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Leitlinie „Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter“ DGPE

veröffentlichende Fachgesellschaft: Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 31.03.2019
Ablaufdatum: 30.03.2024
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/068-003.html

Definition

  • akute infektiöse Gastroenteritis (AGE) eines der häufigsten pädiatrischen Krankheitsbilder
  • klinisch durch verminderte Stuhlkonsistenz und für das Alter erhöhte Stuhlfrequenz definiert, die auch mit Fieber und Erbrechen einhergehen kann
  • verläuft häufig mild, ist aber mit einer relevanten Hospitalisationsrate und nicht zu vernachlässigenden Todesratenassoziiert
  • mangelnde Flüssigkeitsaufnahme, Elektrolytentgleisung oder zunehmende Dehydration im Rahmen der AGE sind die häufigsten Gründe für stationäre Krankenhausaufenthalte bei Kindern in Deutschland
  • Durchfall/Diarrhoe: Abgang von zu flüssigem Stuhl unabhängig von der Ätiologie
  • akute Diarrhoe: akut einsetzend, Dauer maximal 2 Wochen, meist infektiös, toxisch
  • prolongierte Diarrhoe: Dauer von mehr als 7 bis 14 Tage, meist infektiös
  • chronischer Durchfall/Diarrhoe: Durchfall über mehr als 14 Tage unabhängig von der Ätiologie (kongenital, erworben, funktionell)
  • persistierende Diarrhoe: infektiöse Durchfallerkrankung über mehr als 14 Tage

Diagnostik

  • Leitsymptome sind plötzliche Minderung der Stuhlkonsistenz und Steigerung der Stuhlfrequenz (> 3x/Tag oder mindestens 2 Stühle mehr als die für das Kind übliche Anzahl von Stühlen) mit oder ohne Erbrechen bzw. Fieber
  • Erbrechen dauert typischerweise 1 – 3 Tage, während die Durchfälle üblicherweise 5 – 7 Tage, in manchen Fällen auch bis zu 2 Wochen andauern können; bei persistierender Diarrhoe beträgt Durchfalldauer definitionsgemäß mehr als 2 Wochen
  • wenn weitere Symptome hinzukommen oder Erbrechen, bzw. Diarrhoe über die genannten Zeiträume hinaus anhalten, sollen andere Erkrankungen in Betracht gezogen werden
  • bei Verdacht auf AGE nach weiteren Fällen in der Umgebung, Auslandsreisen, Tierkontakt und Aufnahme potentiell kontaminierter (infektiöser) Nahrungsmittel und Getränke fragen
  • aus differentialdiagnostischen Gründen sollte im Rahmen der Anamneseerhebung auch nach Konsum von diarrhoeauslösenden Nahrungsmitteln/Getränken gefragt werden
  • Zeichen für vitale Gefährung
    • eingeschränktes Bewusstsein
    • kaltschweißige Haut
    • extrem eingesunkene Augen (ggf. Fontanelle)
    • trockene Schleimhäute (Zunge)
    • fehlende Tränen
    • schlaffer Muskeltonus
    • > 10 % Verlust des Körpergewicht
    • verlängerte kapilläre Füllungszeit (> 3 Sekunden)
    • Tachypnoe
    • Azidose-Atmung
    • Tachykardie
    • Anurie
  • klinische Zeichen einer hypernatriämischen Dehydration
    • unruhige, ungezielte Bewegungen
    • erhöhter Muskeltonus
    • gesteigerte Muskeleigenreflexe
    • Krampfanfälle
    • Schläfrigkeit bis hin zum Koma
  • wichtigsten klinischen Zeichen für eine mittelgradige Dehydration
    • 5-9 % Gewichtsverlust
    • verlängerte kapilläre Füllungszeit (> 2 sec)
    • reduzierter Hautturgor
    • „klebrige“ Schleimhäute
    • verminderte Tränenbildung
    • leicht eingesunkene Augen
    • vertiefte Atmung
    • Irritabilität
    • Fieber
    • reduzierte Urinproduktion
  • hohes Fieber, blutige Stühle und starke Bauchschmerzen sprechen eher für bakterielle Infektion
  • Erbrechen und respiratorische Symptome sprechen eher für virale Genese

