Zum Inhalt springen

Konsensuspapier „Monitoring kardiovaskulärer Notfallpatienten in der Notaufnahme“ der DGK, DGINA und DGIIN

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK), Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V. (DGINA) und Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 15.09.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1007/s10049-023-01218-w

Grundsätzliches

  • kardiovaskuläre Erkrankungen machen großen Anteil der notfallmäßigen Diagnostik- und Behandlungsanlässe in deutschen Notaufnahmen aus, v.a. bei älteren Patient*innen
  • Herausforderungen sind, dass relevanter Anteil der Patient*innen rasche Diagnostik und Akuttherapie bedürfen und dass ggf. eine durchgehende Herz- und Kreislaufüberwachung geleistet werden muss
  • in jedem individuellen Fall im Rahmen der notfallmäßigen Vorstellung initial Diagnostik zu Atmung, Kreislauf und Bewusstsein nach ABCDE-Schema
  • auch individuelle Faktoren, z.B. Komorbiditäten & Gebrechlichkeit (Frailty), spielen Rolle
  • nicht nur der „Monitor“ selbst, sondern auch Erhebung der Begleitumstände und Anamnese sowie klinische Einschätzung und Beurteilung der Dynamik der Gesamtsituation nach Therapieeinleitung, bilden Zentrum des Monitorings
  • Patient*innen, die erweitertes Monitoring, v.a. Einsatz invasiver Systeme, benötigen, bedürfen neben personeller und medizintechnischer Ausstattung einer engmaschigen personellen Überwachung
  • zielgerichtete notfallpflegerische und akutmedizinische Versorgung erfordert interprofessionelles und interdisziplinäres Team mit standardisierten Abläufen
  • je nach Struktur und Größe des Klinikums enge Absprache zwischen Notaufnahme, Herzkatheterlabor und Intensivstationen sowie Festlegung, welche Maßnahmen in der Notaufnahme und welche auf Monitor- bzw. Intensivstation erfolgen sollen
  • Begriff „Monitoring“ steht für wiederholte oder kontinuierliche Echtzeiterfassung verschiedenster Funktionen eines Organs oder mehrerer Organe bzw. Organsysteme von Patient*innen sowie lebenserhaltender und lebensunterstützender Apparaturen (zur Verfügung stehen nichtapparative, v.a. Patientenbeobachtung, und apparative Beobachtungssysteme)
  • automatische, zeitnahe und sachgerechte Dokumentation, idealerweise direkt in Patient*innen-Datenmanagementsystem (PDMS), sollte vorausgesetzt werden
  • neben Vielzahl von apparativen Methoden zur Erhebung von Vitalparametern mittels Vitaldatenmonitors oder Daten weiterer technischer Unterstützungssysteme kommen auch weitere Protokolle oder Messskalen (Schmerz/Vigilanz/Delir) zum Einsatz

Sofortmaßnahmen und Ersteinschätzung

  • im Mittelpunkt der Sofortmaßnahmen steht Ersteinschätzung von Patient*innen
  • jede hilfesuchende Person, die sich in Notaufnahme vorstellt, sollte mittels validierten und strukturierten Systems zur Behandlungspriorisierung durch speziell geschultes notfallmedizinisches Personal zur Festlegung der Zeit bis zum Erstkontakt mit ärztlichem Personal ersteingeschätzt werden
  • Initiierung von auf Leitsymptome und Verdachtsdiagnosen angepasstes Monitoring

