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Leitlinie „Diagnosis and Management of Cyclic Vomiting Syndrome“ der AGA

veröffentlichende Fachgesellschaft: American Gastroenterological Association (AGA)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 16.07.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1053/j.gastro.2024.05.031

Grundsätzliches

  • Syndrom des zyklischen Erbrechens (engl.: cyclical vomiting syndrome; CVS): chronische Störung der Interaktion zwischen Darm und Gehirn, die durch akute Episoden von Übelkeit, Erbrechen & Würgereiz gekennzeichnet sowie zeitlich durch episodenfreie Perioden getrennt ist
  • ca. 50 % der Betroffenen sucht min. 1x jährlich eine Notaufnahme auf
  • ca. 1/3 der Patient*innen mit CVS hat eine anerkannte Behinderung
  • trotz wirksamer Behandlung wird das CVS oft spät diagnostiziert und unzureichend behandelt
  • schlechte CVS-Erkennung steht in krassem Gegensatz zur hohen CVS-Prävalenz bei Erwachsenen (in den USA z.B. rund 2 %; Frauen häufiger betroffen)

Symptomatik

  • Prodromalsymptome mit schwerstem Unwohlsein, Panikattacken und ggf. keine effektive Kommunikation mehr mgl. (bei ca. 65 %; i.d.R. 1 h vor Beginn)
  • wiederkehrende, akute Episoden von Brechreiz und Erbrechen
  • begleitende Symptome in der Prodromal- & Erbrechensphase wie Müdigkeit, Hitze-/Kältegefühl, „benebeltes Gefühl“, Unruhe, Angst, Kopfschmerzen, Stuhldrang, akuter Durchfall oder Verstopfung, Bauchschmerzen, Diaphorese, Erröten oder Zittern sowie ein Tremor
  • Symptomauftreten meistens in den frühen Morgenstunden
  • ggf. Auslösen von Erbrechen mit Finger oder durch Trinken großer Mengen Wasser, um sich vorübergehend Erleichterung zu verschaffen
  • Baden oder Duschen mit heißem Wasser zur vorübergehenden Symptomlinderung (bei ca. 48 % der Betroffenen)

Diagnostik

  • allgemeines Bewusstsein für CVS und rasche Erkennung sind Schlüssel zur wirksamen Behandlung
  • grundlegende Untersuchungen bei unbehandeltem, episodischem Erbrechen sind Blutbild (d.h. großes Blutbild, Serumelektrolyte, Glukose, Leberwerte & Lipase) und Urinanalyse
  • Ösophagogastroduodenoskopie oder Bildgebung des oberen Gastrointestinaltrakts kann obstruktive Läsionen als Ursache wirksam ausschließen (keine wdh. Untersuchungen)
  • keine routinemäßige Magenentleerungsszintigraphie
  • Durchführung anderer diagnostischer Tests auf Grundlage der individuellen Patient*innengeschichte und nur bei entsprechender Indikation (z.B. bei V.a. Morbus Addison, Hypothyreose und hepatische Porphyrie)
  • neurologische Bildgebung bei fokalen neurologischen Symptomen
  • Differenzialdiagnostik bzgl. Cannabis Hyperemesis Syndrom (längerer Konsum > 1 Jahr und starker Konsum, also d. h. > 4 Mal pro Woche, oft tgl.)
  • Anamnese bzgl. typ. Auslöser
    • häufig: Stress bei 70 – 80 %, Schlafmangel, Reisen, Reisekrankheit, hormonelle Schwankungen im Menstruationszyklus sowie physiologische Stressfaktoren wie akute Infektionen oder Operationen)
    • selten: langes Fasten oder intensive körperliche Betätigung

CVS-Phasen

  • Einteilung in vier Phasen: Prodromalphase –> Erbrechensphase –> Erholungsphase –> Intermediärphase
Quelle: https://www.gastrojournal.org/article/S0016-5085(24)05025-X/fulltext

Rome IV-Diagnosekriterien (für Erwachsene)

  • stereotype Episoden akuten Erbrechens mit einer Dauer von <7 d (CAVE: bei fast 15 % länger andauernd)
  • min. 3 einzelne Episoden innerhalb eines Jahres, von denen 2 in den letzten 6 Monaten aufgetreten sind (zw. Episoden min. 1 Woche Intermediärphase)
  • Abwesenheit von Erbrechen zwischen Episoden, aber Vorhandensein einiger milderer Symptome wie Übelkeit, gelegentliches Erbrechen & Dyspepsie

ANMS-CVSA-Kriterien für leichtes bzw. mittelschweres CVS

  • leichtes CVS: < 4 Episoden/Jahr mit Dauer von jeweils < 2 Tagen, ohne ZNA-Besuche oder KH-Aufenthalte
  • mittelschweres CVS: ≥ 4 Episoden/Jahr mit Dauer von jeweils >2 Tagen, mit min. einer ZNA-Vorstellung oder KH-Aufenthalt

Komorbiditäten

  • affektive Erkrankungen wie Panik-/Angstzustände, Depressionen (bei 50 – 60 %)
  • Migräne (bei 20 – 30 %)
  • Krampfanfälle/Epilepsie (bei ca. 3 %)

Therapie

  • Erkennen der CVS-Phasen von großer Relevanz, da die Prodromalphase der ideale Zeitpunkt für die Akuttherapie ist
  • Ruhe schaffen (ruhiger, dunkler Raum sowie ggf. Sedierung mit Benzodiazepinen)
  • Ketorolac zur Analgesie bei Bauchschmerzen
  • Gabe von Glukose i.v.
  • Gabe von Antiemetika i.v.

CVS-Prophylaxe

  • 1. Wahl: trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Nortriptylin oder Doxepin (Anfangsdosis von 25 mg/h & Zieldosierung von 75 – 150 mg oder 1 – 1,5 mg/kg/h)
  • 2. Wahl: Antikonvulsiva wie Topiramat (Anfangsdosis von 25 mg tgl. & Zieldosierung von 100 – 150 mg tgl. in mehreren Einzeldosen), Zonisamid (Anfangsdosis von 100 mg tgl. & Zieldosierung von 200 – 400 mg) oder Levetiracetem (Anfangsdosis von 500 mg zweimal tgl. & Zieldosierung von 1000 – 2000 mg tgl. in mehreren Einzeldosen)
  • Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten wie Aprepitant (bei > 60 kg 125 mg 2 – 3 mal wöchentlich & bei 40 – 60 kg 80 mg 2 – 3 mal wöchentlich)

unterstützende bzw. Akuttherapie

  • Triptane wie Sumatriptan (20 mg i.n. oder 6 mg s.c. als Einzeldosis, ggf. nach 2 h Wdh., max. 2 Dosen in 24 h)
  • Antiemetika wie Ondansetron (8 mg s.l. alle 4 – 6 h während Episode), Promethazin (12,5 – 25 mg oral/rektal alle 4 – 6 h während Episode) oder Prochlorperazin (5 – 10 mg alle 6 – 8 h ODER 25 mg als Zäpfchen alle 12 h)
  • Sedativa wie Alprazolam bzw. Lorazepam (0,5 – 2 mg alle 4 – 6 h) oder Diphenhydramin (12,5 – 25 mg alle 4 – 6 h während Episode)
Published inLeitlinien kompakt

2 Comments

  1. Paula Grünhagen Paula Grünhagen

    Ich leide seit Jahren an CVS und Migräne mit Hirnstamm Aura, habe mehrere „Attacken“, „Episoden“ im Monate, aber leider habe ich kein Arzt gefunden die mir helfen kann! Momentan werde ich nur von einen Neurologe wegen der Migräne behandelt, aber bis heute kein Arzt, und leider waren sehr sehr viele und viele Krankenhäuser Aufenthalt , erkennt die CVS Erkrankung. Können sie mir bitte einen Arzt empfehlen?

    • Hallo,
      ich fasse in diesem Blog nur Leitlinien zusammenfassen für ein eher notfallmedizinisches Fachpublikum und bin selbst kein Arzt, von daher, aber auch sonst, gebe ich hier keine medizinisch-ärztlichen Empfehlungen. Für eine Beratung rate ich zum Besuch bei einer/einem Fachärzt*in.

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