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Leitlinie „Management of Arrhythmias During Pregnancy“ der HRS

veröffentlichende Fachgesellschaft: Heart Rhythm Society (HRS)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 19.05.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2023.05.017

Grundsätzliches

  • häufigste Herzrhythmusstörungen (HRS) in der neben Sinustachykardie sind ventrikuläre oder atriale Ektopien (spontane Rückbildung bei 50 – 60 % der Schwangeren)
    • Sinusarrhythmie (60 %)
    • atriale oder ventrikuläre Extrasystolen (19 %)
    • paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (pSVT; 14 %)
    • Vorhofflimmern und Vorhofflattern (1 %)
    • Kammerflimmern (1 %)
    • hochgradiger AV-Block (1 %)
  • erhöhte Neigung von Patientinnen, während der Schwangerschaft Arrhythmien zu entwickeln, ist multifaktoriell bedingt und hängt vermutlich mit einer Kombination aus hämodynamischen, hormonellen und autonomen Veränderungen zusammen, die während der Schwangerschaft auftreten
  • Krankenhauseinweisungen wegen HRS sind selten (Gesamtprävalenz: 68 – 166 pro 100.000)
  • Mortalität aufgrund HRS: ca. 3,7 %
  • HRS während der Schwangerschaft treten bei schwarzen Frauen häufiger auf als bei weißen Frauen (116 vs. 73 pro 100.000)

Palpitationen

  • Palpitationen = Herzklopfen; unangenehme Wahrnehmung des schlagenden Herzens
  • eines der häufigsten kardialen Symptomen in der Schwangerschaft
  • Spektrum der HRS, die Palpitationen zugrunde liegen, reicht von gutartigen Zuständen (z.B. Sinustachykardie, atriale oder ventrikuläre Extrasystole) bis hin zu schwerwiegenderen HRS (z. B. pSVT, Vorhofflimmern, lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien)
  • ca. 23 % der Patientinnen berichten von Palpitationen, aber nur 10 % Fälle symptomatische Episoden von Herzklopfen
  • inadäquate Sinustachykardie (definiert als Ruhe-HF von > 100/min, mittlere ambulante Herzfrequenz von > 90/min und damit verbundene Symptome) ist mit höherer Häufigkeit von Geburtseinleitungen verbunden, jedoch ohne Auswirkungen auf mütterliches oder fetales Outcome

Synkopen

  • Synkope = plötzlicher, vorübergehender Bewusstseinsverlust aufgrund einer globalen zerebralen Hypoperfusion
  • Gesamtinzidenz von Synkopen während der Schwangerschaft: 1 % (9,7/1000)
  • Patientinnen mit Synkope waren jünger (Alter < 25 Jahre) und erstgebärend
  • häufigste Synkopen-Form in Schwangerschaft = reflexvermittelte vasovagale Synkope
  • Synkope als klinisches Symptom mit einem breiten Spektrum an zugrundeliegenden Mechanismen und Ätiologien, wird bei schwangeren Patientinnen ähnlich klassifiziert wie in der Allgemeinbevölkerung (Ausnahme: Hypotension in Rücklage nur bei Schwangeren)
  • in Spätschwangerschaft bei 8 – 11 % der Frauen Abfall des RRsys um > 30 % bzw. 30 mmHg mit oder ohne Symptome, wenn sie in Rückenlage liegen (zusätzlich oft Schwindel, Übelkeit und selten Synkopen)

Klassifikation von Synkopen

neural vermittelte Reflexsynkope

reflexvermittelte Bradykardie, Vasodilatation oder beides als Mechanismus der Synkope mit typischem Prodrom aus Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Wärmegefühl, Blässe

  • vasovagale orthostatische Synkope
    • tritt in aufrechter oder sitzender Haltung mit spezifischen Auslösern auf
    • ausgelöst durch längeres Stehen
  • vasovagale emotionale Synkope
    • tritt in intensiven Situationen auf, die mit hohem Stress verbunden sind
    • ausgelöst durch Angst, Schmerz, Anblick von Blut
  • situative Synkope
    • tritt bei spezifischen Auslösern wie Miktion, Husten, Defäkation auf
    • sehr selten in der Schwangerschaft, meist bekannte Vorgeschichte
  • Karotissinus-Syndrom
    • tritt bei bestimmten Auslösern, wie Drehen des Kopfes oder Druck auf den Hals am Carotis-Sinus, auf und reproduzierbar durch Karotissinusmassage
    • sehr selten in der Schwangerschaft, meist bekannte Vorgeschichte

Synkope aufgrund von orthostatischer Hypotonie

  • ausgelöst durch Volumendepletion, medikamenteninduziert (Vasodilatatoren oder Diuretika) oder neurogen
  • Abfall des RRsys. > 20 mmHg oder RRdia. >10 mmHg bei aufrechter Haltung
    • medikamenteninduziert (Vasodilatatoren oder Diuretika)
    • oft in Verbindung mit systemischer und/oder neurologischer Erkrankung
  • Verschlimmerung durch thermischen Stress oder venöse Stauung bei körperlicher Betätigung oder nach Mahlzeiten
    • ggf. in Schwangerschaft mit Blutungen oder Erbrechen
    • sehr selten in der Schwangerschaft
    • Vorbestehendes Versagen des autonomen Nervensystems

kardiale Synkope

  • arrhythmische Synkope (Tachyarrhythmie oder Bradyarrhythmie)
    • EKG-Dokumentation während Symptome
    • Anamnese einer vorbestehenden angeborenen oder erworbenen Herzerkrankung, primären Kanalopathie oder eines vorbestehenden kongenitalen AV-Blocks
    • Anamnese von vorbestehenden Symptomen/Arhythmie
    • kein oder geringes Prodromalverhalten
    • kurze Dauer (<10 Sekunden), schnelle Erholung
    • sehr selten in der Schwangerschaft (meist schnelles, paroxysmales Herzklopfen vor einer Synkope)
  • strukturelle kardiovaskuläre Erkrankungen im Zusammenhang mit Synkopen
  • Behinderung des Blutflusses im Herzen oder in großen Gefäßen
  • vorbestehende hypertrophe Kardiomyopathue , Aortenstenose, Tamponade, Herzgeschwülste oder pulmonale Embolie
  • begleitende Symptome und Anzeichen einer zugrunde liegenden Herzerkrankung
  • krankheitsbedingte Dyspnoe, Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Zyanose
  • krankheitsspezifische EKG-Anomalien

orthostatische Hypotonie und Synkope in Rückenlage

  • Kompression der Cava inferior durch Uterus in Rückenlage in der Spätschwangerschaft
  • Linksseiten-Lage verhindert Symptome

psychogene Pseudosynkope

  • scheinbarer, aber nicht tatsächlicher Bewusstseinsverlust
  • Symptome werden beim Kipptischtest mit normalem Blutdruck, normaler Herzfrequenz und normaler EEG-Aktivität reproduziert

Management

  • ausführliche Anamnese, eingehende körperliche Untersuchung (inkl. orthostatischer Bewertung) und 12-Kanal-EKG in Ruhe, v.a. bei Palpitationen
  • bei schwangeren Patientinnen mit Synkopen die gleiche Therapie wie bei nicht-schwangeren Patientinnen durchführen
  • Linksneigung von ≥ 30 Grad oder linke Seitenlage der schwangeren Patientin bei hypotonen Patientinnen
  • CAVE: anhaltende Herzrhythmusstörungen während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko einer hämodynamischen Instabilität bei Geburt

Management der akuten supraventrikulären Tachykardie

  • synchronisierte Kardioversion mit gleicher Energie wie bei nicht-schwangeren Patientinnen bei schwangeren Patientinnen mit instabiler SVT (oder VT)
    • elektive synchronisierte Kardioversion bei schwangeren Patientinnen mit stabiler, symptomatischer SVT (oder VT), die refraktär ist oder bei der pharmakologische Therapie kontraindiziert ist
    • Elektrodenplatzierung
      • sterno-apikale Elektrodenplatzierung, v.a. Kardioversion ventrikulärer Tachykardien
      • antero-posteriore Elektrodenplatzierung, v.a. für die Kardioversion von Vorhofarrhythmien verwendet wird.
    • Elektroden so platzieren, dass das Brustgewebe wenig miteinbezogen ist, um die Stromzufuhr zum Herzen zu optimieren
  • bei akuter SVT vagale Manöver als First-Line-Therapie zur Beendigung der Tachykardie
    • Valsalva-Manöver: forcierte Exspiration gegen die verschlossene Mund- und Nasenöffnung bei gleichzeitigem Einsatz der Bauchpresse
    • Karotissinus-Massage: 5 – 10 sec lang Druck auf rechten oder linken Karotissinus ausüben (vor Karotismassage Halsschlagader auskultieren)
  • Adenosin i.v. als First-Line-Therapie bei hämodynamisch stabilen Patientinnen mit akut einsetzender SVT
  • Metoprolol oder Propranolol i.v. bei hämodynamisch stabilen Patientinnen mit akut einsetzender SVT, die refraktär ggü. Adenosin ist oder bei der eine Kontraindikation für Adenosin besteht
  • Verapamil, Diltiazem oder Procainamid i.v. erwägen bei hämodynamisch stabilen Patientinnen mit akut einsetzender SVT, die refraktär ggü. Adenosin oder Betablockern sind oder für die es Kontraindikationen gibt

Management der nicht akuten atrialen Ektopien und supraventrikulären Tachykardie

  • Metoprolol oder Propranolol bei schwangeren Patientinnen mit vorzeitiger Vorhofkontraktion und unerträglichen Symptomen
  • Beruhigung bei Patientinnen mit Kammertachykardie, die entweder asymptomatisch sind oder erträgliche Symptome haben, ohne dass eine Intervention erforderlich ist
  • Metoprolol, Propranolol und/oder Digoxin als First-Line-Therapie bei Patientinnen mit symptomatischer SVT ohne Präexzitation (alternativ Verapamil als als orale Dauer-Second-Line-Therapie)
  • aggressive Behandlung der Tachykardie mit Betablockern und frühzeitige Konsultation eines Elektrophysiologen bei schwangeren Patientinnen mit Tachykardie-induzierter Kardiomyopathie
  • Amiodaron in Betracht ziehen bei Patientinnen mit schlecht verträglicher SVT, die refraktär gegenüber anderen pharmakologischen und interventionellen Therapien ist

Management von Vorhofflimmern und Vorhofflattern

  • Gleichstromkardioversion bei Patientinnen mit akutem Vorhofflimmern oder Vorhofflattern und begleitender hämodynamischer Beeinträchtigung oder Präexzitation (gleiche Joule-Zahl wie bei gesunden Patientinnen)
  • Betablocker i.v. als First-Line-Therapie und Digoxin/Calciumantagonisten bei hämodynamisch stabilen Patientinnen mit Vorhofflimmern oder Vorhofflattern mit schneller HF
  • elektive Gleichstromkardioversion mit Antikoagulation bei Patientinnen mit Vorhofflimmern oder Vorhofflattern mit persistierenden Symptomen oder refräktärer schneller HF (gleiche Joule-Zahl wie bei gesunden Patientinnen)
  • Amiodaron in Betracht ziehen bei Patientinnen mit Vorhofflimmern oder Vorhofflattern mit anhaltenden schweren Symptomen oder schneller HF

Management ventrikulärer Arrhythmien, die nicht mit vererbten Arrhythmiesyndromen einhergehen

  • Gleichstrom-Kardioversion bei Patientinnen mit anhaltender VT und hämodynamischer Beeinträchtigung (gleiche Joule-Zahl wie bei gesunden Patientinnen)
  • Betablocker i.v. bei Patientinnen mit idiopathischer VT und hämodynamischer Stabilität sowie Adenosin i.v. für VT im Ausflusstrakt und Verapamil i.v. für faszikuläre VT
  • Procainamid als Akuttherapie bei Patientinnen mit hämodynamisch stabiler VT, wenn pharmakologische Therapie für notwendig erachtet wird
  • synchronisierte Kardioversion bei Patientinnen mit anhaltender VT, die refraktär ggü. Betablockern und/oder anderen Antiarrhythmika ist oder bei denen diese kontraindiziert sind (gleiche Joule-Zahl wie bei gesunden Patientinnen)

Management von Bradykardie und/oder AV-Block

  • temporäres, externes Pacing bei Patientinnen mit symptomatischer Bradykardie, die refraktär ist oder bei denen eine pharmakologische Therapie kontraindiziert ist, wenn das Risiko einer hämodynamischen Instabilität und/oder einer Synkope in der Peripartalperiode besteht
  • Beruhigung bei schwangeren und postpartalen Patientinnen mit asymptomatischer Sinusbradykardie oder AV-Block Typ I Mobitz
  • keine prophylaktische Platzierung der temporären, externen Herzschrittmachertherapie bei Patientinnen mit hämodynamisch stabilen und asymptomatischen angeborenen AV-Block mit akzeptabler Kammerfrequenz, engem QRS-Komplex und normaler Kammerfunktion zum Zeitpunkt der Entbindung

Advanced Cardiac Life Support (ACLS)

  • Durchführung der kardiopulmonalen Reanimation wie bei nicht-schwangeren Patientinnen
  • Gebärmutter nach links und nach oben verlagern bei Patientinnen, die sich in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft befinden, wenn der Fundus der Gebärmutter über der Höhe des mütterlichen Nabels liegt
  • Thoraxkompressionen wie bei nicht-schwangeren Patientinnen (Mitte der unteren Hälfte des Brustbeins)
  • sofortige Defibrillation bei schockbarem Rhythmus wie bei nicht-schwangeren Patientinnen (gleiche Joule-Zahl wie bei gesunden Patientinnen)
  • Defi-Patches wie bei nicht-schwangeren Patientinnen in anterolateraler Position platzieren (CAVE: sofern möglich, Brustgewebe als Klebeort vermeiden)
  • Hysterotomie während Reanimation bei schwangeren Patientinnen mit Herzstillstand im KH, wenn Gebärmutterentfernung für notwendig erachtet wird
  • Hysterotomie zu einem frühen Zeitpunkt der Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen bei schwangeren Patientinnen mit einem Herzstillstand im Gestationsalter > 20 Wochen oder wenn der Fundus uteri oberhalb des Nabels tastbar ist (Ziel: Gebärmutter idealerweise innerhalb von 5 min nach Einsetzen des Herzstillstands entfernen)
  • alle ACLS-Medikamente wie bei nicht-schwangeren Patientinnen verabreichen (keine Bedenken hinsichtlich einer fetalen Exposition oder Teratogenität)
  • ideale Stelle für i.v.-Zugang liegt oberhalb des Zwerchfells (sofern ein zentraler i.v.-Zugang nicht möglich ist, ist der Humerus i.o. eine gute Alternative)
  • mütterliche Risikofaktoren für Reanimation
    • HF > 130/min
    • AF > 30/min
    • mittlerer arterieller Druck von < 55 mmHg
    • Sauerstoffsättigung < 90%
    • abnormale Körpertemperatur
    • veränderte Bewusstseinslage und Schmerzen, die in keinem Verhältnis zum Stadium der Wehen stehen
    • fetale HF von > 160/min
Published inLeitlinien kompakt

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