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30.03. – Internationaler Tag der Nullverschwendung

Heute ist der 2. Internationale Tag der Abfallvermeidung/Nullverschwendung (Zero Waste Day). Dieser hat das Ziel für eine weltweit verbesserte Abfallbewirtschaftung zu sorgen und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu fördern. Erst im letzten Jahr fand der erste International Day of Zero Waste statt, nach dem die UN-Generalversammlung am 14.12.2022 die Resolution „Promoting zero-waste initiatives to advance the 2030 Agenda for Sustainable Development“ (A/RES/77/161) verabschiedete. Verantwortlich für die jährliche Durchführung des Zero Waste Day sind das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und das Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT).

Jährlich erzeugen alle Haushalte, kleine Unternehmen und öffentliche Dienstleister weltweit ca. 2.100.000.000 bis 2.300.000.000 Tonnen Haushaltsabfall und gleichzeitig haben etwa 2.700.000.000 Menschen keinen Zugang zu etwaigen Möglichkeiten der Müllentsorgung wie z.B. der Müllabfuhr. Vom gesamten Müllaufkommen werden nur ca. 45 % ordnungsgemäß und nur knappe 60 % in Müllentsorgungsanlagen unter kontrollierten Bedingungen entsorgt. Diese Mengen an Müll beschleunigen die Klimakrise in relevanter Art & Weise und bedrohen so auch das Wohlergehen und den wirtschaftlichen Wohlstand der Menschhheit. Wenn wir jetzt keine Maßnahmen treffen, um die Menge an Müll weltweit zu dezimieren, wird das jährliche Aufkommen an Haushaltsmüll bis 2050 auf 3.800.000.000 Tonnen ansteigen.

Heute ist also der passende Tag, um sich eingehender mit dem Thema Müll & Abfallwirtschaft im Gesundheitswesen auseinanderzusetzen!

Zahlen & Fakten

Jedes Jahr produzieren deutsche Krankenhäuser etwa 3.500.000 – 4.800.000 Tonnen Abfall und sind somit der fünftgrößte Abfallproduzent in Deutschland – das sind etwa 7 – 8 Tonnen Müll pro Tag und die Zahlen stammen aus der Vor-Corona-Zeit! Nicht nur mit diesem großen Müllaufkommen macht der deutsche Gesundheitssektor etwa 5,2 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus, wovon etwa 66 % auf den Einkauf von Waren und Dienstleistungen entfallen, also Bereich die regelhaft mitverantwortlich sind für die entstehenden Mengen an Müll. So kommen pro Tag und Patient*in etwa 6 kg Krankenhausmüll zusammen, was etwa dem Sechstel des Mülls eines/einer Normalbürger*in entspricht. Insgesamt konnte der Bericht „Ressourcenschonung im Gesundheitssektor“ des Umweltbundesamtes (UBA) zeigen, dass der Ressourcenverbrauch im Gesundheitswesen zwischen 1995 & 2016 um ca. 80 % anstieg.

Bei der Entsorgung von Krankenhausabfällen wird i.d.R. zwischen hausmüllähnlichen Abfällen sowie klinikspezifischen Abfällen, untergliedert in 16 verschiedenen Abfallarten mit unterschiedlichen Abfallschlüsseln. Grundsätzlich lässt sich aber hinsichtlich der Entsorgung sagen, dass 91 % der Abfälle keine speziellen Anforderungen für die Entsorgung haben. Die restlichen 9 % sind klinikspezifische Abfälle mit besonderen Anforderungen, von denen selbst rund 40 % gefährliche Abfälle sind (z.B. Abfälle mit einem Infektionsrisiko). Aufgeschlüsselt nach den speziellen Anforderungen für Sammlung und Entsorgung ergibt sich so z.B. für das Jahr 2020 folgendes Bild:

Quelle: https://www.iit-berlin.de/wp-content/uploads/2023/07/2023_07_05_iit_Studie_Nr.2_Nachhaltigkeit-im-Gesundheitssektor.pdf

Schaut man sich die Abfallsystem von Kliniken genauer an, so nutzen die meisten Krankenhäuser Abfallsystem mit 25 Kategorien/Müllsorten, jedoch landen zw. 5 – 25 % der Abfälle in falschen Mülleimern, sind also sog. „Fehlwürfe“. I.d.R. finden sich die „Fehlwürfe“ in Müllkategorie mit höherklassiger Kontaminationsstufe. Ursächlich für diese „Fehlwürfe“ sind in einer Vielzahl der Fälle die unzureichende Ein- bzw. Unterweisung der Mitarbeitenden sowie regelmäßig entstehende Unsicherheiten des Personal hinsichtlich der Entsorgung und der immer größer werdende Zeitdruck in allen Bereich des Gesundheitswesens.