Basismonitoring

  • Monitor-Konfiguration inkl. Aufteilung und Lage von Kurven und Vitalparametern soll in Notaufnahme einheitlichen – am besten klinikeinheitlichen – Standard haben
  • zusätzliche Parameter, v.a. Schmerzen, Bewusstsein und Delir mitbeurteilen und in klinischen Entscheidungsprozess einbeziehen und dokumentieren
  • Modalitäten des Basismonitorings
    • Patient*innenbeobachtung, inkl. Atmung (Frequenz und Muster), Rekap-Zeit, Halsvenenfüllung, Geruch und Hautkolorit, Monitoring von Schmerz (z. B. VAS/NRS)
    • EKG (kontinuierlich 3/5-Ableitungs- und ggf. intermittierend 12-Kanal-EKG; Ableitungen II + V5 bevorzugen)
    • Pulsoxymetrie bzw. Messung der peripheren Sauerstoffsättigung (SpO2)
    • nichtinvasive Blutdruckmessung (NiBP)
    • Temperaturmessung
    • BGA (Point-of-care-Labor mit Blutgasanalyse, Laktat- und Elektrolytbestimmung)
    • BZ-Bestimmung
    • Kapnographie bei beatmeten Patienten
    • Bilanzierung (Stundenurin)
    • zerebrale Integrität (z. B. GCS; RASS; ggf. EEG)
    • Delir-Assessment (z. B. CAM-ED)
    • ggf. fokussierte Echokardiographie und Thoraxsonographie bei Patienten mit Leitsymptomen Thoraxschmerz und/oder Dyspnoe

erweitertes Monitoring

  • für kreislaufstabile Notfallpatient*innen ist meist Basismonitoring völlig ausreichend
  • bei (potenziell) instabilen Patient*innen sind oftmals zusätzliche Komponenten des erweiterten Monitorings, ggf. auch durch invasive Maßnahmen, erforderlich
  • bei kritisch kranken, instabilen Patient*innen stellt erweitertes Monitoring aufgrund der besonderen Situation und des Zeitdrucks oftmals Herausforderung dar und sollte unter standardisierten Vorgaben erfolgen

praktische Hinweise

  • NiBP-Messung
    • an allen Extremitäten möglich, Oberarm allerdings bevorzugt
    • Messintervall situationsangepasst
    • bei Messung auf korrekte Lage zur Arterie und korrekte Manschettengröße achten
    • CAVE: bei übergewichtigen Patienten, v.a. mit relativ gesehen kurzer Humeruslänge, oft falsch hohe Messungen
    • großer Oberarmumfang erfordert breitere Manschette
    • Messungen mittels Pulskonturanalyse sind denkbar und in Erprobung
    • Kontraindikationen für Messung mittels Blutdruckmanschette am betroffenen Arm berücksichtigen (z. B. Dialyse-Shuntarm, Ablatio mammae, Parese, arterielle/venöse Gefäßzugänge, Fraktur‑/Verletzungszeichen)
  • invasive und kontinuierliche arterielle Blutdruckmessung
    • bei kreislaufinstabilen Patient*innen nichtinvasive Verfahren vorziehen
    • bis zum Anlegen der arteriellen Kanüle Intervall der NiBP-Messung von 3 – 5 min gängige Praxis
    • im Fall eines infarktbedingten kardiogenen Schocks den zur Koronarintervention genutzten arteriellen Zugangsweg – wenn möglich – nicht zur Anlage eines arteriellen Katheters zur invasiven Blutdruckmessung verwenden
  • Pulsoxymetrie
    • für Pulsoxymetrie muss Sensor an Körperstellen positioniert werden, an denen arterielle Blutgefäße durchstrahlt werden können, d. h. Messungen nur über pulsatilen Gefäße
    • CAVE: pulssynchrone Bewegungen, z.B. bei kardiopulmonaler Reanimation, können akzeptable Sättigungswerte vortäuschen, daher Sauerstoffsättigung immer im Zusammenhang mit Pulskurve und Überprüfung eines adäquaten Sensor-Patient*innenkontaktes interpretieren
    • mögliche Fehlerquellen und beeinflussende Faktoren bei der Pulsoxymetrie beachten:
      • Beeinflussung durch Farbstoffe, z. B. dunkler Nagellack (blau, grün, schwarz), roter Nagellack beeinflusst weniger bis gar nicht, Methylenblau erzeugt falsch niedrige Werte
      • Bewegungsartefakte, z.B. durch Shivering oder unruhige Patient*innen
      • unzureichende Durchblutung, z.B. extreme Hypothermie, Schockzustand und hoch dosierte Katecholamintherapie
      • relevante Carboxyhämoglobinämie bei Verwendung konventioneller Pulsoxymetrie (z. B. nach Rauchgasinhalation)
      • fehlende Pulswelle (z.B. bei mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützung)
  • für Patient*innen, die apparativer, kontinuierlicher hämodynamischer/respiratorischer Überwachung bedürfen, min. 2 voneinander unabhängig agierende Vitalparameter (z. B. Herzfrequenz, SpO2) kontinuierlich zur Interpretation nutzen
  • zur kontinuierlichen EKG-Überwachung bei allen kardiovaskulären Ereignissen min. 5‑Pol-EKG nutzen und idealerweise Ableitungen II und V5 am Monitor wählen (ca. 80 % der ischämiebedingten ST-Streckenveränderungen können so frühzeitig erkannt werden)

symptomorientierte Vorgehensweise

  • im Gegensatz zur Intensivmedizin wird in der Notfallmedizin leitsymptombasiertes Management praktiziert (Patient*innen stellen sich primär mit führendem Symptom vor und erst sekundär – nach erfolgter Differenzialdiagnostik – lässt sich Arbeitsdiagnose zuordnen
  • für jedes Leitsymptom kommt Reihe von Differenzialdiagnosen in Betracht, daher standardisierte Abklärung unter Berücksichtigung der häufigsten Ursachen (sog. Red Flags)
  • kardiovaskuläres Monitoring ist primär leitsymptomorientiert; erst im Verlauf der diagnostischen Abklärung Arbeitsdiagnosen-adaptierte Differenzierung
  • leitsymptomorientiertes Vorgehen sollte differenzialdiagnostische Überlegungen beinhalten
  • im Zweifelsfall gibt Differenzialdiagnose mit höchstem Überwachungsbedarf die zu wählenden Monitoringmodalitäten vor

Kardiovaskuläres Monitoring von ausgewählten akutmedizinischen Krankheitsbildern

akutes Koronarsyndrom (ACS) mit STEMI sowie NSTEMI und instabile Angina pectoris

Akutes Koronarsyndrom (ACS)

  • akutes Koronarsyndrom präsentiert sich mit ähnlicher Klinik wie instabile Angina pectoris (iAP), Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI) oder ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI), die sich neben der festgelegten Definition anhand von EKG und Biomarkern v. a. im Hinblick auf die Krankenhaussterblichkeit unterscheiden (iAP 0,6 %, NSTEMI 6,6 %, STEMI 12 %)
  • Einteilung zwischen iAP, NSTEMI und STEMI erfolgt nicht bei Erstkontakt, da sich Patienten in der Regel mit dem Leitsymptom Thoraxschmerz/Druckgefühl und/oder Dyspnoe vorstellen, welches ein strukturiertes, an klinischen und laborchemischen Ergebnissen adaptiertes Vorgehen triggert
  • kardiovaskuläres Monitoring bereits ab initialer Triagierung
  • neben Ersteinschätzung parallel auch Vitalparameter miterfassen
  • erstes apparatives Diagnostikum: 12-Kanal-EKG (Auswertung durch Arzt innerhalb von 10 min nach Erstvorstellung)
  • obwohl in ca. 30 % der NSTEMI-Fälle unauffälliges EKG vorliegt, auf charakteristische Abweichungen wie ST-Streckensenkungen, undulierende ST-Streckenhebungen und Veränderungen der T‑Wellen achten
  • Kontroll-EKGs ebenfalls in Abläufen berücksichtigen
  • bei nichtkonklusiven Standardableitungen zusätzlich Ableitungen V4r (V. a. Rechts-Herzinfarkt) und V7 – V9 (V. a. Posterior-Infarkt) ableiten
EKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
iAPJA, bis Festlegung weiterer StrategieJAJANEINJANEINJANEINNICHT ROUTINEMÄßIG
NSTEMIJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJANICHT ROUTINEMÄßIGJANEINNICHT ROUTINEMÄßIG
STEMIJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJANEINNICHT ROUTINEMÄßIG

