Zum Inhalt springen

25.11. – Internationaler Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (White Ribbon Day)

Heute ist der Internationale Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, welcher auch als White Ribbon Day bekannt ist. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur in Deutschland ein immer größer werdendes Problem wie auch die kürzlich veröffentlichten Zahl des BKA im Bundeslagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“ zeigen. So gab es z.B. bei den vorurteilsgeleiteten Straftaten gegen Frauen im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität einen Anstieg um 56,3 % im Vergleich zum Vorjahr mit 322 Straftaten 2023. Eine gute Gelegenheit sich heute mit dem Thema Gewalt gegen Frauen ein bisschen genauer auseinanderzusetzen.

Geschichte & Hintergrund

Grundlage für den Internationalen Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist die Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, welche am 20.12.1993 als Resolution 48/104 im Rahmen der 48. Versammlung als „Quasi“-Erweiterung der UN-Konvention zur „Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ verabschiedet wurde.

Definition von Gewalt gegen Frauen

Gemäß der UN-Resolution 48/104 wird Gewalt gegen Frauen wie folgt definiert: „jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann, egal ob im öffentlichen oder im privaten Bereich (inkl. Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung)“

Weiter definiert die UN-Resolution 48/104 Handlungen, die als Gewalt gegen Frauen zu verstehen sind, ohne darauf beschränkt zu sein. Hier zu zählen die folgenden Punkte:

  • körperliche, sexuelle und psychologische Gewalt in der Familie
    • körperliche Misshandlung
    • sexueller Missbrauch von Mädchen im Haushalt
    • Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit der Mitgift
    • Vergewaltigung in der Ehe
    • weibliche Beschneidung und andere für Frauen schädliche traditionelle Praktiken
    • Gewalt außerhalb der Ehe und Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit Ausbeutung
  • körperliche, sexuelle und psychologische Gewalt im Umfeld der Gesellschaft
    • Vergewaltigung
    • sexueller Missbrauch
    • sexuelle Belästigung & Einschüchterung am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen und anderenorts
    • Frauenhandel & Zwangsprostitution
    • staatliche oder staatlich geduldete körperliche, sexuelle & psychologische Gewalt, gleichviel wo sie vorkommt

Zahlen & Fakten

  • Deutschland
    • 35 % der Frauen > 15 Jahre sind schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt widerfahren, überwiegend durch Partnern oder Ex-Partnern
    • Gewaltbetroffenheit bei Frauen ist unabhängig vom sozialen Status
    • 2021 gab es mehr 143.000 Opfer von Straftaten im Bereich Partnerschaftsgewalt und 80,3 % der Opfer waren weiblich
    • fast jeden Tag gibt es einen Femizid durch (Ex-)Partner in Deutschland laut Bundeslage 2023
    • 20 % der Frauen haben schon körperliche Gewalt durch einen Partner erfahren
    • 8 % haben schon sexuelle Gewalt durch einen Partner erlebt (7 % durch andere Person als den Partner
    • 50 % haben eine Form der psychologischen Gewalt durch einen aktuellen oder früheren Partner erlebt
    • 60 % der Frauen haben mindestens eine Form von sexueller Belästigung erfahren
    • nur 11 % der betroffenen Frauen meldete den schwerwiegendsten Vorfall von Gewalt in der Partnerschaft der Polizei (10 % bei Gewalt durch andere Personen als den Partner)
  • Europa & die Welt
    • 30 % der Frauen weltweit von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen Beziehungspartner betroffen
    • 12 – 15 % der Frauen in Europa sind tagtäglich Opfer häuslicher Gewalt
    • 33 % der Frauen > 15 Jahre haben schon körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt
    • jede sechste Frau in Europa (18 %) war bereits Opfer von Stalking
    • mehr als jede zweite Frau (55 %) schon von sexueller Belästigung betroffen

EIGE-Studie „Kosten geschlechtsspezifischer Gewalt in der EU“ (2021)

