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Leitlinie „Oxygen use in adults in healthcare and emergency settings“ der BTS

veröffentlichende Fachgesellschaft: British Thoracic Society
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 12.02.2017
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1136/thoraxjnl-2016-209729

Erreichen der gewünschten SpO2 bei akuten Erkrankungen

  • normale oder nahezu normale Sauerstoffsättigung bei allen akut erkrankten Patienten anstreben, mit Ausnahme derjenigen, bei denen das Risiko eines hyperkapnischen respiratorischem Versagen besteht
  • empfohlener SpO2-Zielbereich bei akut kranken Patienten mit Risiko für ein hyperkapnisches Atemversagen liegt bei 94 – 98 %
    • für die meisten Patienten mit bekannter COPD oder anderen bekannten Risikofaktoren für hyperkapnisches Atemversagen (z. B. Adipositas, zystische Fibrose, Brustwanddeformationen oder neuromuskuläre Störungen oder Atemwegsobstruktion in Verbindung mit Bronchiektasen), wird ein Sättigungszielbereich von 88 – 92 % vorgeschlagen, bis Blutgaswerte vorliegen
  • die meisten Patienten mit nicht-hypoxämischer Atemnot profitieren nicht von einer Sauerstofftherapie, aber ein plötzlicher Abfall der Sauerstoffsättigung eines Patienten um ≥ 3 % innerhalb des Zielsättigungsbereichs sollte Anlass zu einer eingehenderen Untersuchung des Patienten (und des Pulsoxymetersignals) sein, da dies der erste Hinweis auf eine akute Erkrankung sein kann
  • Sauerstoffsättigung ist in Rückenlage reduziert, daher sollten Patienten mit Hypoxämie bei vollem Bewusstsein idealerweise eine möglichst aufrechte Haltung einnehmen (oder die für den Patienten bequemste Haltung), es sei denn, es gibt gute Gründe, den Patienten zu immobilisieren (z.B. Wirbelsäulentrauma etc.)
  • Beurteilung aller akut erkrankten Patienten mittels Atemfrequenz-, Pulsschlag-, Blutdruck- und Temperaturmessung Feststellung einer Anämie

klinische und labortechnische Bewertung von Hypoxämie und Hyperkapnie

  • Dokumentation der Sauerstoffzufuhr, der Durchflussrate sowie der SpO2-Werte im Protokoll
  • Anamnese sollte, wenn möglich, bei einem akut atemlosen Patienten erhoben werden und um Hinweise auf bestimmte akute Erkrankungen wie Lungenentzündung, Lungenembolie, Exazerbation einer chronischen Erkrankung wie COPD, Asthma oder Herzinsuffizienz zu identifizieren
  • Sauerstofftherapie bei Patienten nicht pausieren, die eindeutig Sauerstofftherapie benötigen, um eine SpO2-Messung bei Raumluft durchzuführen
  • körperliche Untersuchung sollte dringend durchgeführt werden
    • kann Hinweise auf eine bestimmte Diagnosen liefern, wie z.B. Herzinsuffizienz oder Pleuraerguss
  • sorgfältige Messung der Atemfrequenz und Herzfrequenz, denn Tachypnoe und Tachykardie sind bei hypoxämischen Patienten häufiger als der körperliche Befund einer Zyanose
  • Messung der SpO2 ersetzt die Blutgasanalyse nicht, da bei einer Anämie eine normale SpO2 zusammen mit abnormalen pH- und pCO2-Werten vorliegen kann

initiale Sauerstofftherapie

  • Sauerstoff-Gabe von 15 L/min über Reservoirmaske bei SpO2 < 85 %, wenn kein Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens besteht, um Ziel-SpO2 von 94 – 98 % zu erreichen
    • ggf. Sauerstoff-Gabe von 1 – 6 L/min über Nasenbrille oder einfache Sauerstoffmaske unter ständiger Reevaluation in Betracht ziehen

Sauerstofftherapie bei kritisch Erkrankten

  • bei CPR höchstmögliche Sauerstoffkonzentration verwenden
  • nach ROSC Ziel-SpO2 von 94 – 98 % anstreben (BGA, wenn möglich)
  • bei kritischen Erkrankungen, einschließlich schwerer Traumata, Sepsis, Schock und Anaphylaxie, Sauerstofftherapie mit einer Reservoirmaske bei 15 L/min und Sättigung von 94 – 98 % anstreben
    • Empfehlung gilt auch für kritisch kranke Patienten, die Risikofaktoren für eine Hyperkapnie aufweisen, bis die Ergebnisse der Blutgasanalyse und die Beurteilung durch einen Arzt vorliegt
  • bei Patienten mit Spontankreislauf und zuverlässigen SpO2-Werten, kann eine Sättigung von 94 – 98 % mit niedrigeren Sauerstoffkonzentrationen aufrecht gehalten werden
  • im Falle eines Ertrinkens ist eine Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anzustreben, sobald der Spontankreislauf wiederhergestellt ist
  • bei Patienten mit akuten Krampfanfällen aufgrund von Epilepsie oder anderen Ursachen hochkonzentriert Sauerstoff verabreichen, bis zufriedenstellende SpO2-Messung möglich ist, dann Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % oder 88 – 92 % bei COPD anstreben, wenn beim Patienten das Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens Versagen droht
  • bei schweren Kopfverletzungen ist Sauerstoffsättigung von 94-98 % anzustreben
    • Erstbehandlung sollte mit hochkonzentriertem Sauerstoff über eine Reservoirmaske mit 15 L/min erfolgen bis zufriedenstellende Blutgasmessungen vorliegen oder bis die Atemwege durch Intubation gesichert sind
  • bei Kohlenmonoxidvergiftung kann ein scheinbar „normaler“ SpO2-Wert durch Carboxyhämoglobin hervorgerufen werden; daher ist eine Sauerstoffsättigung von 100 % anzustreben und eine Reservoirmaske mit 15 L/min zu verwenden, unabhängig der Sättigungsmessung und der arteriellen Sauerstoffwerte (PaO2)

Sauerstofftherapie bei bestimmten Erkrankungen

Asthma

  • Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben

Lungenentzündung

  • bei Lungenentzündung, bei der kein Risiko eines hyperkapnischen Versagens besteht, Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben

Pneumothorax

  • in den meisten Fällen eines Pneumothorax Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben, wenn beim Patienten kein Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens besteht

Lungenembolie

  • bei Lungenembolie Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn beim Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens besteht)

Lungenödem

  • CPAP mit zusätzlichem oder befeuchtetem nasalem Sauerstoff mit hohem Durchfluss zur Aufrechterhaltung einer Sättigung von 94 – 98 % (oder 88 – 92 %, wenn das Risiko einer Hyperkapnie besteht) als Zusatzbehandlung zur Verbesserung des Gasaustauschs bei Patienten mit kardialem Lungenödem in Betracht ziehen, die nicht auf die Standardtherapie (oder NIV bei gleichzeitiger Hyperkapnie und Azidose) ansprechen

ACS

  • bei Myokardinfarkt und akutem Koronarsyndrom ist Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn bei dem Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens besteht)

Schlaganfall

  • hohe Sauerstoffkonzentrationen bei Patienten mit Schlaganfall vermeiden, es sei denn, sie sind zur Aufrechterhaltung einer normalen Sauerstoffsättigung erforderlich; Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn bei dem Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens besteht)

Schwangerschaft

  • Frauen, die während der Schwangerschaft ein schweres Trauma, eine Sepsis oder eine akute Erkrankung erleiden, sollten die gleiche Sauerstofftherapie erhalten wie andere schwerkranke Patientinnen, wobei eine Sauerstoffsättigung von min. 94 – 98 % angestrebt wird
  • Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % für Frauen mit Hypoxämie aufgrund akuter Schwangerschaftskomplikationen gelten (z.B. Kollaps aufgrund einer Fruchtwasserembolie, Eklampsie oder Blutungen im Wochenbett oder nach der Geburt)
  • Frauen mit einer hypoxämischen Grunderkrankung (z. B. Herzinsuffizienz) sollten während der Geburt zusätzlichen Sauerstoff erhalten, um eine Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % zu erreichen, es sei denn, es besteht die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens (Zielbereich 88 – 92%)
  • schwangere Frauen, die bei vollem Bewusstsein sind und keine kardiovaskulären Probleme haben, können im Sitzen gelagert werden, und wenn sie liegen, sollten sie in die vollständige linke Seitenlage gebracht werden
  • Frauen in der 20. Schwangerschaftswoche oder höher, bei denen eine Hypoxämie in Verbindung mit einer Bewusstseinsstörung festgestellt wird, oder Frauen, die eine Atem- oder Herz-Kreislauf-Unterstützung oder eine HLW benötigen, sollten in Linksneigung oder bei zusätzlicher manueller Uterusverschiebung (idealerweise nach links) gelagert werden, um die Herzleistung und die Sauerstoffversorgung zu verbessern

Patienten mit Tracheostoma

  • wenn Patienten mit Tracheostomie Sauerstoff benötigen, mittels einer Tracheostomiemaske (mit variabler Durchflussmenge) Sauerstoff applizieren, um die gewünschte Sauerstoffsättigung zu erreichen

sonstige

  • bei akuter Atemnot aufgrund von Lungenkrebs Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben, es sei denn, es liegt gleichzeitig eine COPD vor
  • bei akuter Verschlechterung der Lungenfibrose oder anderen interstitiellen Lungenerkrankungen Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % oder höchstmöglichen Wert anstreben
  • bei Pleuraerguss Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn bei dem Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens besteht)
  • bei akuter Herzinsuffizienz Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn beim Patienten die Gefahr einer hyperkapnischen Ateminsuffizienz besteht)
  • bei Anämie Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben (bzw. 88 – 92 %, wenn beim Patienten die Gefahr eines hyperkapnischen Atemversagens besteht)
  • bei Sichelzellenkrisen SpO2 von 94 – 98 % bzw. die für den jeweiligen Patienten übliche Sättigung anstreben
  • bei den meisten Vergiftungen Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben, es sei denn, der Patient ist dem Risiko eines hyperkapnischen Atemstillstands ausgesetzt
    • bei Vergiftungen durch Paraquat und Bleomycin Sauerstoff nur verabreichen, wenn die Sättigung unter 85 % fällt; Sauerstofftherapie reduzieren oder beenden, wenn die Sättigung über 88 % steigt
  • bei den meisten Stoffwechsel- und Nierenerkrankungen Sauerstoffsättigung von 94 – 98 % anstreben, es sei denn, beim Patient besteht das Risiko eines hyperkapnischen respiratorischen Versagens.
  • bei Patienten mit Clusterkopfschmerzen Sauerstoff mit Flow von mindestens 12 L/min über Reservoirmaske verabreichen
  • chronisch hypoxämische Patienten mit einer Exazerbation und einem Abfall der Sauerstoffsättigung um 3 % oder mehr unter übliche Sauerstoffwerte, sollten in der Regel im Krankenhaus mittels Blutgasanalyse untersucht werden
  • Sauerstoffsättigung sollte kontinuierlich überwacht werden, bis der Patient stabil ist oder im Krankenhaus zu einer umfassenden Beurteilung eintrifft; Sauerstoffkonzentration sollte nach oben oder unten angepasst werden, um den Zielsättigungsbereich zu halten

Befeuchtung von Sauerstoff

  • für Verabreichung von Sauerstoff mit niedrigem Durchflussraten (Maske oder Nasenkanüle) oder für kurzfristige Verwendung von Sauerstoff mit hohem Durchfluss ist keine Befeuchtung erforderlich; daher in der prähospitalen Versorgung nicht erforderlich
  • in Notfallsituationen kann die Verwendung von befeuchtetem Sauerstoff bei Patienten mit Tracheostomie oder einem künstlichen Atemweg beschränkt werden, obwohl diese Patienten für kurze Zeiträume (z. B. bei Fahrten im RTW) auch ohne Befeuchtung auskommen können
  • Befeuchtung kann auch für Patienten mit zähflüssigen Sekreten, die Schwierigkeiten beim Abhusten verursachen, von Vorteil sein; dies kann mit vernebelter normaler Kochsalzlösung erreicht werden

Therapie mit vernebelten Medikamenten

  • bei Asthmapatienten sollten die Verneblung mit Durchflussrate von mehr als 6 L/min erfolgen; nach Abschluss der Verneblertherapie wieder auf die gewohnte/ normale Sauerstoffmaske oder -brille wechseln
  • wenn bei Patienten mit hyperkapnischer Azidose vernebelte Bronchodilatatoren verabreicht werden, sollte eine Zielsättigung von 88 – 92% angestrebt werden
  • Hypoxämie während der Vernebelungstherapie vermeiden
    • bei hypoxämischen Patienten sollte die Sauerstofftherapie während der Vernebelungstherapie fortgesetzt werden
  • während der Behandlung durch Rettungsdienstpersonal sollten sauerstoffbetriebene Vernebler für Asthma- und COPD-Patienten verwendet werden; Verneblung bei Patienten mit COPD verwendet sollte auf 6 Minuten begrenzt werden, dadurch wird der größte Teil der vernebelten Medikamente appliziert, aber das Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens minimiert

Monitoring

  • in allen Situationen, in denen wiederholte Blutgasmessungen erforderlich sind, sollten diese so schnell wie möglich durchgeführt werden, normalerweise innerhalb von 30 Minuten nach einer Behandlungsänderung bzw. nach Behandlungsbeginn, um festzustellen, ob die anvisierten Zielsättigungen angemessen sind
  • Anpassungen der Sauerstofftherapie sollten nur von geschultem Personal vorgenommen werden
  • verabreichende medizinische Fachkraft sollte die Sauerstoffsättigung vor Beginn der Sauerstofftherapie notieren
Published inLeitlinien kompakt

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