Die Corona-Pandemie hat auf das immer größer werdende Müllproblem im Gesundheitsbereich nochmals wie ein Katalysator gewirkt. So entstanden laut Schätzungen täglich zusätzlicher Abfall von etwa 3.400.000.000 Masken jeglicher Art. Insgesamt geht die WHO davon aus das weltweit mehr als 200.000 Tonnen medizinischer Abfall im Zuge der Corona-Krise entstanden, darunter folgende Einzelpositionen:

  • 144.000 Tonnen an gebrauchten Nadeln, Spritzen und Sammelbehältern für Impfungen
  • 87.000 Tonnen Schutzbekleidung (ausgeliefert durch die UN zw. März 2020 und November 2021)
  • 2.600 Tonnen Müll durch Corona-Test
  • 731.000 Liter an chemischen Abfällen

In einer Studie in asiatischen Städten konnten im Zuge der COVID-19-Pandemie so ca. 3,4 kg infektiöser Müll pro Bett und Tag ausgemacht werden, was etwa das Zehnfache gegenüber normalen Zeiten ist.

Weitere interessante Zahlen zum Müll und zur Abfallwirtschaft im Gesundheitswesen findest du in der nachfolgenden Auflistung:

  • ca. 25 % der Krankenhausabfälle bestehen laut Practice Greenhealth aus Plastik
  • laut Thiel et al. entstehen beispielsweise bei einer Hysterektomie bis zu 10 kg Müll
  • eine Studie des Deutschen Krankenhausinstitutes aus dem Jahr 2019 ergab, dass der Median für das Abfallaufkommen je KH bei 420,19 Tonnen lag, was 1.430 kg pro Krankenhausbett entspricht (3x so viel wie das jährliche Abfallaufkommen einer Person im privaten Haushalt)
Quelle: https://www.svp.de/kreislaufwirtschaft-im-gesundheitssektor/
  • etwa 400 g Plastik entstehen täglich pro Patient*in in dt. Krankenhäusern
  • weltweit sorgt das Gesundheitswesen für insgesamt 4,4 % der CO2-Emissionen
  • ca. 800 € betragen die Entsorgungskosten für ein KH-Bett mit Maximalversorgung
  • rund 70 % der dt. KH nutzen laut MedReview Mehrweg-OP-Besteck
  • laut dem IWKS wurden in dt. Kliniken 2014 8.000 Tonnen Einmalinstrumente weggeworfen (z.B. 15.000.000 Einwegscheren, Pinzetten und andere Instrumente laut Scholz Labor- und Klinikbedarf)
  • durch Mehrweggewebe- anstatt Kunststoffsäcken im Bereich der Abwürfe für wiederverwendbare Berufsbekleidung konnte das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden ca. 4 T weniger Kunststoffmüll verzeichnen
  • etwa 50.000 kg medizinische Implantate und chirurgische Einweginstrumente landen laut DESTATIS jährlich im Abfall, was dem fünffachen Gewicht des Eifelturms entspricht
  • laut Weltgesundheitsorganisation wären ca. 85 % aller Krankenhausabfälle prinzipiell recycelbar
  • 100 Einweghandschuhe, also eine Box MED-COMFORT blue Einweghandschuhe, sorgt unter Berücksichtigung von Produktion, Transport und Entsorgung für Emissionen von 3,23 kg CO2-Äquivalent, was ca. dem CO2-Ausstoss eines Oberklasse-Benziner-PKWs auf 10 km entspricht (Handschuhverbrauch eines großen, deutschlandweit tätigem Krankenhaus-Konzern = 525 Erdumrundungen mit einem Oberklasse-Benziner-PKWs)

Enden möchte ich an dieser Stelle mit einem Zitat aus den Arbeiten von Grieger et al. vom IWKS und dem IRED, welches sehr schön zeigt, dass „Kleinvieh auch Mist macht!“:

Für chirurgische Instrumente aus Edelstahl wurde aus den Erfahrungen eines internen Projekts (Gellermann, Grieger, Lorke 2018) ein Durchschnittsgewicht von 40 Gramm angenommen. Für die metallischen Produkte ergibt sich für 2020 aus der hochgerechneten Stückzahl von 24,5 Millionen ein Gesamtgewicht von rund 1.000 Tonnen/Jahr. Andererseits ermittelten wir aus Gesprächen mit Kliniken einen durchschnittlichen Bedarf von 166 metallischen Einmalinstrumenten pro Bett und Jahr (vor der Pandemie in 2019). Von den insgesamt 500.000 Klinikbetten waren 2019 in Deutschland 77 Prozent belegt (siehe HIER), davon geschätzt mindestens 90 Prozent im Zuge operativer Eingriffe. Nach dieser überschlägigen Rechnung ergibt sich eine Gesamtmasse von sogar 2400 Tonnen Edelstahl pro Jahr. In 2019 wurden rund 16 Millionen Operationen an 16 Millionen vollstationär aufgenommenen Personen sowie rund 3 Millionen diagnostischer Eingriffe vorgenommen (siehe HIER).

Grieger, Sven. „Recycling von Medizinprodukten“. Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS, 27. September 2022. https://www.iwks.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/pressemeldungen-2022/recycling-von-medizinprodukten.html.

Exkurs in die präklinische Notfallmedizin

Für die Präklinik liegen leider nur wenig Zahlen vor. Jedoch konnte laut Grannemann et al. gezeigt werden, dass im Rahmen einer 24 Studnen dauernden Analyse in einem Rettungsdienstbereich mit 10 RTW und 3 NEF bei insgesamt 112 Einsätzen, dass bei 1,5 kg (46 % des Gesamtabfalls) Recyclingpotenzial bestünde. Insgesamt berichten Grannemann et al., dass weltweit nur rund 2 % des Kunststoffabfalls der industriellen Recycling zugeführt werden. Um Vergleichswerte zu haben, analysierten Grannemann et al. den Abfall einer Notaufnahme eines Maximalversorgers und auch hier konnte gezeigt werden, dass 64,6 % des Mülls Kunststoff und 18,4 % Papier waren, also i.d.R. unkompliziert recyclebar und ggf. sogar reduzierbar.

Lösungsansätze

Um das Problem mit der immer größer werdenden Menge an Abfällen im medizinischen Bereich in den Griff zu bekommen braucht es viele Ansätze! Die grundsätzliche Richtung, in die es gehen sollte, findet man in § 6 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Dort wird die folgende Abfallhierarchie, also Maßnahmen zur Vermeidung und Abfallbewirtschaftung in der folgenden Rangfolge:

  • Abfallvermeidung
  • Vorbereitung zur Wiederverwendung
  • Recycling
  • sonstige Verwertung, insb. energetische Verwertung & Verfüllung (z.B. Müllverbrennung)
  • Beseitigung

Egal wie, muss aber immer klar sein, dass Patient*innenversorgung und -sicherheit zu jeder Zeit sichergestellt sein muss. Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zu klugen und durchdachten Ansätzen zur Ressourceneinsparrung und Abfallvermeidung. Um dieses große Unterfangen zu realisieren, sollten in medizinischen Einrichtungen Abfallbeauftragte berufen werden, welche neben der Schulung des Personals zu den gesetzlichen Vorgaben der Mülltrennung und des Recyclings, auf die konsequente Umsetzung selbiger Gesetze achten.

Auch im Bereich der Einsparung und Vermeidung von Abfall gilt das o.g. Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ und so lohnen sich z.B. auch so kleine Maßnahmen wie die kritische Prüfung von Medikamentenplänen oder die Wahl einer kleinen Packungsgröße bei Erstverschreibungen, um so Abfall einzusparen. Weitere kleine & größe Ansätze wären z.B.:

  • klar erkennbare, unternehmensübergreifende Kennzeichnung über Symbole/Farbsystem für sortenreine Trennung von Kunststoffabfälle für werterhaltende Aufbereitung (CAVE: hierzu sind ggf. auch gesetzl. Regelungen nötig, damit klar ersichtlich ist, aus welchem Material die jeweiligen Produkte bestehen)
  • Monomer-Recycling (Depolymerisation mit Hilfe von Enzymen oder Katalysatoren) anstatt von mechanischem oder chemischem Recycling
  • Medizinprodukte nachhaltig designen (Nutzung biobasierter Kunststoffe; Berücksichtigung des Recyclingprozesses; Designoptimierung, um Produkte zu verschlanken & ggf. Menge der Einzelteile reduzieren)
  • Weiterentwicklung von Trenn- & Sortierkonzepten durch Recycling- & Entsorgungsunternehmen zur Reduktion von Mischabfall
  • lokale Dekontamination kontaminierter, aber nicht infektiöser Abfall vor Ort, sodass im Nachgang quasi Haushaltsmüll entsorgt wird
  • nachhaltige Beschaffung von Mehrwegartikel sowie optimierte Lagersysteme und Einkaufsplanung, welche für weniger Wegwurf bei Ablauf sorgen
  • Nutzung elektronischer Dokumentationssysteme, um hohen Papierverbrauch zu reduzieren

Einen guten Überblick über Ansätze zur Abfallentsorgung bietet die Broschüre „Abfallentsorgung – Informationen zur sicheren Entsorgung von Abfällen im Gesundheitsdienst“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) aus dem Juni 2023. Hier ist vor allem die „Checkliste für sichere Entsorgung“ der BGW zu empfehlen. Des Weiteren hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) im Rahmen ihrer regelmäßigen Mitteilungen eine „Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes“ (Stand: Juni 2021) erstellt.

Ein schönes Beispiel wie man beim Abfallmanagement nachhaltig werden kann, ist das Universitätsklinikum Bonn, die seit 2022 das Recycling chirurgischer Einweggeräte eingeführt hat. Weiteres dazu findet Ihr im Artikel „Was Kliniken gegen Müll unternehmen können“ der Tagesschau. Ein weiteres Positivbeispiel ist das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), welches seit 1994 grüne Projekte in verschiedenen Bereich durchführt und so z.B. durch eine konsequente Abfalltrennung 41 % des Abfalls der weiteren Verwertung zugeführt werden konnten, was Einsparungen im Bereich von insgesamt 130.000 Euro bedeute. Ein weiteres aus dem UKE ist die elektronische Patient*innenakte, welche das UKE als erstes Universitätsklinikum in Europa flächendeckend einführte.

Quellen

Published inWelttag...

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