  • geschätzte Kosten geschlechtsspezifischer Gewalt in der EU: 366.000.000.000 € pro Jahr
  • gesellschaftliche Folgekosten häuslicher & sexualisierter Gewalt gegen Frauen in Deutschland: ca. 54.000.000.000 € pro Jahr bzw. 148.000.000 € pro Tag (nur minimaler Teil für staatliche Finanzierung von Unterstützungsangeboten)
  • Kostenpunkte sind v.a. Gesundheitssystem, Polizei & Justiz sowie Arbeitsausfall der Betroffenen

BKA-Dunkelfeldstudie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland – SKiD 2020“

  • 6 % der Frauen > 16 Jahre hat im letzten Jahr strafrechtlich relevante Sexualdelikte erlebt
  • 1,3 % der Frauen > 16 Jahre wurden im letzten Jahr Opfer von Körperverletzung
  • nur 1 % aller Sexualdelikte wurde angezeigt (bei Missbrauch/Vergewaltigung ca. 10 %, bei „Zeigen von Geschlechtsteilen“ 0,6 %)
  • Gewalt- & Sexualdelikte überwiegend von Männern begangen (Körperverletzungen: 91 %; Sexualdelikte: 95 %)

Gewaltbetroffenheit von Frauen seit dem 15. Lebensjahr in Deutschland und Europa (Datenbasis: Europaweite FRA-Studie 2012)

Quelle: Koch-Institut, Robert. 2020. „Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland.
Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Robert Koch-Institut. https://doi.org/10.25646/6585.

Formen von Gewalt gegen Frauen

  • körperliche Gewalt
    • jede Form von Misshandlung und körperlichen Übergriffen, z.B. Schlagen, Stoßen, Würgen, Treten, Verprügeln und Waffengewalt
  • sexuelle (oder sexualisierte) Gewalt
    • alle unerwünschten oder erzwungenen sexuellen Handlungen von unerwünschten intimen Berührungen über Nötigung zu sexuellen Handlungen bis hin zur Vergewaltigung
  • sexuelle Belästigung
    • alle von der betroffenen Person als sexuell belästigend empfundenen Handlungen von Anstarren und Nachpfeifen über unerwünschte sexualisierte Bemerkungen und Berührungen sowie Belästigungen per Telefon oder Internet bis hin zu verschiedenen Formen von Bedrängen und Überschreiten der Intimgrenzen einer Person, z.B. auch im Kontext der Arbeit (CAVE: Übergang zur sexuellen Gewalt kann fließend sein)
  • psychische Gewalt
    • großes Spektrum psychisch beeinträchtigender oder verletzender Handlungen, z.B. Einschüchterungen, Anschreien, Beschimpfungen und Demütigungen, Drohungen, Psychoterror, systematische Kontrolle, Isolierung und extreme Eifersucht (in Partnerschaftsbeziehungen oft in Handlungsmuster integriert, welches auf die Unterordnung und Kontrolle der Partnerin abzielt)
  • ökonomische Gewalt
    • Form der psychischen Gewalt, über die ökonomische Kontrolle ausgeübt wird oder ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt und stabilisiert werden (z.B. Wegnahme von Geld bzw. Wertsachen oder Hinderung Geld zu selbst verdienen/verwalten)
  • Stalking
    • Verfolgen & Nachstellen sowie das bewusste wiederholte Erzwingen von Kontakt zu einer Person gegen deren Willen, etwa durch Auflauern sowie systematische Belästigung über Telefon, SMS oder E-Mails
  • strukturelle Gewalt
    • Formen von Gewalt, welche durch gesellschaftliche oder institutionelle Strukturen und Vorgaben, Regelungen und Rahmenbedingungen bedingt sind (z.B. Diskriminierungen und Benachteiligungen sowie eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten)
  • Partnerschaftsgewalt
    • Gewalttaten zwischen Menschen, welcher in einer häuslichen Gemeinschaft leben/lebten, z.B. Ehe, Lebenspartnerschaft oder intime Beziehung
  • Mobbing
    • fortgesetzte Gewalt einer Person/Gruppe ggü. einer anderen Person mit einer Dynamik, die auf Macht und Kontrolle in größeren Gruppen abzielt (z.B. Verbreiten von Gerüchten, Ausschluss aus Gesprächen/Entscheidungen, Zerstören/Vorenthalten von Arbeitsmitteln, abwertende/respektlose Umgangsformen)
  • Gewalt im Namen der „Ehre“
    • gewalttätige Handlungen, die Täter damit begründen, die „Familienehre“ aufrechterhalten oder wiederherstellen zu wollen (initial oftmals emotionaler Druck und Erpressung)
  • Zwangsverheiratung
    • Zwang zu Eheschließung unter Androhung oder Ausübung von Gewalt oder empfindlichem Übel
  • weibliche Genitalverstümmelung
    • alle Praktiken, bei denen das äußere weibliche Genital teilweise oder vollständig entfernt wird, sowie andere medizinisch nicht begründete Verletzungen am weiblichen Genital

