Zum Inhalt springen

Leitlinie „Damage Control Resuscitation (DCR) in Prolonged Field Care“ des JTS

veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.10.2018
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs

Grundsätzliches

  • frühzeitige Erkennen und Eingreifen bei lebensbedrohlichen Blutungen entscheidend
  • ergänzende Maßnahmen zur Milderung des hämorrhagischen Schocks und der akuten traumatischen Koagulopathie, darunter:
    • früher Einsatz von Tranexamsäure (TXA)
    • Kalziumergänzung bei Patienten mit Hypokalzämierisiko
    • Vermeidung von Azidose und Hypothermie
    • zügige Übergabe an unfallchirurgische Fachabteilung zur Schadensbegrenzung

Erkennen von Patienten, welche DCR benötigen

  • Erkennung eines hämorrhagischen Schocks durch Erkennen schwerer Verletzungsmuster sowie durch rasche Untersuchung:
    • traumatische Amputation oberhalb des Knies, insbesondere in Verbindung mit Beckenverletzung
    • proximale, bilaterale oder multiple Amputationen (einschließlich verstümmelter Extremitäten)
    • klinisch offensichtlich penetrierende Verletzungen des Brustkorbs oder des Abdomens
    • unkontrollierte trunkale oder junktionale Blutungen
    • unkontrollierte starke Blutungen infolge großer Weichteilverletzungen
    • schwere Traumata mit veränderter Vigilanz (ohne Hirnverletzung) und/oder schwachem oder fehlendem Radialispuls
  • Erkennung eines hämorrhagischen Schocks durch Erkennen schwerer Verletzungsmuster sowie anhand folgender Vitalparameter und Anzeichen eines Schocks:
    • RR sys. < 100 mmHg
    • Puls > 100/min
    • klinische Zeichen eines Schocks, (z.B. kühle Extremitäten, verlängerte Rekap-Zeit)
    • klinische Zeichen einer Koagulopathie (z.B. nicht gerinnende Blutungen aus mehreren Stellen, Blutungen aus kleineren Wunden wie i.v.-/i.o.-Punktionsstellen)

Therapie

Blutungskontrolle

  • Stoppen äußerer Blutungen und/oder Reduktion innerer Blutungen, soweit wie möglich, mit den nachfolgenden Mitteln:
    • Tourniquets
      • innerhalb von 2 Stunden Wechsel zu Druckverband, wenn die Kriterien für Wechsel erfüllt sind (z.B. rückläufiger/nicht mehr bestehender Schock, sistieren der Blutung durch andere Intervention)
      • Tourniquets, die länger als 6 Stunden angelegt sind, nur entfernen, wenn engmaschige Überwachung und Laborüberwachung möglich sind (CAVE: Hyperkaliämie und Reperfusionssyndrom)
    • Wound packing
      • bei Blutungen, die durch den hämostatischen Verband hindurch anhalten, Wunde neu beurteilen
      • Wound packing kann durch Hautklammern oder iTClamp® verbessert werden
    • Druckverbände
    • hämostatische Gaze
    • Beckenschlinge
    • Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta (REBOA)
      • nur Anlegen, wenn ein geübtes Team mit der Möglichkeit einer Massentransfusion, von Ultraschall und arteriellen Zugangs vor Ort ist
      • mögliche REBOA-Positionen (Zone I – Zwerchfell: bei abdominalen Blutungen oder traumatischem Herzstillstand; Zone III – distale Aorta oberhalb der Aortenbifurkation: bei Beckenblutungen und/oder Blutungen im Bereich der unteren Extremitäten)
      • Okklussionzeit Zone 1: max. 30 min; Okklussionzeit Zone III: max. 2 – 3 h

medikamentöse Therapie mittels TXA

  • antifibrinolytisches Medikament, welches bei Patient*innen mit Zeichen eines hämorrhagischen Schocks und bei allen Opfern, die die Kriterien für eine DCR erfüllen, innerhalb von 3 Stunden nach der Verletzung verabreicht werden sollte
  • TXA nicht später als 3 h nach Verletzung verabreichen (CAVE: erhöhte Sterblichkeit)
  • minimale Therapie
    • 1 g TXA als Infusion so schnell wie möglich in den ersten drei Stunden nach Verletzung
    • idealerweise i.v.-Applikation über einen Zeitraum von 10 min
  • maximale Therapie
    • 1 g TXA als Infusion so schnell wie möglich in den ersten Stunde nach Verletzung
      • TXA i.v./i.o. in 100 ml 0,9 % NaCl über 10 Minuten
    • zweite Dosis von 1 g TXA in 100 mL 0,9 % NaCl i.v. über 8 h als Infusion

Monitoring

  • Vitalparameter anfangs alle 15 min, dann alle 30 – 60 min dokumentieren
  • Überwachung der folgenden Parameter:
    • Bewusstseinslage/Vigilanz
    • AF
    • HF
    • periphere Pulse
    • RR
    • Temperatur
    • SpO2
    • wenn möglich bei Beatmung etCO2

Beendigung der DCR

  • minimale Maßnahmen
    • klinische Stabilisierung durch laufende Überwachung und Untersuchung erkennen
      • Normalisierung der Herzfrequenz
      • tastbare periphere Pulse
      • sich normalisierende Rekap-Zeit
      • Erwärmung der Extremitäten
      • Verbesserung der Vigilanz (kein Vorliegen einer Hirnverletzung)
      • Verlangsamung/Sistieren koagulopathischer Blutungen
  • maximale Maßnahmen: minimale Maßnahmen PLUS Erkennung der Verbesserung anhand sich verbessernde Vitalparameter und weitere objektiven Kriterien wie…
    • systolischer Blutdruck
      • Ziel-RR von ca. 100 mmHg, bei Gabe von Blutprodukten
      • Ziel-RR bei SHT von > 110 mmHg
      • Ziel-RR von 80 – 90 mmHg, wenn Gabe von Blutprodukten nicht möglich ist
    • Ziel-SpO2 > 92 % bei FiO2 < 50 %
    • Temepratur > 35 °C
    • Urinausscheidung > 30 mL/h oder > 0,5 mL/kg/h
    • wenn Laboruntersuchung möglich
      • Hämoglobinkonzentration > 8,0 g/dL
      • Hämatokrit > 27 %
      • Laktat < 2,5 mmol/L
      • Basendefizit < 4 (Base Excess > -4)

pädiatrische Patient*innen

  • Nutzung von Nachschlagewerken für pädiatrische Referenzwerte bzgl. Vitalzeichen, Medikamente und Hilfsmittel
  • Schätzung des gesamt zirkulierenden Blutvolumens bei Kindern < 12 Jahren liegt bei 70 – 80 mL/kg
  • wie bei Erwachsenen stellt der i.o.-Zugang den primären Zugangsweg dar
    • zweiter i.v.-/i.o.-Zugang sollte so bald wie möglich für die zusätzliche Medikamenten-Gabe
  • TXA-Gabe auch bei Kindern indiziert
    • Loading Dose von 15 mg/kg TXA (max. 1 g) i.v. über 10 min, gefolgt von 2 mg/kg/h über 8 h (max. 1g)
      • zweite Dosis als Infusion: 15 mg/kg TXA in 100-ml-0,9 % NaCl
    • wie bei Erwachsenen frühzeitige Transfusionstherapie eher früher als später beginnen
      • bei Kindern besteht ein hohes Risiko,während der Transfusion eine Hypokalzämie, Hypomagnesiämie, metabolische Azidose, Hypoglykämie, Hypothermie und Hyperkaliämie zu entwickeln

Beendigung aller Reanimationsmaßnahmen (Todesfestellung)

  • Verletzungen mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit
    • Schädelverletzungen mit freiliegender Hirnsubstanz (Ausnahme: isolierte Frontallappenverletzungen) oder schweres SHT mit Zeichen einer Hernie (z.B. erweiterte Pupillen, Hypertonie und Bradykardie)
    • penetrierende Thorax- oder Bauchverletzungen, die weiterhin hypotensiv sind oder nicht auf die nachfolgenden Maßnahmen ansprechen:
      • zwei Einheiten Bluttransfusion
      • bilaterale Thoraxdekompression (Nadeldekompression, Fingerthorakostomie, Thoraxdrainage)
      • Vorliegen einer Perikardtamponade
    • Extremitätenamputation mit Beckenfraktur
    • OHCA (trotz beidseitiger Thoraxdekompression), insbesondere wenn die nächste Klinik > 10 min entfernt ist
      • stumpfe Traumata ohne normalen Kreislauf-Parameter im Monitoring
      • CPR > 5 min
      • keine Herzaktivität bei FAST-Sonografie oder beim Abtasten über die linke Fingerthorakostomie
      • Asystolie, unorganisierter Rhythmus mit fehlender Auswurfleistung sowie Breitkomplex-/idioventrikulärer Rhythmus im EKG
    • Trauma der HWS mit Kreislaufstillstand
    • offensichtlich massives Trauma, z.B. Ganzkörpertrauma und Enthauptung
Published inLeitlinien kompakt

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert