veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 14.05.2021
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs
Diagnostik
- klinisches Syndrom, das Herzinfarkt oder instabile Angina pectoris umfasst
- MI kann entweder als STEMI oder als NSTEMI auftreten
- STEMI ist i.d.R. Folge einer Plaqueruptur und anschließender Thrombose einer Koronararterie, die zum Infarkt und anschließenden EKG-Veränderungen führt
- NSTEMI weist keine EKG-Veränderungen auf, kann aber auch sekundär zur Plaqueruptur (Typ 1 NSTEMI) oder zu unzureichender Durchblutung des Herzmuskels bei Erkrankungen wie Sepsis, Lungenembolie oder koronarem Vasospasmus (Typ 2 NSTEMI) führen
- STEMI als auch NSTEMI führen zu erhöhtem Troponinwert
- instabile Angina pectoris
- gekennzeichnet durch neu auftretende Brustschmerzen, die länger als 20 Minuten anhalten, oder schon in Ruhe oder bei geringer Belastung auftreten
- kann mit EKG-Veränderungen einhergehen
- bei anfänglich unklar auffälligem EKG (z.B. nur eine Ableitung erfüllt die Kriterien für eine ST-Hebung), Serien-EKGs (alle 15 Minuten während der ersten Stunde) durchführen
Symptomatik
- druckartige Brustschmerzen mit Ausstrahlung in Kiefer, Hals, einen oder beide Arme/Schultern oder den Rücken
- zusätzlich meist Übelkeit/Erbrechen, Kurzatmigkeit und starkes Schwitzen
- ggf. Dyspnoe allein, Müdigkeit, Schwäche, epigastrische Schmerzen, Herzklopfen, Synkope, Übelkeit allein und Herzstillstand (ca. bei 1/3 der Patient*innen)
- Kombination aus Anstieg und/oder Abfall der Troponinwerte PLUS den nachfolgenden klinischen Befunden als klinischer Befund für Diagnose eines akuten Herzinfarkts:
- neue ischämische EKG-Veränderungen
- Entwicklung von pathologischen Q-Wellen
EKG-Hinweise für einen ACS (12-Kanal-EKG)
- ST-Erhöhung in einer Region sollte mit einer reziproken ST-Senkung in der gegenüberliegenden anatomischen Region einhergehen
- ST-Erhöhung muss in zwei zusammenhängenden Ableitungen vorhanden sein
- STEMI-Kriterien
- ST-Hebung ≥ 0,1 mV in 2 oder mehr zusammenhängenden Ableitungen außer V2 – V3
- ST-Hebung in V2 – V3 mit den folgenden Kriterien:
- ≥ 0,25 mV bei Männern im Alter von < 40 Jahren
- ≥ 0,2 mV bei Männern im Alter von ≥ 40 Jahren
- ≥ 0,15 mV bei Frauen
- STEMI-Äquivalente
- Linksschenkelblock mit positiven Sgarbossa-Kriterien (positiv, wenn > 3 Punkte):
- ≥ 1 Ableitung mit ≥ 1 mm übereinstimmender ST-Hebungen mit dem QRS-Komplex (5 Punkte)
- ≥ 1 Ableitung von V1-V3 mit ≥ 1 mm übereinstimmender ST-Senkung mit dem QRS-Komplex (3 Punkte)
- ST-Hebung von ≥ 5 mm, die nicht mit dem QRS-Komplex übereinstimmt (2 Punkte)
- modifizierte Sgarbossa-Kriterien
- ≥ 1 Ableitung mit ≥ 1 mm konkordanter ST-Hebung mit QRS
- ≥ 1 Ableitung von V1 – V3 mit ≥ 1 mm übereinstimmender ST-Senkung mit QRS
- ≥ 1 Ableitung irgendwo mit ≥ 1 mm ST-Hebung und proportional übermäßiger diskordanter ST-Hebung, definiert durch ≥ 25% der Tiefe der vorhergehenden S-Welle (ST-S-Verhältnis von ≤ -0,25)
- ST-Senkungen ≥ 0,5 mm (in ≥ 2 zusammenhängenden Ableitungen) oder T-Wellen-Inversionen
- De-Winters-Zeichen
- ST-Senkungen am J-Punkt in V1 – V6 und hohe, spitze, symmetrische T-Wellen
- mit proximalem Verschluss der linken anterioren absteigenden Arterie (LAD) assoziiert
- Left main pattern
- ST-Senkung in mehreren Ableitungen mit gleichzeitiger ST-Hebung in Ableitung aVR
- Verschluss der linken Hauptarterie oder der proximalen LAD
- ST-Senkung in mehreren Ableitungen mit gleichzeitiger ST-Hebung in Ableitung aVR
- hyperakute T-Wellen
- breite, asymmetrisch spitz zulaufende T-Wellen
- Zeichen für frühen STEMI
- Wellens-Zeichen/Syndrom
- biphasische T-Wellen (Typ A) oder tiefe, symmetrische T-Wellen-Inversionen (Typ B) in den Ableitungen V2 – V3
- mit proximalem LAD-Verschluss assoziiert
- flache oder abfallende ST-Senkungen ≥ 0,5 mm in 2 zusammenhängenden Ableitungen
- ST-Absenkungen in den Ableitungen V1 – V3 als Zeichen für Hinterwandinfarkt (EKG mit Ableitungen V7 – V9 schreiben)
- bei Zeichen eines inferioren STEMI (ST-Hebungen in II, III und aVF mit reziproken Veränderungen) V1 – V6 spiegelbildlich kleben (V1R-V6R)
- Hinweis auf rechtsventrikulären Infarkt
- Linksschenkelblock mit positiven Sgarbossa-Kriterien (positiv, wenn > 3 Punkte):
Therapie
thrombozytenaggregationshemmende Therapie
- 162 – 325 mg Aspirin p.o.
- Clopidogrel (Plavix)
- Alter ≤ 75 Jahre: Loading-Dose von 300 mg p.o., dann 75 mg p.o. täglich
- Alter > 75 Jahre: Loading-Dose von 75 mg p.o., dann 75 mg p.o. täglich
- 180 mg Ticagrelor (Brillique) p.o., dann 90 mg zweimal täglich
gerinnungshemmende Therapie
- Enoxaparin (Lovenox) – MITTEL DER WAHL
- STEMI
- Alter < 75 Jahre: einmalig 30mg i.v.-Bolus plus 1 mg/kg (max. 100 mg für die ersten 2 Dosen), dann 1 mg/kg alle 12 Stunden
- Alter ≥ 75 Jahre: 0,75 mg/kg alle 12 Stunden
- NSTEMI
- 1 mg/kg alle 12 Stunden
- STEMI
- Heparin-Sulfat
- STEMI
- 60 U/kg als Bolus i.v. (max. 4000 U), dann 12 U/kg/h (max. 1000 U/Stunde) per infusionem
- NSTEMI
- 60 U/kg als Bolus i.v. (max. 5, 000 U), dann 12 U/kg/h (max. 1000 U/Stunde) per infusionem
- STEMI
Reperfusionstherapie
- Tenecteplase – MITTEL DER WAHL
- < 60 kg: 30 mg als Bolus i.v.
- 60 – 69 kg: 35 mg als Bolus i.v.
- 70 – 79 kg: 40 mg als Bolus i.v.
- 80 – 89 kg: 45 mg als Bolus i.v.
- ≥ 90 kg: 50 mg als Bolus i.v.
- Alteplase
- ≤ 67 kg: 15 mg als Bolus i.v. über 1 – 2 min, dann Infusion von 0,75 mg/kg (max. 50 mg) über 30 min, dann Infusion von 0,5 mg/kg (max. 35mg) über 60 min
- > 67 kg: 15 mg als Bolus i.v. über 1 – 2 Minuten, dann Infusion von 50 mg über 30 min, dann Infusion von 35 mg über 60 min (max. Gesamtdosis: 100 mg).
Statin-Therapie
- 80 mg Atorvastatin p.o.
- 20 – 40mg Rosuvastatin p.o.
Betablocker
- hemmen sympathische Stimulation und senken HF
- 12,5 mg Metoprololtartrat p.o. alle 6 – 12 h
- 25 – 50 mg Metoprololsuccinat p.o. einmal täglich
- 50 – 100 mg Atenolol p.o. alle 12 – 24 h
weitere Maßnahmen
- Sauerstoff-Gabe mit Ziel-SpO2 von < 90 %
- Analgesie mittels Morphin (zusätzlich Linderung Angstzustände, Senkung myokardialer Sauerstoffverbrauch)
- Nitroglyzerin
- 3x 0,3 – 0,4 mg sublingual alle 5 min; danach per infusionem
- 5 – 10 µg/min als Infusion; bei Bedarf zur Linderung der AP-Symptomatik in Schritten von 5 µg/min alle 5 – 10 min bis zu 20 µg/min titrieren (wenn AP-Symptomatik bei Dosis von 20 µg/min weiter anhält, Dosis um 10 – 20 µg/min alle 3 – 5 min bis max. 400 µg/min erhöhen
- kontraindiziert bei Patient*innen mit RR sys. < 100 mmHg, Einnahme von PDE-5-Hemmer oder Hinweis auf inferioren Infarkt
Komplikationen
Blutungen
- Blutungskomplikationen sind selten, können aber vorkommen
- neurologische Kontrollen hinsichtlich intrakranieller Blutungen alle 15 Minuten in der ersten Stunde und in den folgenden 6 Stunden alle 30 Minuten
- Normotension anstreben; RR sys. > 160 mmHg vermeiden
- 10 – 15 mg/kg Tranexamsäure (TXA) i.v.
kardiogener Schock
- definiert als RR sys. < 90 mmHg über 30 min oder SBP > 90 mmHg unter Vasopressoren mit Zeichen einer kardiovaskulär bedingten Endorganschädigung
- ggf. Zeichen eines Lungenödems (sich verschlimmernde Dyspnoe, knisternde Haut)
- ggf. Zeichen einer peripheren Hypoperfusion (schwache Pulse, kalte Extremitäten)
- Norepinephrin (Mittel der Wahl)
- 5 – 20 µg/min i.v., beginnend mit 5 µg/min und Erhöhung um 2 – 5 µg/min alle 15 min
- Dopamin
- 0,5 – 20 µg/kg/min i.v. (niedrigere Dosen bevorzugen)
mechanische Beatmung
medikamentöse Therapie
- kein Ketamin bei Patienten mit akutem Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz aufgrund des erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauchs und der negativen inotropen Effekte
- Etomidat für die Einleitung der Anästhesie empfohlen
- Propofol bei der Narkoseeinleitung mit Vorsicht verwenden (CAVE: akute Hypotonie); für Aufrechterhaltung der Anästhesie im Allgemeinen sicher, jedoch ist bei Patienten mit schweren Herzerkrankungen Vorsicht, da Propofol durch negativ inotrope Wirkung nachweislich kardiale Dysfunktionen verschlimmern kann
- Fentanyl für die Einleitung/Aufrechterhaltung der Anästhesie akzeptabel
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