veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 23.09.2016
Ablaufdatum: 22.09.2021
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-020.html
Definition
- durchgängiges Muster oppositionellen, aggressiven und
dissozialen Verhaltens, welches vor Hintergrund des Entwicklungsstandes des Kindes und in Bezug zur Altersgruppe deutlich normverletzend und mit deutlichen klinischen Beeinträchtigung verbunden ist - Unterscheidung in
- oppositionell-aggressive Verhaltenskriterien
- ärgerliche/gereizte Stimmung
- streitsüchtiges/trotziges Verhalten
- Rachsucht
- dissozial-aggressive Verhaltenskriterien
- aggressives Verhalten ggü. Personen und Tieren
- Zerstörung von Eigentum
- Betrug und Diebstahl
- schwerwiegende Missachtung von Regeln
- oppositionell-aggressive Verhaltenskriterien
Differentialdiagnosen
- aggressive Handlungen im Rahmen organischer Psychosyndrome, die von Dissozialität begleitet werden
- dissoziale Symptomen im Kontext von Substanzmissbrauch
- auf Familie beschränkter Symptomatik im Rahmen von Zwangshandlungen
- aggressive Symptomen im Rahmen manischer Episoden
- posttraumatische Belastungsreaktionen oder Anpassungsstörungen z.B. nach
sexuellem Missbrauch - Stehlen im Rahmen von Bulimia nervosa
- aggressive Übergriffen im Rahmen von Impulskontrollstörungen (z.B. Borderline-Persönlichkeitsstörungen, narzisstische Persönlichkeitsstörungen)
Therapie
- medikamentöse Therapie
- Einsatz von niedrigpotenten, konventionellen Antipsychotika und Benzodiazepinen zur Behandlung psychomotorischer Erregungszustände (Zulassungsstatus beachten; ggf. off-label-Einsatz)
- Vorteil Benzos: Vorhandensein eines Antidots (Flumazenil), Zulassungsstatus für die verschiedenen Bereiche sowie mehrere Applikationsformen
- nach Gabe einer PRN-Medikation (Bedarfsmedikation) kontinuierliche Überwachung des physischen und emotionalen Zustandes des Patienten gewährleisten
- Einsatz von niedrigpotenten, konventionellen Antipsychotika und Benzodiazepinen zur Behandlung psychomotorischer Erregungszustände (Zulassungsstatus beachten; ggf. off-label-Einsatz)
- Deeskalation und Zwangsmaßnahmen
- Deeskalationsstrategien in allen Behandlungs- und Betreuungssettings einsetzen
- Zusammenhänge zwischen konkreten Auslösern und aufrechterhaltenden Faktoren aggressiven Verhaltens verstehen, insbesondere frühe Anzeichen der Erregung erkennen
- Anforderungen an die kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen des Kindes oder Jugendlichen anpassen, um das Risiko für reaktiv aggressive Verhaltensweisen zu reduzieren
- Deeskalationstechniken (Ablenkung, Beruhigung, Entspannungstechniken, etc.) vermitteln
- bei hohen Erregungszuständen ruhigen Ort anbieten, um die aggressionsauslösende Situation verlassen zu können und sich selbst oder mit Unterstützung beruhigen zu können
- Kinder und Jugendliche über Konsequenzen aggressiven Verhaltens präventiv vorab ausreichend informieren
- Zwangsmaßnahmen sollen ausschließlich zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Maßnahmen zur Deeskalation erfolglos waren
- Einsatz von Zwangsmaßnahmen auf Situationen beschränken, in denen durch das Verhalten des Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdung des Kindes/Jugendlichen selbst oder anderer Personen besteht und/oder es zu einer schwerwiegenden Beschädigung von Gegenständen kommt
- Zwangsmaßnahmen müssen prinzipiell von Ärzten angeordnet werden
- können zur akuten Gefahrenabwehr von nichtärztlichen Fachkräften auch ohne vorherige Anordnung initiiert werden; bedürfen dann aber zeitnah einer ärztlichen Überprüfung
- bei Umsetzung von Zwangsmassnahmen kontinuierliche Überwachung und Dokumentation, um das körperliche und emotionale Befinden des Kindes/Jugendlichen zu überprüfen und zu protokollieren
- Sorgeberechtigten bei Akutmaßnahmen (bei Gefahr im Verzug) über Einsatz von Zwangsmassnahmen informieren, falls möglich aufklären und Einwilligung einzuholen
- Zwangsmedikation zunächst, wenn keine medizinischen Kontraindikationen bestehen, oral anbieten
- keine mechanische Fixierung bei Kindern; wenn notwendig, nur durch geschultes Personal
- bei mechanischer Fixierung 1:1 Überwachung mit regelmäßige Überprüfung der Vitalzeichen und körperlichen Zustand auf Hydrierung und Ernährung sowie regelmäßiger Überprüfung des ordnungsgemäßen Sitz der Fixierung
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