Risikofaktoren für Gewalt gegen Frauen

  • Trennung und Scheidung
  • Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend
  • Migrations- und Fluchthintergrund
  • Behinderung (zwei- bis viermal häufiger betroffen)
  • eingeschränkte Wehrhaftigkeit
  • Abhängigkeit von anderen Menschen
  • Erfahren von erhöhtem Maße gesellschaftlicher Diskriminierung

Gesundheitliche Folgen von Gewalt gegen Frauen

Quelle: Koch-Institut, Robert. 2020. „Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland.
Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Robert Koch-Institut. https://doi.org/10.25646/6585.
  • Verletzungsfolgen
    • blaue Flecken/Kratzer (49 %)
    • Wunden, Verstauchungen/Verrenkungen, Verbrennungen (16 %)
    • Knochenbrüche, abgebrochene Zähne (5 %)
    • Gehirnerschütterungen/Verletzungen des Gehirns (3 %)
    • innere Verletzungen (2 %)
    • Fehlgeburt (1 %)
    • Sonstige (4 %)
  • langfristige psychische Folgen
    • Beziehungsschwierigkeiten (45 %)
    • Gefühl der Verletzlichkeit (43 %)
    • Angstzustände (36 %)
    • Verlust des Selbstvertrauens (33 %)
    • Schlafstörungen (28 %)
    • Depressionen (20 %)
    • Panikattacken (13 %)
    • Konzentrationsstörungen (13 %)

Management

Für das Management der Ersthilfe bei Gewalt in Paarbeziehungen und bei sexueller Nötigung/Vergewaltigung eignet sich das Akronym „LIVES“ als Richtschnur, um das Leben betroffener Frauen zu schützen:

  • L – Listen (Zuhören): Hören Sie der Frau aufmerksam zu, mit Empathie und ohne zu beurteilen.
  • I – Inquire about needs and concerns (Bedürfnisse und Sorgen erfragen): Schätzen Sie ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Sorgen ein – emotionale, körperliche, soziale und praktische (z.B. Kinderbetreuung) – und gehen Sie auf diese ein.
  • V – Validate (Bestätigen): Zeigen Sie ihr, dass Sie sie verstehen und ihr glauben. Versichern Sie ihr, dass sie keine Schuld trifft.
  • E – Enhance safety (Sicherheit erhöhen): Besprechen Sie einen Plan, wie sie sich vor weiterem Schaden schützen kann, falls es wieder zu Gewalt kommt.
  • S – Support (Unterstützen): Unterstützen Sie sie, indem Sie ihr helfen, Informationen zu bekommen und Kontakt zu Angeboten und sozialer Unterstützung herzustellen.

Bei akuter Gefahr der Betroffenen, aber auch der Einsatzkräfte, sollte die Polizei hinzugezogen werden.

SOP „Gewalt im häuslichen Umfeld“ der Berliner FW

Die Berliner Feuerwehr hat eine sehr stimmige SOP für „Gewalt im häuslichen Umfeld“, welche auf jeden Fall zu empfehlen ist.

Quellen

Published inWelttag...

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert