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Leitlinie „Management of First-Episode Psychosis and Schizophrenia“ des VA/DoD

veröffentlichende Fachgesellschaft: Department of Veterans Affairs – Department of Defense (VA/DoD)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 24.04.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.healthquality.va.gov/guidelines/MH/scz/index.asp

Grundsätzliches

  • psychiatrische Störung, welche sich auf alle Lebensbereiche auswirkt und zu Defiziten in Wahrnehmung, Motorik, Kognition und Emotion führt
  • weltweit 24 Millionen Menschen mit Schizophrenie, also ca. eine von 300 Personen bzw. ca. 1 % der Bevölkerung
  • typisches Erkrankungsalter liegt in später Jugend bzw. im frühen Erwachsenenalter (Höhepunkt der Prävalenz im Alter von 40 Jahren)
    • bei Männern i.d.R. zwischen 18 und 25 Jahren
    • bei Frauen i.d.R. zwischen 25 und 30 Jahren
  • Männer eher betroffen als Frauen bzw. auch schlechtere Prognose bei Männern
  • Schizophrenie gehört zu den 15 häufigsten Ursachen für Behinderungen weltweit
  • Entwicklung von psychotischen Schwellensymptomen tritt häufig im Zusammenhang mit Lebensveränderungen oder Stressfaktoren auf

Ätiologie

  • neurologische Ursachen (z.B. Chorea Huntington, Parkinson, MS, Epilepsie, Beeinträchtigungen der Hör-/Sehnerven, Migräne, ZNS-Infektionen)
  • endokrine Ursachen (z.B. Hyper-/Hypothyreose, Hyper-/Hypoparathyreoidismus, Hyper-/ Hypoadrenokortizismus)
  • Stoffwechselerkrankungen (z.B. Hypoglykämie, Vitamin-B12-Mangel, Flüssigkeits- oder Elektrolytstörungen, Leber-/Nierenerkrankungen)
  • Autoimmunerkrankungen mit ZNS-Beteiligung (z.B. systemischer Lupus erythematodes, Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis)
  • ggf. ursächliche Medikamenten (z.B. Anästhetika und Analgetika, Anticholinergika, Antikonvulsiva, Antihistaminika, blutdrucksenkende und kardiovaskuläre Medikamente, Antibiotika, Antiparkinsonmittel, Chemotherapeutika, Kortikosteroide, Magen-Darm-Medikamente, Muskelrelaxantien, NSAR oder Antidepressiva)
  • bestimmte Toxinklassen (z.B. Anticholinesterase, Organophosphat-Insektizide, Sarin und andere Nervengase, CO, CO2 und flüchtige Substanzen wie Treibstoff oder Farbe)
  • Intoxikation mit Substanzen/Drogen (z.B. Alkohol, Cannabis, Halluzinogene, Inhalanzien, Sedativa, Hypnotika und Anxiolytika, Stimulanzien)
  • Drogen-/Substanz-Entzug
  • andere Ursachen (z.B. Hypoxie)

Symptomatik

  • Unterscheidung zwischen Personen mit einer echten ersten Episode einer psychotischen Störung und einer rezidivierenden Störung ist kaum möglich
  • typischerweise Prodromalperiode von Monaten bis Jahren, gekennzeichnet durch erhebliche Aufmerksamkeitsdefizite, sozialen Rückzug, Funktionseinbußen und das Auftreten von unterschwelligen psychotischen Symptomen
  • Entwicklung von psychotischen Schwellensymptomen tritt häufig im Zusammenhang mit Lebensveränderungen oder Stressfaktoren auf

Frühwarnzeichen

  • Veränderungen, die auf mögliche Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Desorganisation, funktionelle Beeinträchtigungen, unerklärliche Leistungs-/Kognitionsverschlechterungen hinweisen
  • Rückgang der Noten oder der beruflichen Leistung
  • neu auftretende Schwierigkeiten, klar zu denken oder sich zu konzentrieren
  • Misstrauen, paranoide Ideen oder Unbehagen ggü. anderen
  • sozialer Rückzug oder mehr Zeit, die man allein verbringt als gewöhnlich
  • ungewöhnliche und/oder übermäßig intensive neue Ideen, seltsame Gefühle oder auch Gefühlslosigkeit
  • Verschlechterung der Selbstfürsorge oder Körperpflege
  • Schwierigkeiten, die Realität von Fantasie zu unterscheiden
  • verwirrte Sprache oder Kommunikationsschwierigkeiten

weitere Symptome

  • Wahrnehmungsdefizite (auch Positivsymptome), wie z.B. verzerrte Reizaufnahme in Form von Halluzinationen und Wahnvorstellungen
  • motorischen Defizite wie unnatürliche Körperhaltungen, Kopf- und Schulterstellungen und/oder unwillkürliche Bewegungen von Gesicht/Extremitäten
  • Schwierigkeiten beim Denken, beim Ausdruck von Gedanken, bei der Aufmerksamkeit, beim Arbeitsgedächtnis, beim logischen Denken und bei exekutiven Funktionen
  • Negativsymptome wie verminderter emotionaler Ausdruck und starke Einschränkung zielgerichteter Aktivitäten aufgrund Mangel bzgl. Interesse/Antrieb (Negativsymptome sind stärkste Prädiktor für schlechte langfristige Funktionsfähigkeit und sagen chronischen Krankheitsverlauf voraus)
  • extrapyramidale Störungen (Zahnradphänom, Akathisie, Parkinsonismus, akute und schmerzhafte Muskeltonusveränderungen)

Komorbiditäten

  • posttraumatische Belastungsstörung (22,4 %)
  • Substanzkonsumstörung (28 %), v.a. Tabakkonsum (20,6 %)
  • Bluthochdruck (49,5 %)
  • Diabetes (30,5 %)
  • Herzinsuffizienz (6,5 %)
  • erhöhter Body-Mass-Index (BMI > 28,8)
  • erhöhtes Suizidalitätsrisiko (bei ca. 13,9 %)
  • erhöhtes Mortalität (bis zu 71 % höher)

Diagnostik & Therapie

  • Monitoring (HF, RR, EKG, Temperatur, Gewicht)
  • Überwachung der Kernsymptome von Psychose und/oder Schizophrenie
  • umfassende Untersuchung, inkl. Toxikologie- und Drogenscreening
  • umfassende (Fremd-)Anamnese, v.a. Sozialleben, Familie, Sexualität, Arbeitsplatz, Ausbildung sowie v.a. aktuellen Veränderungen in allen genannten Bereichen
  • ggf. Berücksichtigung anderer med. Erkrankungen, Infektionen oder Verletzungen
  • antipsychotische Medikation bei akuter Episode (z.B. Haldol, Clozapin, etc.)

Indikationen für dringliche Einweisung/Vorstellung

  • schwere Mordgedanken oder aggressives/gewalttätiges Verhalten
  • schwere Suizidgedanken (z.B. Suizidgedanken mit Plan oder Absicht, Vorgeschichte von suizidalem Verhalten)
  • Selbstverletzung
  • Befehlshalluzinationen, die die Sicherheit beeinträchtigen könnten (z.B. Befehle, sich selbst oder anderen zu schaden oder gefährliche Aktivitäten zu tun)
  • Katatonie oder desorganisierte Sprache/Verhaltensweisen
  • schwere Selbstvernachlässigung oder offensichtliche Unfähigkeit, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen/erledigen
  • Anzeichen von Delir, inkl. verändertes Bewusstsein
Published inLeitlinien kompakt

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