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Leitlinie „First afebrile seizure – Emergency management in children“ des CHQ (Update 2024)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Queensland Hospital and Health Service (CHQ)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 02.02.2024
Ablaufdatum: 02.02.2028
Quelle/Quelllink: https://www.childrens.health.qld.gov.au/for-health-professionals/queensland-paediatric-emergency-care-qpec/queensland-paediatric-clinical-guidelines/first-afebrile-seizure

Grundsätzliches

  • Krampfanfälle machen 1 % aller Besuche in Kindernotaufnahmen aus
  • Vielzahl der Anfälle ist kurz und selbstlimitierend
  • 8 % der Kinder erleiden im Alter von 15 Jahren einen unprovozierten Anfall
  • generalisierte Anfälle betreffen 4 – 10 % der Kinder (höchste Inzidenz bei Kindern < 3 Jahre)
  • Einteilung in provozierte und unprovozierte Krampfanfälle
    • provozierte Krampfanfälle: Ereignisse, in engem zeitlichen Zusammenhang mit akuter ZNS-Schädigung (metabolisch, toxisch, strukturell, infektiös oder entzündungsbedingt)
    • unprovozierte Krampfanfälle: kein potenziell ursächlicher akuter klinischer Zustand vorliegend
  • typische provozierte Anfallsursachen sind Fieberkrämpfe oder benigne Krampfanfälle im Zusammenhang mit Gastroenteritis

Diagnostik

Anamnese

  • Beschreibung des Krampfgeschehens
    • Bewusstseinsgrad
    • fokale Symptome
    • Dauer des Anfalls und etwaige nachfolgende postiktale Episode
    • tonisch-klonische Bewegungen
  • Relevantes vor, während und nach Krampfgeschehen
    • Blässe & Schwitzen (v.a. vor/während vasovagalen/synkopalen Ereigniss)
    • Zungenbiss
    • Vorhandensein von Aura
    • Todd-Parese nach Anfall oder andere anhaltende fokale neurologische Symptome
    • Zeit bis zur Regeneration (postiktale Phase ist klares Indiz für Krampfanfall; Fehlen von postiktaler Phase kann Hinweis auf fokalen, sehr kurzen oder Absence-Anfall sein)
    • Einstuhlen und/oder Einnässen
    • i.d.R. Anstieg von HF und RR sowie ggf. Pupillenerweiterung
  • Auslöser
    • Schmerz, Wut oder Frustration als
    • Schädel-Hirn-Trauma
    • Wake-Up-Krampf oder Krampfgeschehen beim Aufwachen
    • maximale körperliche Anstrengung
  • neurologische Vorerkrankungen (strukturelle Gehirnanomalie, VP-Shunts sowie frühere ICB, Infektion, Tumor, Schlaganfall
  • sonstige Vorerkrankungen wie Koagulopathie, Nierenversagen, Bluthochdruck, Tumore, Endokrinopathien
  • Medikamentenanamnese wie gerinnungshemmende Medikamente (CAVE: auch nach kürzlichen Medikamentenanpassungen fragen)
  • Familienanamnese bzgl. Krampfanfällen oder Herzerkrankungen (Herzrhythmusstörungen, plötzlicher Herztod)

körperliche Untersuchung

  • Untersuchung gemäß ABCDE-Schema
  • neurologische Untersuchung (Suche nach fokalen Symptomen, Hirndruckzeichen, Meningismus
  • Suche nach Anzeichen für Intoxikation bzw. Toxidromen
  • Suche nach Anzeichen für Trauma
  • Suche nach nichtunfallbedingten Anzeichen für Kindesmisshandlung o.Ä.

Red Flags

  • Kopfverletzung mit verzögertem Anfall
  • Entwicklungsverzögerungen
  • Donnerschlag-Kopfschmerzen
  • Blutungsstörung, Antikoagulationstherapie
  • Drogen- oder Alkoholkonsum
  • fokale neurologische Defizite

Gerätediagnostik

  • BZ-Messung
  • EKG-Diagnostik mit Suche nach Auffälligkeiten wie QT-Veränderungen, Hinweise auf Brugada-Syndrom (z.B. ST-Hebungen in V1-V3), Hinweise auf hypertrophe Kardiomyopathie (z.B. „dolchartige“ Q-Wellen in lateralen und inferioren Ableitungen) oder Hinweise auf Präexzitationssyndrom (verkürztes PR-Segment, Delta-Welle)
  • Laboranalyse von Blut und ggf. Liquor sowie ggf. Drogenscreening
  • Bildgebung (cCT, MRT) bei
    • anhaltend verändertem Bewusstsein ohne Regeneration nach postiktaler Phase oder Wirkeintritt von Akutmedikation
    • neue fokal-neurologische Symptome (CAVE: auch Schlaganfall-Anzeichen)
    • V.a. ICB aufgrund Anamnese & Untersuchung oder frühere ICB in Anamnese
    • Notwendigkeit von Krampfdurchbrechung mit Antiepileptikum der 3. Wahl
    • Kinder <6 Monate
    • klinische Hinweise auf erhöhten Hirndruck
    • kürzliches SHT
    • anhaltender Kopfschmerzen
    • Antikoagulanzien-Einnahme oder bekannte Koagulopathie

Differenzialdiagnosen

  • Ereignisse, die keine Anfälle sind
    • Synkope
    • Schlafparasomnien
    • Affektkrampf
    • nicht-epileptische paroxysmale Ereignisse
    • Stereotypien
    • Tics
    • Transiente Ischämische Attacke (TIA)
    • komplexe Migräne
    • Schlafwandeln und Pavor nocturnus
    • Episoden benignen Starrens (Tagträumen)
    • gutartige Schlafmyoklonien
  • Zustände, die mit einem Anfall einhergehen
    • anoxischer Krampfanfall aufgrund von Herzrhythmusstörungen oder vasovagalen Anfällen
    • Hypoglykämie
    • Elektrolytstörungen (Hypo-/Hypohypertriämie, Hyperkalzämie)
    • psychogene nicht-epileptische Krampfanfälle (PNEE oder PNES)
    • metabolische oder hypertensive Enzephalopathie
    • intrakranielle Pathologie (Tumor, Trauma, Hämorrhagie, Ödem, Insult)
    • Infektion (Meningitis, Enzephalitis)
    • Intoxikation (Natriumkanalblocker, Serotonin-Syndrom)
    • Entzugskrampf (z.B. Benzodiazepine)
    • strukturelle Ursachen (z. B. TSC, kortikale Fehlbildung)
    • genetische Ursachen (z. B. SCN1A, früher Dravet-Syndrom)
    • immunologische Ursachen (z. B. Antikörper-vermittelte Enzephalitis)

Therapie

  • Sicherung von Atemweg, Atmung und Kreislauffunktion

Therapie der 1. Wahl

  • Midazolam
    • 0,3 mg/kg bukkal/i.n. (max. 10 mg)
    • 0,15 mg/kg i.v./i.o. (max. 10 mg)
    • 0,2 mg/kg i.m. (max. 10 mg)
  • Diazepam
    • 0,1 – 0,4 mg/kg i.v./i.o. (max. 10 mg)
    • 0,3 – 0,5 mg/kg rektal (max. 20 mg)

Therapie der 2. Wahl

sofern die Anfälle nach zwei Dosen der Therapien der 1. Wahl anhalten

  • 60 mg/kg Levetiracetam (Keppra) i.v. (max. 4,5 g) als Infusion über 5 min als Ladedosis
  • 20 mg/kg Phenytoin i.v. (max. 1500 mg) über min. 20 min bei Kinder > 1 Jahr (langsamer verabreichen über 60 min mit max. Rate von 1 mg/kg/min oder 50 mg/min, wenn Anfallsaktivität aufgehört hat)
  • 20 mg/kg Phenobarbiton i.v. (max. 1 g) über min. 20 min mit max. Rate von 1 mg/kg/min bei Säuglingen < 1 Jahr, bei Kontraindikation für Phenytoin sowie bei Erhaltungstherapie mit Phenytoin (CAVE: Atmung- & Kreislauf-Beeinträchtigung)
  • 40 mg/kg Valproat i.v. (max. 3000 mg) langsam über 3 – 5 min

Therapie der 3. Wahl

Intubation ermöglicht den Einsatz höherer Dosen von Antiepileptika wie z. B. Benzodiazepine und Barbiturate mit unerwünschte Wirkungen sind Hypoventilation und Atemstillstand

  • Schritte der RSI (Radid Sequence Induction)
    • Präperation des Materials, inkl. Verbalisieren des Vorgehens durch Teamleiter
    • Präoxygenierung (Beutel-Maske-Beatmung mit Fi02 von 100 %)
    • Prämedikation
    • Paralyse (Muskelrelaxation) und Sedierung
    • Platzierung des Tubus (inkl. Plans für fehlgeschlagene Intubation)
    • Post-Intubatons-Management
  • Medikamente für RSI
    • Thiopental oder Propofol als Narkotikum sowie wirksame Antikonvulsiva
    • Ketamin als Anästhetikum mit antiepileptischer Wirkung bei hämodynamisch instabilen Patient*innen
    • Rocuronium als Muskelrelaxanz der 1. Wahl
    • ggf. Sugammadex als Antidot für Rocuronium, falls notwendig
  • Vorgehen nach geltenden Hypoglykämie-Leitlinien bei BZ < 47 mg/dL
  • rascher Transport in geeignete Kinderklinik
Published inLeitlinien kompakt

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