veröffentlichende Fachgesellschaft: Royal Children’s Hospital Melbourne (RCH)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.03.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.rch.org.au/clinicalguide/
Grundsätzliches
- Tier-/Menschenbisse mit Verletzung der Haut stellen hohes Infektionsrisiko dar und gelten als kontaminierte Wunden (CAVE: schnelles, gründliches Auswaschen ist notwendig; Bissinfektionen sind polymikrobiell; Risiko der Übertragung von durch Blut übertragbarer Infektionen/Erkrankungen)
- Kinder (v.a. Kleinkinder) sind die häufigsten Opfer von Tierbissen
- Hundebisswunden sind meistens Quetschungen, Risswunden und Schürfwunden, die durch den hohen Druck, den der Kiefer des Hundes erzeugt, und die damit verbundene reißende Bewegung entstehen
- Katzen verursachen i.d.R. Stichverletzungen, die an der Oberfläche klein erscheinen, aber tief eindringen und Knochen, Gelenke und Sehnen beschädigen können
- menschliche Bissverletzungen entstehen oftmals durch direkte Bissversuche, aber auch durch Verletzung der geballten Faust bei Schlag gegen das Gesicht anderer Personen
- angemessene Analgesie/Sedierung ist wichtig und notwendig, um das Ausspülen und die Wundexploration zu erleichtern
- gründliche Beurteilung der Tiefe und Verletzung der zugehörigen Strukturen ist obligat
- Bissverletzungen sollten i.d.R. offen gelassen werden (ohne primären Verschluss)
Anamnese
- beteiligtes, beißendes Tier oder Mensch
- Zeitpunkt der Verletzung
- Anzahl und Ort der Bisse
- Risiko von Begleitverletzungen, z.B. durch Sturz oder Mitreißen/-schleifen durch das Tier
- aktueller Impfstatus (v.a. Tetanus)
- sonstige Anamnese bzgl. Komorbiditäten (z.B. Immunsuppression), regelmäßiger Medikamenteneinnahme, Allergien
- Sozialanamnese (häusliches Umfeld, andere Haushaltsmitglieder, Beaufsichtigung von Tieren in der Nähe)
Diagnostik
- Lokalisation der Verletzung (v.a. von Körperregionen, welche eine Behandlung durch eine spezialisierte Fachabteilung bedürfen)
- begleitende Verletzungen (HWS-/Kopf-Verletzungen bei Sturz; Verletzung langer Knochen oder der Wirbelsäule, wenn das Kind geschleift wurde; Augenverletzungen, wenn das Gesicht betroffen ist)
- Beurteilung der Tiefe der Wunde (subkutan, Durchbruch der Muskelfaszie etc.)
- vor Infiltration des Lokalanästhetikums auf Anzeichen für neurovaskuläre oder Sehnenverletzungen achten (veränderte Empfindung, Blutung, Funktionsverlust)
- wenn Gelenk betroffen ist, Wunde in verschiedenen Positionen untersuchen
- Beurteilung der Perfusion der Wundränder und der Haut distal der Verletzung (bei Bedenken hinsichtlich der Perfusion Überweisung an plastische Chirurgie)
- Suche nach Anzeichen einer Infektion wie Rötung, Eiterbildung, Fieber (CAVE: bei Hundebissen ggf. erst nach 24 h und bei Katzenbissen ggf. erst nach 12 h klinisch erkennbar)
- Kindesmisshandlung in Betracht ziehen, wenn Verdacht besteht, dass der Biss von einem erwachsenen Menschen stammt
Therapie
- lebensbedrohliche Verletzungen gemäß gültigen Trauma-Leitlinien behandeln
- Transport in Fachklinik bzw. Klinik mit Fachabteilung bei Bissverletzung an „besonderen“ Stellen wie Gesicht, Hand, Fuß oder Genitalien oder bei ausgedehntem Hautverlust
- Ausspülen jeder Bisswunde mit Verletzung der Haut unter Analgesie (& ggf. unter Sedierung)
- Entfernung aller Fremdkörper (Zähne, Trümmer, etc.)
- Spülung mit NaCl 0,9 % mithilfe einer 20-mL-Spritze und einer großlumigen Kanüle (CAVE: ausreichend Flüssigkeit verwenden, i.d.R. > 250 mL)
- Antibiotikaprophylaxe bei folgenden Risikomerkmalen
- Wunden, die primär verschlossen werden
- späte Vorstellung (Wunde > 8 Stunden alt)
- tiefe Punktions- oder Risswunden
- Bisswunden an Händen (auch Verletzungen mit geballter Faust), Gesicht, Füßen oder im Genitalbereich
- enge Nähe zu Knochen oder Gelenken
- assoziierte Quetschverletzungen
- offene Frakturen
- immungeschwächtes Kind
- Katzenbisse
- Tetanusprophylaxe
- Tollwutprophylaxe (& ggf. auch PEP ggü. Fledermaus-Lyssavirus) bei allen Patient*innen, bei denen ein Verdacht oder ein hohes Risiko für einen Fledermausbiss besteht
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