Was ist die gefühlte Temperatur?
Wahrscheinlich jede*r kennt es, wenn während der Wintertage die Temperatur, die das Thermometer anzeigt, so gar nicht mit dem eigenen Empfinden in Einklang zu bringen ist oder wenn andere Menschen ein ganz anderes Temperaturempfinden haben. Aus diesem Grund haben Staiger et al. 2012 mit dem Konzept der „gefühlten Temperatur“, also dem menschlichen Temperaturempfinden, einen Index zur Beurteilung der thermischen Umwelt des Menschen entwickelt. Dieser Index vergleicht die tatsächlich vorgefundenen Bedingungen mit der Temperatur, die in einer Standardumgebung herrschen müsste, um ein identisches Temperaturempfinden auszulösen. In diesem Rahmen wurde dann noch die Bekleidung zwischen sommerlich leichter und winterlich dicker so variiert, dass sich die Menschen nach Möglichkeit behaglich fühlen. Hierbei wird die gefühlte Temperatur in die folgenden Bereiche unterteilt:
- < 0 °C –> Kältegefühl/Kaltgefühl
- 0 – 20 °C –> Behaglichkeit
- > 20 °C –> Wärmegefühl/Warmgefühl
Staiger et al. berücksichtigen aber auch weitere Faktoren außer der Lufttemperatur, welche mit dem Wärmehaushalt und Haut der Menschen reagieren, und zwar Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Sonnenstrahlung, Wärmestrahlung der Atmosphäre sowie individuelle Faktoren wie Aktivitätsgrad (Wandern, Radfahren, Skifahren o.Ä.), getragene Kleidung, Alter und das Gewicht. Denn fast jede*r wird schon einmal bemerkt haben, dass Wind die gefühlte Temperatur sinken lässt oder Windstille, direkte Sonneneinstrahlung & feucht-warme Luft die gefühlte Temperatur steigen lässt. Wird dann der Behaglichkeits- oder Komfortbereich durch die Aufnahme oder Abgabe von Wärme verlassen, kommt es zu Wärmebelastungen. Diese Wärmebelastungen zeigen sich vor allem in einer stärkeren Belastung für Herz, Kreislauf sowie die peripheren Blutgefäße. Diese Wärmebelastung wird nochmals stärker in Abhängigkeit der Aktivität.
Das Klima-Michel-Modell
Da wir nicht zu sehr auskühlen oder aufheizen wollen, ist es notwendig, dass sich Wärmegewinn und Wärmeabgabe die Waage halten und hierfür hält der Körper einige unwillkürlich ablaufende Regulationsmechanismen bereit. Der Körper fühlt sich natürlich bei minimaler Aktivität der Regulationssysteme am wohlsten. Die für die Thermo- und Kreislaufregulation notwendige Anpassungsleistung kann man als das Maß für die Beanspruchung des Organismus unter den gegebenen thermischen Bedingungen ansehen und für diese Anpassungsleistung wird seit 2005 vom Deutschen Wetterdienst (DWD) das Klima-Michel-Modell von Jendritzky et al. aus dem Jahr 1990 verwendet. Beim Klima-Michel-Modell handelt es sich um ein vollständiges Wärmehaushaltsmodell für den Menschen, mit welchem sich die thermischen Umgebungsbedingungen bewerten lassen. Das Klima-Michel-Modell basiert auf der Behaglichkeitsgleichung nach Fanger aus dem Jahr 1972 und berücksichtigt einige zusätzliche Korrekturterme. Mit dem Klima-Michel-Modell lassen sich Aussagen über das durchschnittliche subjektive Empfinden des Menschen (Behaglichkeit, Wärmebelastung, Kältestress) treffen.
Warum der Name „Michel“?
Der Name „Michael“ soll verbildlichen, dass das Klima-Michel-Modell auf der Annahme eines Standardmenschen beruht. Der Klima-Michel spiegelt hierbei die folgenden Faktoren und unter den folgenden Bedingungen wider:
– männliches Geschlecht
– Alter: ca. 35 Jahre
– Körpergröße: 1,75 m
– Körperoberfläche: 1,9 m²
– Gehen mit konstanter Geschwindigkeit von 4 km/h in der Ebene (Arbeitsleistung von 116 Watt/m² Körperoberfläche)
– Energieumsatz einer Standardperson
– angepasste Bekleidung zwischen leichter Sommerbekleidung (kurzärmeliges Hemd, leichte lange Hose & Sandalen) und dicker Winterbekleidung (wollener Anzug mit Wintermantel, Kopfbedeckung & warme Schuhen), um nach Möglichkeit Behaglichkeit zu empfinden
Das thermische Empfinden wird mittels des Klima-Michel-Models als eine Funktion aus den meteorologischen Variablen Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit (Windchill), Wasserdampfdruck (Luftfeuchtigkeit), mittlere Strahlungstemperatur und der metabolischen Rate sowie der Wärmeisolation der Bekleidung berechnet und das Modell liefert Aussagen über das durchschnittliche subjektive Empfinden des Menschen (Behaglichkeit, Wärmebelastung, Kältestress) und wird für Wettervorhersagen/-Warnungen, bioklimatologische Bewertungen, Stadtklimauntersuchungen, in der Umweltepidemiologie, in der Klimawirkungsforschung usw. genutzt.

Quellen
- „Die gefühlte Temperatur und der Klimamichel“. o. J. Klimaweg-Geraberg. Zugegriffen 6. Januar 2025. http://www.klimaweg-geraberg.de/die-gefuehlte-temperatur-und-der-klimamichel.html.
- „Erläuterungen zur Gefühlten Temperatur“. o. J. Deutscher Wetterdienst. Zugegriffen 6. Januar 2025. https://www.dwd.de/DE/leistungen/gefahrenindizesthermisch/gefuehltetemp.html.
- „Gefühlte Temperatur“. 2021. Klima Mensch Gesundheit. 19. Oktober 2021. https://www.klima-mensch-gesundheit.de/news/details/gefuehlte-temperatur-wenn-das-thermometer-und-das-persoenliche-empfinden-sich-unterscheiden/.
- „Glossar – Klima-Michel-Modell“. o. J. Deutscher Wetterdienst. Zugegriffen 6. Januar 2025. https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv3=101438&lv2=101334.
- „Klima-Michel-Modell“. 2024. In Wikipedia. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Klima-Michel-Modell&oldid=245160994.
- Lux, Gerhard. o. J. „Der Klima-Michel“. Wander Magazin. Zugegriffen 6. Januar 2025. https://wandermagazin.de/de/15/heftarchiv/artikel/1847/der-klima-michel.html.
- Reis, Lisa. o. J. „Analyse und Bewertung der Umwelt unter Anwendung eines humanbioklimatologischen Modells am Beispiel des Umweltatlas Hessen“. Kopfweiden und Waldmoore. Zugegriffen 6. Januar 2025. https://www.klima.tu-berlin.de/dokuwiki/doku.php?id=wiki:umweltatlas_hessen.
- Staiger, Henning, Gudrun Laschewski, und Angelika Grätz. 2012. „The Perceived Temperature – a Versatile Index for the Assessment of the Human Thermal Environment. Part A: Scientific Basics“. International Journal of Biometeorology 56 (1): 165–76. https://doi.org/10.1007/s00484-011-0409-6.
- „Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Leistungen – Gefühlte Temperatur“. o. J. Deutscher Wetterdienst. Zugegriffen 6. Januar 2025. https://www.dwd.de/DE/leistungen/hitze_thermische_belastung/gefuehlte_temperatur.html.
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