz, der wie ACS imponieren kann
    • Verstopfung
    • Völlegefühl
    • Kälteintoleranz
    • bei schweren oder chronischen Verläufen
      • kardiale Störungen wie Hypotension, Bradykardie, QT-Verlängerung, erhöhte QT-Dispersion und verminderte Herzfrequenzvariabilität
      • ausgeprägte Leberfunktionsstörungen mit verminderter Glukogenese (Krampfanfälle), verminderter Produktion von Gerinnungsfaktoren (erhöhtes Risiko spontaner Blutungen), Leberversagen als Folge von Zellapoptose
      • sekundären Hyperaldosteronismus durch Laxanzien- und Diuretika-Übergebrauch mit Hypovolämie, Hypokaliämie und metabolische Alkalose
      • erhöhtes Infektionsrisiko
      • erhöhtes Narkoserisiko

psychosoziale Krise und Traumatisierungen

  • Reaktion auf aversive Situation, in der psychologisches Gleichgewicht zerstört wird, übliche Bewältigungsstrategien versagen und deutliche Zeichen für funktionelle Beeinträchtigungen vorliegen
  • Unterscheidung in
    • traumatische Krise
      • Ereignisse, die schwere körperliche Verletzungen, tatsächlichen oder möglichen Tod oder Bedrohung der physischen Integrität der eigenen oder anderer Personen beinhalten
      • Situationsmerkmale des traumatischen Ereignisses gelten hohe Intensität des Ereignisses, unvorhersehbare Plötzlichkeit, Unausweichlichkeit, zeitliche Begrenztheit und Kontrollverlust
  • Veränderungskrise, Lebenskrise
    • allgemeine Lebensveränderungen erfordern größere Umstellungen, die für Betroffenn zu schnell, zu schwierig oder zu umfangreich sind

psychische Störungen als Folge von Katastrophen und Großschadensereignissen

  • Katastrophe: Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder natürliche Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in so ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden, dass Gefahr nur abgewehrt oder Störung nur unterbunden und beseitigt werden kann, wenn die im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Organisationen und Einrichtungen unter einheitlicher Führung und Leitung durch die Katastrophenschutzbehörde zur Gefahrenabwehr tätig werden
  • Großschadensereignis: Ereignis mit einer großen Anzahl von Verletzten oder Erkrankten sowie anderen Geschädigten oder Betroffenen und/oder erheblichen Sachschäden unterhalb der Schwelle zur Katastrophe (z.B. Massenunfälle, Brandkatastrophen, Überschwemmungen, Schädigungen bei Massenversammlungen)
  • individuelle Traumatisierungen oder auch kollektive Verhaltensweisen, z.B. „Massenpanik“ oder „Massenhysterie“
  • dissoziativ-demonstrative Verhaltensmuster in Verbindung mit Weinen, Schreien, sich Anklammern, Anklagen, Missachtung und Behinderung von Rettungsangeboten
    • Verhaltensweisen werden von anderen Beteiligten übernommen, sodass sich kollektive Angst und blinde Überaktivität mit ziellosen Fluchtbewegungen entwickelt

Amok

  • früher: primär kriegerische Handlung, bei der einige wenige „Krieger“ eine „Schlacht“ dadurch zu wenden versuchen, indem sie ohne jegliche Rücksicht auf das eigene Leben den Feind blindwütig attackierten
  • heute: eine für Außenstehende plötzliche, unverständliche und ungewöhnlich aggressive Handlung, die zur Verletzung oder Tötung von Menschen führt
  • heute Annahme, dass Vielzahl der Taten nicht impulsiv stattfindet, sondern oft sogar über mehrere Jahre hinweg detailliert durch die Täter geplant wurde
  • Phasenmodell der Entwicklung einer Amoktat
    • intensive Phase des Grübelns bzw. depressives Syndrom mit Isolation von der Umwelt aufgrund von Kränkung oder Objektverluste
    • eruptives Begehen des eigentlichen Amoks mit rücksichtsloser Tötungsbereitschaft; ftmals beginnt der Amoklauf bei der Familie oder Verwandten und weitet sich dann wahllos auf Fremde aus
    • anschließend oft mehrstündige anhaltende mörderische Raserei, bis
      Amokläufer sich selbst tötet oder von anderen getötet bzw. kampfunfähig gemacht wird
    • einige überlebende Täter geben vor, kein Motiv gehabt zu haben, bzw. sich nicht an die Tat erinnern zu können, gelegentlich fallen die Täter in einen terminalen Tiefschlaf ;Amnesie lässt sich aber keineswegs in allen Fällen finden
  • Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensauffälligkeiten bei Tätern
    • Mitteilung von Amokfantasien („Leakage“)
    • niedrige Frustrationstoleranz
    • mangelhafte Bewältigungsstrategien
    • Gefühl der Verbitterung
    • Entfremdungserleben
    • mangelnde Empathie
    • Anspruchshaltung
    • Externalisierung von Verantwortung
    • geringe soziale Einbindung
    • plötzliche Verhaltensänderungen
    • ausgeprägtes Interesse an Gewalt und Waffen
    • negative Vorbilder (z. B. andere Amokläufer)
    • Rachefantasien

Ablauf der notfallmäßigen psychiatrischen Diagnosestellung

  • Anamnese, nach Möglichkeit mit Fremdanamnese
  • möglichst umfassender psychopathologischer Befund
    • Beurteilung von Bewusstsein und Orientierung, Affekt und Antrieb, Denk- und Wahrnehmungsleistung, Merkfähigkeit und des Gedächtnisses sowie von Suizidalität und Fremdgefährdung
  • vollständige körperliche und neurologische Untersuchung mit Bestimmung der Vitalparameter (Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung) zum frühestmöglichen Zeitpunkt
    • Durchführung eines EKG
    • Bestimmung von Blutzucker, Blutbild, Elektrolyten sowie Transaminasen und Retentionswerte
    • auf Alkohol- und Drogenscreening kann verzichtet werden, wenn klinisch relevanter Konsum durch genaue Anamneseerhebung ausgeschlossen ist
  • wenn einzelne Bestandteile der Befunderhebung in der Notfallsituation nicht durchgeführt werden konnten, nachgeholen, sobald möglich
  • medizinische Überwachungsnotwendigkeit alkoholintoxikierter Patienten hängt vom klinischen Befund unter Berücksichtigung der Konsumgewohnheiten ab
  • Entlassung auf Drängen des Patienten bzw. Transportverweigerung oder eigenmächtigem Entfernen aus der Notaufnahme oder von der Einsatzstelle soll genaue Dokumentation des körperlichen, neurologischen und psychiatrischen Status
Quelle: https://register.awmf.org/assets/guidelines/038-023l_S2k_Notfallpsychiatrie_2019-05_1.pdf

Therapie

  • Erstellung einer Notfallkarte mit Adressen, Telefonnummern und Ansprechzeiten der lokal vorhandenen Akut- und Krisendienste wird für Leitstellen, Rettungsdienst, Notärzte und Notaufnahmen dringend empfohlen

Vorgehen bei Erstkontakt

  • folgende Daten sollten bei der Notfallexploration erhoben werden:
    • konkrete Probleme, die die Notfallsituation auslösten
    • aktuelle Vorgeschichte mit Beginn der Symptomatik
    • kurz zurückliegende psychiatrische Vorbehandlung
    • spezielle psychiatrische Anamnese
    • allgemeinmedizinische Anamnese
    • Medikamentenanamnese
    • Lebenssituation (Partnerschaft, Berufstätigkeit)

psychotherapeutische Krisenintervention

  • Beziehungsgestaltung sollte sich den individuellen Erfordernissen einer krisen- und ggf. auch erkrankungsbedingten Beeinträchtigung der Kommunikation und des Erlebens anpassen
  • mit Sprache, Mimik und Gestik ist Setting schaffen, in dem sich Betroffene mit ihren Sorgen angenommen, vorurteils- und angstfrei äußern können
  • Gespräch sollte entsprechend Rogers Therapiekonzept erfolgen
    • Empathie (einfühlendem Verständnis)
    • positiver Wertschätzung (Akzeptanz, emotionaler Wärme)
    • Authentizität (Echtheit)

pharmakologische Notfalltherapie

  • Kriterien für Auswahl notfallpsychiatrisch geeigneter Psychopharmaka
    • Wirkung
      • erwünschte Wirkung auf mindestens eines der Zielsymptome
      • sichere Applikation
      • zugelassene Indikation als Voraussetzung
    • Wirklatenz
      • möglichst rasches Einsetzen der Wirkung
      • gute Steuerbarkeit
      • möglichst keine Kumulation
    • Sicherheit
  • als Substanzgruppen für medikamentöse Behandlung des psychiatrischen Notfalls sind Antipsychotika und Benzodiazepine geeigneta;ndere Substanzgruppen sollten nicht zunächst nicht einsetzen
  • Haloperidol (i.m.)
    • 5 – 10 mg, bei älteren Patienten niedriger (zunächst 0,5 – 1,5 mg); ggf. Wiederholung alle 30 min, nicht mehr als 100 mg/24 h p.o. bzw. 60 mg/24 h parenteral (i.m.)
    • von Applikation i.v. derzeit abgeraten
    • strenge Indikationsstellung
    • EKG-Monitoring verpflichtend
  • Lorazepam ((p.o., i.v., i.m.)
    • i.v./i.m.: initial 0,5 – 1 mg; p.o.: initial 1 – 2,5 mg; ggf. Wiederholung alle 60 min, nichtmehr als 7,5 mg/24 h
  • Diazepam (p.o., i.v., i.m.)
    • initial 10 – 20 mg i.m./i.v. Höchstdosis 60 mg/d
  • medikamentöse Behandlung ohne Zustimmung des Patienten bedarf rechtlicher Grundlage nach individueller Abwägung von wahrscheinlichem Nutzen und potenziellem Schaden

Deeskalation, Sicherheit und Maßnahmen bei Gefährdung

  • Patientenfaktoren, die das Risiko für das Auftreten von Aggression und Gewalt erhöhen
    • aggressives oder selbstverletzendes Verhalten in der Vorgeschichte oder bei früheren stationären Aufnahmen
    • Persönlichkeitsstörungen vor allem des Cluster B (emotional instabil, histrion, antisozial), insbesondere die antisoziale Persönlichkeitsstörung
    • Vorliegen und Ausprägung von Positivsymptomen wie Halluzinationen, Wahnwahrnehmungen oder Verfolgungswahn im Rahmen von Schizophrenien
    • Alkoholkonsum, insbesondere bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie oder Störungen der Impulskontrolle
    • männliches Geschlecht, vor allem alleinstehende Männer
    • fehlende Freiwilligkeit bei der stationär-psychiatrischen Behandlung
    • höhere Zahl an Voraufenthalten in der Psychiatrie
  • bauliche und organisatorische Faktoren spielen bei Risikoreduktion für aggressives Verhalten psychiatrischer Patienten eine Rolle
    • deeskalierende Patient-Personal Interaktion
    • höheres Platzangebot
    • mehr Komfort
    • gute Einsehbarkeit der Station
  • Prävention aggressiven Verhaltens
    • freundliche und empathische Haltung einnehmen
    • potenziell gefährliche Gegenstände sichern
    • aggressive Impulse erfragen
    • Grenzen setzen
    • räumliche Enge vermeiden
    • Rückzug und Ausgang ermöglichen
    • körperliche Bewegung ermöglichen
    • Psychopathologie behandeln
    • Maßnahmen zum Personalschutz
  • Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur nach gewissenhafter Abwägung der Freiheitsrechte mit den Fürsorgepflichten und unter bedingungsloser Beachtung der Würde des Menschen und seiner Selbstbestimmung anzuwenden
    • in Art und Dauer auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken
  • Fixierung gegen den Willen des Patienten nur nach ärztlicher Anordnung und wenn einer der folgenden Gründe vorliegt:
    • der Patient gefährdet sich selbst oder andere erheblich
    • es liegen Bewegungs- und Haltungsstörungen mit Sturzgefahr vor
    • durch übermäßige motorische Unruhe wird der Gesundheitszustand gefährdet (z. B. nach einer Fraktur)
    • dringende notwendige medikamentöse Behandlung (z. B. Infusionsbehandlung) kann wegen motorischer Unruhe nicht durchgeführt werden
  • Fixierung darf nur als letztes Mittel nach allen anderen Mitteln der Deeskalation durchgeführt werden

störungsspezifische Versorgung

Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit

  • körperliche und neurologische Untersuchung
  • Anamnese und Fremdanamnese
  • nach Hinweisen für Medikamente, Alkohol oder Drogen suchen
  • Blutzucker bestimmen
  • Blut zur toxikologischen Bestimmung abnehmen und asservieren
  • Atemwege frei halten
  • Sauerstoffsättigung von > 90 % aufrecht erhalten, hierzu ggf.
    Sauerstoff verabreichen
  • Anlage venöser Zugang
  • MAP >70 mm Hg aufrecht erhalten
  • Transport in geeignete Klinik mit fachlicher Begleitung