Komplikationen

  • Hauptkomplikationen der AGE sind Dehydration mit Hypovolämie sowie Störungen des Säurebasen- und Elektrolythaushalts
    • besonders Dehydrations-gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder < 2 Jahre, Kinder und Jugendliche nach ausgedehnten Darmresektionen und solche mit Immundefizienz, Diabetes mellitus, Stoffwechseldefekten oder Malnutrition
  • Krampfanfälle oder Enzephalopathie treten am häufigsten bei viraler AGE auf, können aber auch durch bakterielle Infektionen verursacht werden
  • bei bestimmten bakteriellen AGE (z.B. durch Yersinien, EHEC,
  • Campylobacter, Salmonellen) kann es zu weiteren erregerspezifischen Komplikationen wie Sepsis, Krampfanfällen, Nierenversagen, sowie mikroangiopathischen (z. B. HUS, TTP), rheumatischen und neurologischen Folgeerkrankungen (z.B. Guillain-Barre-Syndrom, reaktive Arthritis) kommen

Indikationen zur Arztvorstellung

  • Alter < 3 Monate, oder Gewicht < 8 kg
  • Fieber > 38°C für kleine Säuglinge (< 3 Monate), > 39°C für größere Kinder (3 – 36 Monate)
  • schwere Grunderkrankung wie z.B. Diabetes mellitus, Nierenerkrankung
  • fortwährendes Erbrechen
  • große und häufige Durchfälle sowie blutige Durchfälle
    • Durchfälle > 7 Tage
  • Zeichen für eine Dehydration
  • Unfähigkeit der Eltern ORL (Orale Rehydrations-Lösung) zu verabreichen oder Kind toleriert ORL nicht
  • undurchsichtige Umgebungsbedingungen (nicht einzuschätzende soziale Bedingungen…)

Indikation für stationäre Einweisung

  • bei Schock / schwere Azidose
  • bei schwerer Dehydration (Gewichtsverlust ≥ 9 %)
  • bei gescheiterter oraler Rehydration
  • bei ausgeprägter Hyponatriämie (Na+ < 130 mmol/L) bzw. ausgeprägter Hypernatriämie (Na+ > 150 mmol/L)
  • bei neurologischen Symptomen (Lethargie/Koma)
  • bei nicht gesicherter adäquater ambulanter Umsetzung der Rehydration durch Betreuungsperson/en
  • bei schwerer (chronischer) Grunderkrankung (z.B. onkologischer Erkrankung, Immundefizienz, Diabetes und andere Stoffwechselstörungen)
  • bei Malnutrition und/oder Gedeihstörung
  • bei Hinweis auf Ileus oder intestinale Transportstörung (z.B. Invagination)
  • bei Säuglingen < 3500 g; oder jünger als 2 Monate
  • bei anhaltend blutiger Diarrhoe

Therapie

  • ausreichende Flüssigkeitssubstitution; koffeinhaltige Getränke, Limonaden & Fruchtsäfte nicht zur oralen Rehydration verwenden
  • intravenöse Rehydration soll erfolgen
    • bei Scheitern einer oralen/nasogastralen Rehydration
    • bei Schockzustand
    • bei schwerer Dehydration > 9% KG (insbesondere, wenn neurologische Symptome bestehen, oder eine schwere Azidose (pH< 7,25; BE<-15mmol/l) oder Hypo- oder Hypernatriämie vorliegt)
    • bei Symptomen eines Ileus, galligem Erbrechen
  • bei Schock initial 20 – 40 mL/kg KG isotone Kochsalzlösung (alternativ Ringer-Lösung) über 15 – 30 min
  • bei persistierendem Schock darüber hinaus nach anderen Ursachen suchen
  • intravenöse Rehydration bei schwerer Dehydration ohne Schock mit einer schnellen Phase von 20 mL/kgKG isotoner Kochsalzlösung (alternativ Ringer-Lösung) über 2 bis 4 Stunden
  • intravenöse Rehydration im Verlauf soll abhängig von den Elektrolyt-Befunden und dem Alter des Kindes mit 2/3- oder Vollelektrolytlösungen, in der Regel mit 5%-Glukose erfolgen
  • Antiemetika nicht zur Therapie der akuten Gastroenteritis verwenden
  • Loperamid nicht eingesetzen bei AGE
Published inLeitlinien kompakt

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