STEMI

  • wenn STEMI-Diagnosekriterien vorliegen, unverzüglich Team des nächsten Herzkatheterlabors informieren, um umgehenden Transfer zu gewährleisten
  • kardiovaskuläres Monitoring bis zur (Direkt‑)Versorgung im Herzkatheterlabor aufrecht erhalten
  • bei linksventrikulärem Rückwärtsversagen im Sinne einer pulmonalvenösen Stauung und zur Erhebung des Oxygenierungsstatus zwingend Pulsoxymetrie
  • postinterventionelle Überwachung idealerweise nicht auf Beobachtungsstation der Notaufnahme, sondern auf IMC oder ITS

NSTEMI und instabile Angina pectoris

  • EKG- und Blutdruckmonitoring in der Notaufnahme bzw. in einer angeschlossenen oder integrierten CPU bei Patient*innen, die nicht den STEMI-Kriterien entsprechen, bis Diagnostik abgeschlossen ist
  • kontinuierliche Rhythmusüberwachung bis NSTEMI-Diagnose ausgeschlossen ist bzw. auch darüber hinaus, wenn Diagnose nachgewiesen ist
  • Überwachung stationär und max. 24 h in Notaufnahme oder angeschlossener CPU mit Orientierung an lokalen Standards und internationalen Leitlinien
  • transthorakale Echokardiographie zum Ausschluss einer regionalen und globalen Einschränkung der myokardialen Kontraktilität sowie Differenzialdiagnosen wie dekompensierter Aortenklappenstenose, Lungenarterienembolie, Peri‑/Endokarditis oder Perikardtamponade
  • frühzeitige Point-of-care-BGA zur Evaluation der Oxygenierung (SpO2) und der Gewebeischämie (Laktat) zum Ausschluss bzw. zur Detektion eines infarktbedingten kardiogenen Schocks

akute Herzinsuffizienz

  • Herzinsuffizienz = pathophysiologische Endstrecke vieler kardiovaskulären Erkrankungen
  • Zahl der wegen Herzinsuffizienz in eine Klinik aufgenommenen Patienten nimmt seit Jahren deutlich zu, v.a. bei älteren Patienten
  • akut dekompensierte Herzinsuffizienz (ADHF) geht z.B. oftmals mit Lungenödem einher
  • ADHF ist häufigste Form der AHF und macht 50 – 70 % der Fälle aus
  • klinische Einteilung in 4 Unterformen (siehe Tabelle)
akute dekompensierte Herzinsuffizienzakutes Lungenödemisolierte Rechtsherzinsuffizienzkardiogener Schock
Charakteristika– „Wet and warm“/„wet and cold“
– v.a. bei progredienter HFrEF
– HFpEF
– „wet and warm“
– meist valvulär oder hypertensiver Notfall
– „Wet and cold“
– z.B. dekompensierter pulmonale Hypertonie oder Rechtsherzinfarkt oder Hochrisiko-LAE
– „Wet and cold“ – meist infarktbedingter kardiogener Schock
MonitoringMonitoring 1Monitoring 1Monitoring 1Monitoring 2
– Monitoring 1: kontinuierliches Monitoring als individuelle Entscheidung nach Klinik, z. B. EKG, SpO2 sowie diskontinuierliches/intermittierendes Monitoring mit NiBIP, AF, Temp., Diurese, BGA, Herz‑/Lungenultraschall
– Monitoring 2: kontinuierliches Monitoring mit EKG, invasive RR-Messung, Diurese (Dauerkatheter [DK]), SpO2 sowie diskontinuierlich Monitoring mit AF, Temp., BGA, Herz‑/Lungensono sowie umgehend HKL und/oder ITS
EKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
akute dekompensierte HerzinsuffizienzJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJAJAJA
akutes LungenödemJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJAJAJA
isolierte RechtsherzinsuffizienzJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJAJAJA
kardiogener SchockJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJAJAJAJA
  • zusätzlich regelmäßige Erhebung des klinischen Befundes (Zeichen Hautmarmorierung, Bestimmung Rekap-Zeit, Körpertemp.) und Bestimmung des Laktats bzw. der Laktatclearance und von Organ(system)-spezifischen Laborparametern (u.a. Blutbild, Retentionswerte, Leberwerte, Gerinnungsstatus) zur frühzeitigen Detektion eines Multiorgandysfunktionssyndrom
  • fokussierte Echokardiographie, Thorax‑/Lungensonographie, ggf. Thorax-Röntgen und Beurteilung der V. cava inferior zählen zum hämodynamischen Monitoring beim infarktbedingten kardiogenen Schocks
  • „erweitertes hämodynamisches Monitoring“ (v.a. invasive RR-Messung) ist mit Beginn notwendiger Inotropika-/Vasopressorentherapie indiziert
  • kontinuierliche HZV-Messung zur intensivmedizinischen Therapiesteuerung bei persistierendem kardiogenem Schock
  • Verweildauer in Notaufnahme bis Verlegung auf ITS < 60 min anstreben
  • bei bekannter Herzinsuffizienz ohne klinische Zeichen der kardiopulmonalen Dekompensation (z.B. Gewichtszunahme/Beinödeme ohne führende Dyspnoe) keine Indikation eines kardiovaskulären Monitorings; ggf. Verlegung auf Normalstation