Delir

  • Haloperidol 5 mg i.v. plus Diazepam 5-10 mg i.v. zur pharmakologischen Dämpfung unvermittelt auftretender Unruhezustände
  • kontinuierliches Gespräch kann Evaluierung möglicher Veränderungen im psychopathologischen Befund (z. B. Orientierung, psychotische Symptome), Reorientierung und Beruhigung ermöglichen

substanzbedingte Störungen

  • Behandlung von Erregung, Unruhe und Angst im Rahmen von Drogenintoxikationen primär mit Benzodiazepinen
  • Alkohol
    • Haloperidol (0,5 – 5 mg als Einzeldosis) bei Erregung und Agitation
    • unbedingt Eigenschutz beachten
    • Versorgung des Patienten erst beginnen, wenn ausreichende Anzahl von Helfern und Vollzugsbeamten (in der Regel min 8) anwesend ist, vor allem bei psychotischem Erleben und ausgeprägter Aggressivität
    • medikamentöse Sedierung mittels 5 – 10 mg Diazepam i.v. und 5 – 10 mg Haloperidol i.v. (notfalls auch i.m.)
    • bei Hypoglykämien Glukose substituieren
    • bei schweren Azidosen Bikarbonat-Gabe erwägen
    • Wärmeerhalt
  • Kokain
    • primäre Behandlung mit Benzodiazepinen (z.B. Lorazepam 2,5 mg p.o. oder i.v.)
    • bei schwerer Hypertonie zusätzlich α-Blockern (z.B. Urapidil), α2-Agonisten (z.B. Clonidin 0,15 mg langsam i.v.) oder in schweren Fällen mit Glycerol-Trinitrat (2 – 8 mg/h) im Perfusor
    • Applikation von β-Blockern relativ kontraindiziert
    • bei ventrikuläre Tachyarrythmien geeignete Antiarrhythmika erwägen
    • Behandlung von Koronarspasmen mit Verapamil und Nitroglyzerin
    • toxisches Lungenödem mittels Diuretika und maschineller Beatmung behandeln
  • Opiate
    • Atemwege durch Lagerung und Einsatz von Tuben sichern
    • vorsichtige Gabe von Naloxon (0,4 mg in 0,9% NaCl 1:10 verdünnt, fraktioniert bis max. 2 mg)
      • Entzugssyndrom kann Erbrechen, Krampfanfälle, Asystolie, Lungenödem und Erregungszustände mit Aggressivität auslösen
    • frühzeitige Intubation mit Beatmung als Aspirationsschutz und wegen der Gefahr eines toxischen Lungenödems erwägen
  • Amphetamine
    • Nitrate bei hypertensiver Krise
    • Amiodaron bei Kammertachykardien
    • Senkung der Körpertemperatur beim hyperthermen Patienten mittels Kühlpacks in der Leiste, in schweren Fällen auch intravasale Kühlung (z.B. durch kalte Infusionslösungen)
  • Gammahydroxybuttersäure (GHB)
    • Einsatz von Antiemetika (z.B. MCP 10 mg i.v.) bei anhaltendem Erbrechen umstritten
    • Antagonisierung mit Physiostigmin wegen Wirkungslosigkeit und erhöhter schwerer Nebenwirkungen nicht empfohlen
    • bei zweifelhaften Auffindesituationen (entkleidete Patientin, Anzeichen für sexuelle Handlungen, fremdanamnestische Berichte über plötzliches stark verändertes Verhalten, das nicht durch andere Ursachen, z. B. Alkoholkonsum, erklärbar ist) stets Polizei hinzuziehen
    • frühzeitige Asservation von Körperflüssigkeiten
  • Inhalantien
    • α2-Agonisten (z.B. Clonidin 0,15 – 0,3 mg i.v.) bei hypertensiven Krisen
  • Entzug
    • bei Alkoholentzugssyndrom Benzodiazepine und Clomethiazol, bei starken vegetativen Symptomen zusätzlich auch Clonidin
      • Beurteilung der Schwere des Alkoholentzugssyndroms über regelmäßiges Vigilanz- und Kreislaufmonitoring sowie regelmäßige klinische Einschätzung weiterer Entzugssymptome wie Tremor, Schwitzen und Unruhe
      • Krampfanfallprophylaxe mit Antikonvulsiva bei Entzugskrampfanfall in der Vorgeschichte
    • Benzodiazepinentzugssyndroms mit Benzodiazepinen mittlerer Halbwertszeit, bei starken vegetativen Symptomen zusätzlich auch mit Clonidin
      • ggf. andere verfügbare Benzodiazepine (z.B. Lorazepam, Diazepam) zur Coupierung der Symptomatik oder schwerer Komplikationen (z. B. Krampfanfall, Delir)
      • präklinisch, soweit medizinisch vertretbar, Transport in Notaufnahme oder psychiatrische Klinik ohne vorherige medikamentöse Gabe von Benzodiazepinen

Angstsyndrome

  • bei Angstsymptomen vor Beginn einer Pharmakotherapie verbale Krisenintervention durchgeführen
  • Lorazepam (initial 1,0 – 2,5 mg p.o. und i.v.) oder Diazepam (initial 5 – 10 mg p.o. und i.v.)
  • zunächst Versuch mit oraler Medikation, vorzugsweise Lorazepam (Tavor expidet)

Erregungszustände

  • anfänglich Maßnahmen der nicht-medikamentösen Krisenintervention und wenig invasive medikamentöse Behandlung
    • Lorazepam (p.o., i.v.), Diazepam (i.v.), Midazolam (i.v., nur bei ausgeprägten Erregungszuständen), Haloperidol (i.v.) und Loxapin (inhalativ)

Suizidalität

  • bei akuter Suizidalität kontinuierliche personelle Überwachung gewährleisten
  • Gegenstände, mit denen sich Patienten schädigen oder suizidieren können, entfernen
  • Pharmakotherapie mittels Lorazepam (1 – 2,5 mg p.o. oder i.v.), Diazepam (5 – 10 mg i.v.), alternativ Promethazin (50 – 100 mg i.v.)

paranoid-halluzinatorische Syndrome

  • Transport in eine geeignete Einrichtung zur Diagnostik und Therapie; bei Ablehnung liegt aber keine Voraussetzung für Maßnahmen gegen den Willen des Patienten vor, nur bei Vorliegen einer Eigen- oder Fremdgefährdung
  • frühzeitig zu prüfen, in wie weit Polizei, Ordnungsbehörden oder andere Kräfte angefordert werden müssen
  • Antipsychotika (Haloperidol 3-5 mg i.v.) allein oder in Kombination mit Lorazepam (1-2,5 mg i.v.) oder Diazepam (5-10 mg i.v.)

maniforme Syndrome

  • Transport in eine geeignete Einrichtung zur Diagnostik und Therapie; bei Ablehnung liegt aber keine Voraussetzung für Maßnahmen gegen den Willen des Patienten vor, nur bei Vorliegen einer Eigen- oder Fremdgefährdung
  • primär Lorazepam (1 – 2,5 mg i.m/i.v.) oder Diazepam (5 – 10 mg
  • i.m./i.v.), im Bedarfsfall auch in Kombination mit einem Antipsychotikum (z. B. Haloperidol 5 – 10 mg i.m.)

Stupor und Katatonie

  • Körpertemperatur-Messung zum Ausschluss einer perniziösen Katatonie
  • Transport in Notaufnahme, der eine psychiatrische Klinik mit Möglichkeit der Elektrokrampfbehandlung angegliedert ist
  • medikamentös Lorazepam (2,5 – 5 mg p.o. als Schmelztablette oder i.v.) allein oder in Kombination mit Haloperidol (5 mg i.v.)

psychosoziale Krise und Traumatisierung

  • Erstversorgung mit Risikoabschätzung und Gewährleistung der äußeren Sicherheit in Kooperation mit anderen Hilfskräften
  • vorsichtige Beziehungsaufnahme und Ressourcenabschätzung
  • Transport verletzter und verhaltensauffälliger Patienten in Notaufnahme zur weiteren Diagnostik und Verlaufsbeobachtung
  • Pharmakotherapie zunächst vermeiden, sofern nicht schwere Verhaltensstörungen mit Eigen- und oder Fremdgefährdung vorliegen
  • bei Verletzungen suffiziente Schmerztherapie

psychische Störungen als Folge von Katastrophen und Großschadensereignissen

  • bei körperlichen Verletzungen oder Erkrankungen primär somatische Notfallversorgung; danach unverzüglich psychiatrisches Konsil und ggf. psychotraumatologische Notfallversorgung
  • wichtigste Maßnahme ist die Identifizierung von Personen, die Symptome einer belastungsassoziierten Erkrankung
  • Transport verletzter und verhaltensauffälliger Patienten sollte gemäß der Festlegungen im Katastrophenplan erfolgen

Amok

  • bei körperlichen Verletzungen oder Erkrankungen primär somatische Notfallversorgung; danach unverzüglich psychiatrisches Konsil und ggf. psychotraumatologische Notfallversorgung
  • Akutversorgung am Tatort analog Behandlungs- und Verhaltensrichtlinien zu anderen Katastrophenfällen
  • bei ausgeprägten Symptomen, Erregungszuständen und erheblich mangelnder Kooperationsfähigkeit des Patienten Verabreichung von Benzodiazepinen (z.B. Lorazepam 1 – 2,5 mg) oral oder parenteral erwägen
Published inIm Notfall PsychiatrieLeitlinien kompakt

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