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Leitlinie „Oberschenkelschaftfraktur“ der DGOU

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 23.07.2018
Ablaufdatum: 22.07.2023
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-027.html

Ätiologie und Epidemiologie

  • indirekte Krafteinwirkung durch Biegung und / oder Rotation (überwiegend geschlossene Frakturen)
  • direkte Krafteinwirkungen, v.a. bei (Hoch-) Rasanztraumen (häufig mit Weichteilschaden, offene Frakturen)
  • Frakturursachen: Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle, Sportunfälle, häusliche Unfälle

präklinisches Management

Unfallmechanismus

  • Verkehrsunfall als
    • Fußgänger
    • Zweiradfahrer (Fahrrad / Motorrad)
    • PKW-Insasse
    • LKW-Insasse
  • Sturz aus größerer Höhe
  • Sturz mit Oberschenkel-Verdrehtrauma
  • Quetschungen
  • Sportverletzungen, Verdrehung des Oberschenkels mit fixiertem Fuß (Fußball, Motor Cross, Skifahren)
  • Pferdesport: häufig Huftritt, Sturz vom Pferd oder Sturz mit dem Pferd
  • Schuss- und Explosionsverletzungen
  • inadäquates Trauma bei Knochen-, Stoffwechsel- und Tumorerkrankungen, Multipler Sklerose
  • Unfall mit innerer Erkrankung als Ursache (Synkope, Schwindel)
  • schleichende Frakturen bei Bisphosphonat-Therapie im oberen Drittel

Notfallmaßnahmen und Transport

  • schonende Rettung unter Vermeidung zusätzlicher Schädigung
  • steriler Verband bei offenen Frakturen und zusätzlichen Wunden
  • Analgesie
  • Reposition durch Längszug (bei offener Fraktur/Dislokation) und Fixierung durch geeignete Schiene
  • immer Ruhigstellung der angrenzenden Gelenke (Hüfte, Knie):
    • Vakuummatratze
    • mechanische Streckschiene (z.B. Traction Splint, Thomassplint)
    • pneumatische Schiene mit proximaler Verlängerung bis oberhalb des Beckens
  • venöser Zugang und Volumengabe bei Bedarf
  • zügiger Transport in Krankenhaus mit adäquater unfallchirurgischer Versorgungskompetenz, z.B. zertifiziertes Traumazentrum im TraumaNetzwerk® DGU

Dokumentation

  • schriftliches Rettungsdienstprotokoll
  • Fotodokumentation sinnvoll – Datenschutz beachten!
  • Schürfungen
  • Kontamination
  • Hautperforation von innen durch Frakturfragmente
  • Hautperforation von außen
  • Gefäß- und Nervenstatus
  • vorbestehende Verletzungen und Folgeschäden
  • Vorerkrankungen
  • Medikamente
  • mentaler und körperlicher Status
  • soziales Umfeld
  • Nikotin-, Alkohol-, Drogenabusus
  • multiresistente Keime

Anamnese

  • Analyse des Verletzungsmechanismus
    • Richtung und Maß der einwirkenden Kräfte
    • Weichteilrelevante Unfall-/Verletzungsmechanismen
    • Rotationstrauma
    • Hinweise auf Beteiligung von Becken, Hüft- und Kniegelenk
  • gesetzliche Unfallversicherung
    • in Deutschland muss der Patient bei allen Arbeitsunfällen, bei Unfällen auf dem Weg von und zur Arbeit, bei Unfällen in Zusammenhang mit Studium, Schule und Kindergarten sowie allen anderen gesetzlich versicherten Tätigkeiten einem zum Durchgangsarztverfahren zugelassenen Arzt vorgestellt werden
    • Unfallmeldung durch Arbeitgeber, wenn Unfall Arbeitsunfähigkeit von > 3 Kalendertagen oder den Tod zur Folge hat

Vorerkrankungen und Verletzungen

lokal

  • Frakturen der unteren Extremität
  • Arthrose an Hüft- oder Kniegelenk
  • Hüftgelenkverletzungen, -erkrankungen
  • Kniegelenksverletzungen, -erkrankungen
  • Infektionen an Knochen und Gelenken
  • lokale Hauterkrankungen
  • vorbestehende Beinlängendifferenz oder Achsfehlstellung
  • Wirbelsäulen- und Beckenpathologien
  • neurologische Erkrankungen

Allgemein

  • allgemeine Erkrankungen und Knochenerkrankungen (System- und neurologische Erkrankungen/Osteoporose)
  • Multiple Sklerose (deutlich erhöhtes Frakturrisiko)
  • Thrombose, Embolie, postthrombotisches Syndrom
  • arterielle Verschlusskrankheit
  • Diabetes mellitus
  • Hepatitis B/C, HIV
  • Beinödeme verschiedener Ätiologien
  • Hauterkrankungen
  • Allergien, speziell Medikamenten- und Metallallergien
  • multiresistente Keime
  • Tetanus Impfstatus

wichtige Begleitumstände

  • Unfallort, Auffindungsort
  • Unfallzeitpunkt und Zeitraum bis Klinikaufnahme
  • bisherige Versorgung der Verletzungen
  • Alkohol-, Nikotinabusus, Drogen
  • gerinnungshemmende Medikamenteneinnahme (ASS, Cumarine, orale Antikoagulantien)
  • Medikamenteneinnahme die das Operations- und Narkoserisiko erhöhen (Metformin, orale Antidiabetika, Kortison, Antihistaminika, Antihypertonika)
  • funktioneller Status vor Unfall
  • soziales Umfeld
  • Berufsanamnese

Symptome

  • Schmerz
  • Knochenreiben (Crepitatio)
  • Verkürzung
  • Fehlstellungen
  • abnorme Beweglichkeit
  • mangelnde Belastbarkeit
  • Gefühlsstörungen
  • Funktionsausfälle
  • Blutung, Hämatom
  • periphere Durchblutungsstörung
  • Schwellung

Diagnostik

  • Blutverlust, Kreislauf, Schock
    • Blutdruck, Puls, Labor
  • klinische Untersuchungen
    • arterielle und venöse Durchblutung
    • periphere Motorik
    • periphere Sensibilität
    • Einschätzung und Klassifizierung des Weichteilschadens mit Dokumentation von Hämatom/Wunden/Schürfung sowie Kontusionszone/Blasen/Fremdkörper
    • sichere Frakturzeichen:
      • sichtbare (offene) Frakturenden
      • Krepitation
      • Achsfehlstellung (z.B. Fuss zeigt falsche Richtung)
      • abnorme Beweglichkeit
      • Knochenlücke (Diastase)
  • bei offenen Frakturen:
    • Wundinspektion bei offenen Frakturen nur unter sterilen Bedingungen (sinnvoll: Fotodokumentation)
    • keine mehrfachen Inspektionen
    • Proben zur mikrobiologischen Untersuchung
  • unsichere Frakturzeichen:
    • Schmerzen, lokaler Druckschmerz (Dolor), Schwellung (Tumor), Rötung (Rubor), Wärme (Calor)
  • Begleit- und Zusatzverletzungen, insbesondere:
    • Kniegelenkserguss, Kniebandinstabilität, Begleitfrakturen
    • Knie, Hüfte und Becken
    • Fragmentdruck
    • Faszienspannung, Kompartmentsyndrom
      • Ausschluss eines Kompartmentsyndroms und wiederholte Kontrollen in den ersten 24 Stunden
    • zunehmender starker Schmerz
    • Palpation der Muskulatur
Published inLeitlinien kompakt

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