hypertensives Notfallgeschehen

  • ≥ 180 mm Hg systolisch und/oder ≥ 110 mm Hg diastolisch
  • über 25 % aller internistischen und in 2 – 5 % aller Notfälle in der Notaufnahme
  • Differenzierung zw. Vorhandensein und Fehlen von Endorganschäden
    • Vorhandensein von Endorganschäden = hypertensiver Notfall
    • Fehlen von Endorganschäden = hypertensive Dringlichkeit
  • hypertensive Dringlichkeit (früher: hypertensive Krise)
    • Häufigkeit: 75 %
    • intermittierendes Monitoring für wenige Stunden
    • nichtinvasive Blutdruckmessung
  • hypertensiver Notfall
    • Häufigkeit: 25 %
    • kontinuierliches Monitoring für min. 24 h
    • nichtinvasive Blutdruckmessung (ggf. auch invasives Monitoring)
    • assoziiert mit Endorganschäden wie
      • akute hypertensive Enzephalopathie (ca. 15 % der Fälle)
      • akute intrakranielle Blutung (Schlaganfall)
      • akute retinale Blutung
      • akute Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem
      • akutes Koronarsyndrom
      • akute Aortendissektion
      • Sonderfall: Schwangere mit schwerer Hypertonie oder Präeklampsie
EKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
hypertensiver NotfallJAJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJANICHT ROUTINEMÄßIGNEINNICHT ROUTINEMÄßIGNICHT ROUTINEMÄßIG
hypertensive DringlichkeitNEINNICHT ROUTINEMÄßIGJANEINNEINNEINNEINNEINNICHT ROUTINEMÄßIG
  • invasive Blutdruckmessung bei intrazerebraler Blutung oder Typ-A-Aortendissektion zur engmaschigen Steuerung der Hämodynamik (bei Typ-A-Aortendissektion arterielle Druckmessung über linke A. radialis)
  • engmaschige RR- & HF-Kontrolle zur Verhinderung einer Ruptur und/oder Verschlechterung der Dissektion mit konsekutiver Verschlechterung der Organperfusion bei Typ-B-Aortendissektion
  • invasives Blutdruckmonitoring bei Patient*innen auf Überwachungsstation mit i.v.-Medikation zur Blutdruckeinstellung
  • zusätzlich regelmäßig Schmerzerfassung & -behandlung neben Vitalparameterüberwachung
  • kardiales Monitoring für min. 24 h mit Rhythmus- bzw. EKG-Monitoring sowie unverzügliche Verlegung auf Stroke Unit bei Schlaganfall
  • standardisierten Monitoring inkl. kontinuierliche, periphere SpO2-Messung, ggf. BGA sowie fokussierter Lungenultraschall (Stauungszeichen, B‑Lines) bei hypertensiven Patient*innen, die Lungenödem entwickeln
  • bei allen anderen Patient*innen invasives Monitoring in Notaufnahme, wenn individuelle Zielblutdruckwerte nicht innerhalb von 2 h erreicht werden und intensivierte i.v.-Gabe von Antihypertensiva mittels Spritzenpumpe notwendig ist

Synkope

  • in Europa verantwortlich für ca. 1 % aller Notaufnahmevorstellungen
    • Reflexsynkope (35 – 50 %)
    • orthostatische Synkope (25 – 45 %)
    • kardiale Synkope (5 – 20 %)
  • Kernelemente der Diagnostik sind Anamnese, körperliche Untersuchung, 12-Kanal-EKG (inkl. Rhythmusstreifen) und ggf. v.a. bei unklarer Synkope oder anamnestischen Hinweisen auf eine orthostatische Genese ein Orthostase-Test/Liege-Steh-Versuch
  • Merkmale für High-Risk-Synkope
    • neu aufgetretene Atemnot oder Thorax‑, Abdominal- oder Kopfschmerz
    • Synkope während Belastung oder im Liegen
    • plötzlich einsetzende Palpitation unmittelbar gefolgt von Synkope
    • schwere strukturelle oder koronare Herzerkrankung (Herzinsuffizienz, eingeschränkte linksventrikuläre Funktion oder früherer Myokardinfarkt)
    • Synkope ohne Warnsymptome oder kurze Prodromi (< 10 s) oder plötzlicher Herztod in der Familienanamnese oder Synkope im Sitzen in Verbindung mit einer strukturellen Herzerkrankung oder auffälligem EKG
    • unklare Hypotonie mit Blutdruckwerten < 90mmHg systolisch
    • Hinweis auf gastrointestinale Blutung (u. a. in Rektaluntersuchung)
    • persistierende Bradykardie (< 40/min) im Wachzustand und ohne körperliches Training
    • neues Systolikum
    • auffälliges 12-Kanal-EKG (Major-/Minor-Kriterien)
Hochrisikosynkope als LeitsymptomEKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
initialJAJAJAJA, bei Vorliegen eines SchocksNICHT ROUTINEMÄßIGJANICHT ROUTINEMÄßIGJA, bei Vorliegen eines SchocksNICHT ROUTINEMÄßIG
bis zur definitiven AbklärungNICHT ROUTINEMÄßIGNEINJAJA, bei Vorliegen eines SchocksNICHT ROUTINEMÄßIGNICHT ROUTINEMÄßIGNEINNEINNICHT ROUTINEMÄßIG
  • Überwachung für min. 6 h in Notaufnahmestation – potenziell im Sinne einer integrierten Synkopen-Unit oder die Aufnahme auf (tele)monitorisierte Normalstationsplatz (oder IMC je nach lokalen Gegebenheiten) – erscheint sinnvoll

akute Lungenarterienembolie (LAE)

  • venöse Thromboembolie, die sich klinisch als TVT oder LAE präsentiert, ist weltweit dritthäufigste kardiovaskuläre Akuterkrankung nach Myokardinfarkt und Schlaganfall
  • jeden klinische V.a. LAE unverzüglich und konsequent zur diagnostischen Sicherung und bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit auch zur Therapieeinleitung noch vor Diagnosesicherung veranlassen
  • infolge erhöhter rechtsventrikulärer Nachlast kann über akute Rechtsherzbelastung mit Abnahme des Schlagvolumens kardiogener Schock resultieren
  • zeitnahe Risikostratifizierung, um zwischen hämodynamisch stabile und instabile Patient*innen zu unterscheiden
  • hämodynamisches Basismonitoring von Patient*innen mit LAE beginnt bereits prähospital und sollte auch im innerklinischen Behandlungspfad (in NA, radiologische Abteilung sowie auf IMC oder ITS) kontinuierlich erfolgen
  • Echokardiographie und Bestimmung kardialer zur Einordnung der Risikoklassifikation
  • LAE-Patient*innen primär in Abhängigkeit von Risikoprofil bzw. klinisch-hämodynamischen Schweregrad der LAE überwachen
  • idealerweise Überwachung auf ITS oder IMC nach Überwachung im Schockraum bzw. Beobachtungsstation der NA mit kontinuierlichem Monitoring
  • Überwachung von LAE-Patienten mit intermediär hohem Risiko auf IMC oder IMC-ähnlich strukturierter Beobachtungsstation
frühes Sterberisikohämodynamische Instabilitätklinische Parameter des LAE-Schweregrads und/oder Komorbidität: PESI-Klasse III–V oder sPESI ≥ 1RV-Dysfunktion (Echokardiographie oder CT)erhöhte kardiale biochemische Marker (Troponin und/oder natriuretische Peptide)
hoch+(+)+(+)
intermediär hoch+++
intermediär niedrig+eins oder keins positiveins oder keins positiv
niedrigBestimmung optional, falls bestimmt, negativ
Klassifizierung der Patienten mit akuter LAE auf Basis des frühen Sterberisikos
EKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
hohes RisikoJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJAJAJAJAJA
intermediär hohes RisikoJAJAJANEINJANICHT ROUTINEMÄßIGNEINNEINJA

