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Leitlinie „Diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure“ der ESC

veröffentlichende Fachgesellschaft: European Society of Cardiology
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 27.08.2021
Ablaufdatum: 27.08.2026
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab368

Definition der Herzinsuffizienz

  • keine einzelne pathologische Diagnose, sondern ein klinisches Syndrom aus mehreren Kardinalsymptomen (z.B. Atemnot, Knöchelschwellung Knöchelschwellung und Müdigkeit), die von folgenden Anzeichen begleitet sein können (z. B. gestaute Jugularvenendruck, Lungengeräusche und periphere Ödeme
  • auf strukturelle und/oder funktionelle Anomalie des Herzens zurückzuführen, die zu einem erhöhten intrakardialen Druck und/oder einer unzureichenden Herzleistung in Ruhe und/oder bei Belastung führt
  • Identifizierung der Ätiologie der zugrundeliegenden kardialen Dysfunktion der Herzfunktionsstörung ist für Diagnose der HF unerlässlich, da die spezifische Pathologie die anschließende Behandlung bestimmen kann
    • in den meisten Fällen ist die HF zurückzuführen auf eine myokardiale Dysfunktion: entweder systolisch, diastolisch oder beides
    • jedoch können auch pathologische Zustände der Herzklappen, des Herzbeutels und des Endokards sowie Herzrhythmus- und Erregungsleitungsstörungen zu einer Herzinsuffizienz führen oder beitragen

Klassifikation

  • NYHA I
    • keine Einschränkung der körperlichen Aktivität
  • gewöhnliche körperliche Aktivität verursacht keine übermäßige Atemnot, Müdigkeit oder Herzklopfen
  • NYHA II
    • leichte Einschränkung der körperlichen Aktivität
  • unproblematisch im Ruhezustand, aber normale körperliche Aktivität führt zu übermäßiger Atemnot, Müdigkeit oder Herzklopfen
  • NYHA III
    • deutliche Einschränkung der körperlichen Aktivität
    • unproblematisch in Ruhe, aber unterschwellige normale Aktivität führt zu übermäßiger Atemnot, Müdigkeit oder Herzklopfen
  • NYHA IV
    • unfähig körperliche Tätigkeit ohne Beschwerden auszuüben
    • Symptome können in Ruhe vorhanden sein, bei körperlicher Betätigung verstärken sie sich

akute Herzinsuffizienz

  • rasches oder schrittweises Auftreten von Symptomen und/oder Anzeichen von einer Herzinsuffizienz, die so schwerwiegend, dass sie notfallmedizinischer Intervention bedarf
  • akute Herzinsuffizienz ist eine der Hauptursachen für Krankenhausaufenthalte bei Patienten im Alter > 65 Jahre und geht mit hohen Sterblichkeits- und Rehospitalisierungsraten einher
  • kann die Erstmanifestation einer Herzinsuffizienz sein oder ist häufiger auf akute Dekompensation der chronischen Herzinsuffizienz zurückzuführen

Symptomatik

Symptomatikakute dekomp. Herzinsuffizienzakutes Lungenödemisolierstes Rechtsherzversagenkardiogener Schock
Pathophysiologie– Linksherzinsuffizienz
– Natrium- und Wasserretention in den Nieren
– erhöhte Nachlast und/oder
vorherrschende dias. Linksherzinsuffizienz
– Herzklappenerkrankung
Rechtsherzinsuffizienz und/oder präkapillare pulmonale Hypertonieschwere
Herzinsuffizienz
Hauptursache für Symptome– Flüssigkeitsansammlung
– erhöhter intraventrikulärer Druck
Umverteilung von Flüssigkeit in die Lunge
und akutes Atemversagen
erhöhter zentral-venöser Druck und häufig systemische Hypoperfusionsystemische Hypoperfusion
Symptombeginnschrittweise (Tage)schnell (Stunden)schrittweise oder schnellschrittweise oder schnell
Erscheinungsbildnass und warm oder nass und kaltnass und warmnass und kaltnass und kalt
Therapie– Diuretika
– Inotropika/Vasopressoren
– kurzfristig mechanische Kreislaufunterstützung
oder Nierenersatztherapie
Diuretika
Vasodilatatoren
– Diuretika
– Inotropika/Vasopressoren
– kurzfristig mechanische Kreislaufunterstützung
oder Nierenersatztherapie
– Inotropika/Vasopressoren
– kurzfristig mechanische Kreislaufunterstützung
oder Nierenersatztherapie

Diagnostik

  • zusätzlich zu klinischen Anzeichen und Symptomen umfasst die Diagnostik EKG und, wenn möglich, Echokardiographie
  • arterielle Blutgasanalyse durchgeführen, wenn genaue Messung von O2- und CO2-Partialdrücken erforderlich ist (z.B. bei Patienten mit Atemnot)
  • Pulsoximetrie routinemäßig bei der Erstvorstellung von Patienten mit akuter Herzinsuffizienz; ggf. kontinuierliche Überwachung in den ersten Stunden oder Tagen

Therapie

  • nichtinvasive Überwachung, einschließlich Pulsoxymetrie, Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz und einer kontinuierlichen EKG-Überwachung, die innerhalb weniger Minuten nach dem ersten Kontakt mit dem Patienten einleiten
  • rascher Transport in geeignete Zielklinik

Sauerstofftherapie und/oder Beatmung

  • Sauerstofftherapie nach klinischem Ermessen, in jedem Fall bei SpO2 < 90 % oder PaO2 < 60 mmHg zur Korrektur der Hypoxämie
  • bei Patienten mit Atemnot, Atemfrequenz > 25/min, SpO2 < 90 % nicht-invasive Beatmung entweder mit CPAP oder Druckunterstützung so früh wie möglich einleiten (Verbesserung der Ateminsuffizienz, Erhöhung der Oxygenierung und des pH-Wertes)
  • bei Patienten mit COPD Vorsicht bei Überoxygenierung
  • FiO2 bei Bedarf auf 100 % erhöhen
  • regelmäßige Blutdruck-Kontrollen bei NIV mit Überdruck
  • Intubation bei fortschreitendem Atemversagen trotz Sauerstoffgabe oder frustraner nicht-invasiver Beatmung

Diuretika

  • Schleifendiuretika i.v. für alle Patienten mit akutem hypoxämischen Versagen und Anzeichen/Symptomen einer Flüssigkeitsansammlung
  • zu Beginn der i.v.-Diuretika-Behandlung mit niedrigen Dosen; Ansprechen auf Diuretikum beurteilen und Dosis ggf. erhöhen, wenn diese unzureichend ist
  • bei Patienten ohne orale Diuretika-Einnahme Anfangsdosis von Dosis von 20 – 40 mg Furosemid oder Bolus von 10 – 20 mg Torasemid i.v.

Vasodilatatoren

  • Vasodilatatoren i.v bei RRsys > 110 mmHg erwägen
  • Gabe von 1 – 2 mg Nitroglycerin bei schwerer hypertensiver Entgleisung mit akutem Lungenödem

Inotropika und Vasopressoren

  • Inotropika bei Zeichen einer Hypoperfusion und niedrigem systolischem Blutdruck (z.B. < 90 mmHg) trotz Flüssigkeitstherapie, in Betracht ziehen; keine routinemäßige Empfehlung
    • CAVE: Sinustachykardie, VT bei Patienten mit Vorhofflimmern, Myokardischämie und Arrhythmien
  • Vasopressor, vorzugsweise Norepinephrin, bei Patienten mit kardiogenem Schock in Betracht ziehen, um den Blutdruck und die Perfusion der lebenswichtigen Organe zu erhöhen
  • Kombination aus Noradrenalin und inotropen Medikameten in Betracht ziehen, insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock
MedikamentLaufrate
Dobutamin2 – 20 mg/kg/min
Dopamin3 – 5 mg/kg/min
Milrinon0,375 – 0,75 mg/kg/min
Enoximon5 – 20 mg/kg/min
Levosimendan0,1 mg/kg/min, ggf. Senkung auf 0.05 oder
Erhöhung auf 0,2 mg/kg/min
Norepinephrin0,2 – 1,0 mg/kg/min
Epinephrin0,05 – 0,5 mg/kg/min

Opiate

  • keine routinemäßige Anwendung von Opiaten, es sei denn, es handelt sich um Patienten mit schweren Schmerzen oder Angstzuständen
  • lindern Dyspnoe und Angstzustände
  • als Beruhigungsmittel bei NIV-Therapie erwägen
  • CAVE: Übelkeit, Hypotonie, Bradykardie und Atemdepression

Thromboseprophylaxe

  • Thromboembolieprophylaxe (z.B. mit niedermolekularem Heparin) bei Patienten, die nicht bereits antikoaguliert sind und bei denen keine Kontraindikation für Antikoagulation besteht, um Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose und einer Lungenembolie zu verringern
Published inLeitlinien kompakt

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