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Leitlinie „Transient loss of consciousness (Blackouts)“ des NICE

veröffentlichende Fachgesellschaft: National Institute for Health and Care Excellence
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 21.11.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.nice.org.uk/guidance/cg109

Grundsätzliches

  • Transient loss of consciousness, auch TLoC = vorübergehender Bewusstseinsverlust mit vollständiger Wiederherstellung bzw. ohne verbleibendes neurologisches Defizit
  • nicht selten auch als „Blackout“ oder „Kollaps“ bezeichnet
  • ca. die Hälfte in der Bevölkerung hat in ihrem Leben min. einmal betroffen
  • Ursachen sind mannigfaltig, oft handelt es sich um Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurologische Erkrankungen

initiale Diagnostik

  • bei V.a. vorübergehenden Bewusstseinsverlust mit konsekutiver Verletzung oder nicht vollständig wiedererlangtem Bewusstsein, sollte Therapie und Dringlichkeit der selbigen nach klinischem Ermessen erfolgen
  • wenn TLoC nicht klar bestätigt/ausgeschlossen werden kann, bis zum Beweis des Gegenteils von TLoC ausgehen
  • Monitoring der Vitalparameter wie Puls, RR, AF und Temperatur, v.a. RR-Messung im Liegen und Stehen (ggf. Wdh. bei klinischer Indikation)
  • EKG-Diagnostik (12-Kanal-EKG)
    • Red Flags
      • Erregungsleitungsstörungen (z.B. vollständiger Rechts-/Linksschenkelblock oder AV-Block)
      • langes oder kurzes QT-Intervall
      • ST-Strecken- oder T-Wellen-Veränderungen
    • weitere relevante EKG-Auffälligkeiten
      • untypisch lang anhaltende Bradykardie
      • jegliche ventrikuläre Arrhythmien (inkl. ektope ventrikuläre Tachykardie bzw. ventrikuläre Extrasystolen)
      • langes QT-Intervalle (cQT > 450 ms) und kurzes QT-Intervalle (cQT < 350 ms)
      • Brugada-Syndrom
      • ventrikuläre Präexzitation (bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom)
      • links-/rechtsventrikuläre Hypertrophie
      • abnorme T-Wellen-Inversion
      • pathologische Q-Wellen
      • (anhaltende) Vorhofarrhythmie
      • Schrittmacher-Rhythmus
  • Suche nach anderen kardiovaskulären und/oder neurologischen Symptomen
  • bei V.a. TLoC-auslösendes Grundproblem, dieses entsprechend untersuchen (z.B. BZ-Messung bei V.a. Hypoglykämie oder Untersuchung des Hämoglobinspiegels bei V.a. Anämie oder Blutungen)
  • Dokumentation aller erfolgten Untersuchungen und anamnestisch abgeklärten Fakten

Anamnese bei V.a. vorübergehenden Bewusstseinsverlust

CAVE: Patient*innenalter und andere Faktoren bei Beschreibung berücksichtigen

  • Umstände des Ereignisses
  • Körperhaltung unmittelbar vor Bewusstseinsverlust
  • Prodromalsymptome (z.B. Schwitzen oder Wärme-/Hitzegefühl)
  • Aussehen (z.B. Augen offen/geschlossen) und Hautkolorit während des Ereignisses
  • Zungenbiss (Dokumentation, in welche Seite und/oder ob in die Spitze der Zunge gebissen wurde)
  • Verletzungen während des Ereignisses (Lokalisation und Schweregrad)
  • Dauer (Beginn bis zur Wiedererlangung des Bewusstseins)
  • Verwirrung während der Erholungsphase
  • seitenbetonte Schwäche während der Erholungsphase
  • frühe gleiche/ähnliche Episoden (Häufigkeit und Anzahl)
  • Vorerkrankungen, auch Familienanamnese, v.a. bzgl. Herzerkrankungen (z.B. plötzlicher Herztod)
  • aktuelle, ggf. ursächliche Medikation (z.B. Diuretika)

kardiozirkulatorische Red Flags

  • EKG-Anomalien
  • Herzinsuffizienz (durch Anamnese oder körperliche Symptome)
  • TLoC bei körperlicher Anstrengung
  • plötzlicher Herztod in Familienanamnese bei Personen < 40 Jahre und/oder vererbte Herzerkrankung
  • neue oder unerklärliche Atemnot
  • auffällige/pathologische Herzgeräusche
  • Patient*innen > 65 Jahre mit TLoC ohne Prodromalsymptome

Diagnosestellung

  • V.a. unkomplizierte Ohnmacht (unkomplizierte vasovagale Synkope) besteht, wenn
    • Erstuntersuchung ohne Auffälligkeiten ist, die auf andere Diagnose hindeuten wie die 3 „P“:
      • Posture (Körperhaltung): längeres Stehen oder ähnliche Episoden, die durch Hinlegen verhindert wurden
      • Provozierende Faktoren (wie Schmerzen oder ein medizinischer Eingriff)
      • Prodromalsymptome (wie Schwitzen oder Wärmegefühl vor TLoC)
  • V.a. situative Synkope (z.B. Husten-/Miktions-/Defäkationssynkope, besteht, wenn:
    • Erstuntersuchung ohne Auffälligkeiten ist, die auf andere Diagnose hindeuten
    • Synkope eindeutig und konsistent durch Anspannung bei Miktion o.Ä. ausgelöst ist
  • V.a. posturale Hypotonie (RR-Abfall bei Lageveränderung) besteht, wenn
    • Erstuntersuchung ohne Auffälligkeiten ist, die auf andere Diagnose hindeuten
    • typische Anamnese vorliegt
    • CAVE: Patient*innen ohne bestätigte posturale Hypotonie trotz auffälliger Symptomatik kardiologisch vorstellen
    • wenn RR-Messung trotz suggestiver Symptome keine posturale Hypotonie bestätigt, Vorstellung in Klinik mit kardiologischer Fachabteilung
  • V.a. Epilepsie bzw. Krampfanfall besteht, bei
    • Zungenbiss
    • Kopfdrehung zu einer Seite während des TLoC
    • nicht-erinnerlichem abnormalem Verhalten, vor, während oder nach TLoC, welches von anderer Person beobachtet wurde
    • ungewöhnlicher Körperhaltung
    • längerem Krampfen der Gliedmaßen (CAVE: kurze, krampfartige Aktivitäten bei unkomplizierten Ohnmachtsanfällen sind häufig)
    • Verwirrung nach dem Ereignis
    • prodromaler Déjà-vu oder Jamais-vu
    • CAVE: Anfall ggf. nicht auf Epilepsie zurückzuführen, wenn einer der nachfolgenden Merkmale vorhanden ist
      • Prodromalsymptome, die bei anderen Gelegenheiten durch Sitzen oder Liegen gebessert werden konnten
      • Schweißausbrüche vor dem Anfall
      • längeres Stehen, das TLoC vermutlich auslöste
      • blasses Hautkolorit während des Anfalls
  • V.a. Psychogene nicht-epileptische Anfälle (psychogenic non-epileptic seizure, PNES) besteht, bei
    • Verhaltensveränderungen im Verlauf (WESTCOPS-Score)
    • Vorhandensein unerklärlicher körperlicher Symptome
    • ungewöhnlich lang andauernden Anfällen
    • CAVE: Unterscheidung zwischen PNES und Epilepsie ist komplex, daher primär von neurologischem Ereignis ausgehen
Published inLeitlinien kompakt

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