Herzrhythmusstörungen

  • Palpitationen als Ausdruck von Herzrhythmusstörungen sind ein häufiges Leitsymptom einer notfallmäßigen Patientenvorstellung
  • durch HZV-Abnahme bis hin zum Kreislaufstillstand kardiovaskuläre Überwachung und Akutdiagnostik/-therapie indiziert
  • Einteilung von kardialen Arrhythmien
    • atriale Tachyarrhythmien = supraventrikuläre Extrasystolie, Sinustachykardie, Vorhofflattern/-flimmern, fokale/multifokale atriale Tachykardie
    • atrioventrikuläre (AV) Arrhythmien = AV-junktionale Tachykardien/AV-Knoten-Reentrytachykardien (AVNRT) oder AV-Reentrytachykardie (AVRT)
    • ventrikuläre Arrhythmien = ventrikuläre Extrasystolie, Tachykardien/Kammerflimmern/Torsade de Pointes, mono-/polymorph; nicht anhaltende (Dauer < 30 sec), anhaltende VT (Dauer ≥ 30 sec)
    • Bradykardien = Sinusbradykardien, Sinusarrest oder sinuatrialer Block (SA-Block), atrioventrikulärer Block (AV-Block), Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern
EKG-Monitoring12-Kanal-EKGNiBPRR invasivSpO2BGATemp.Urin-BilanzierungEchokardio-graphie
hämodynamisch stabilJAJAJANEINJANICHT ROUTINEMÄßIGNEINNEINNICHT ROUTINEMÄßIG
hämodynamisch instabilJAJAJANEINJAJANICHT ROUTINEMÄßIGJAJA
  • kompensierte, hämodynamisch stabile Herzrhythmusstörungen i.d.R. nicht-zeitkritisch
  • bei Patient*innen mit instabilen Herzrhythmusstörungen schnellstmöglich Akutabklärung (u. a. 12-Kanal-EKG, BGA/Labor, fokussierte Echokardiographie) und Behandlung (z. B. Kardioversion/Defibrillation, Schrittmachertherapie, medikamentöse Therapie)
  • bei Rhythmusstörungen und Instabilitätszeichen (RRsys < 90 mm Hg mit Symptomatik [z. B. Bewusstseinsstörung/Synkope oder Brustschmerzen], ventrikulären Arrhythmien oder Zeichen der akuten Herzinsuffizienz bzw. des kardiogenen Schocks) kardiovaskuläre Überwachung
  • je instabiler die Hämodynamik, umso engmaschiger die Überwachung
  • hämodynamisch stabile Patient*innen mit oder mit V.a. Rhythmusereignis temporär – z. B. in der Beobachtungsstation der NA – kardiovaskulär überwachen, bis sich aus Genese oder Therapie Dringlichkeitsstufe ergibt
  • bei klinisch asymptomatischen Patient*innen ohne erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil (z. B. fehlende kardiale Vorerkrankung, kein plötzlicher Herztod in Familienanamnese), die keiner akutmedizinischen Diagnostik/Therapie bedürfen, i.d.R. kein kardiovaskuläres Monitoring indiziert
  • Kardioversion oder medikamentöse Akuttherapie von Rhythmusstörungen in NA unter kontinuierlicher Monitorüberwachung
  • Indikation zur vorherigen transthorakalen oder transösophagealen Echokardiographie individuell prüfen
Published inLeitlinien kompakt

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert