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Leitlinie „Medikamentensicherheit in der Kinderanästhesie“ der DGAI

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 24.11.2021
Ablaufdatum: 23.11.2026
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-033.html

Grundsätzliches

  • „Menschliches Versagen“ ist häufigste Fehlerquelle bei bedrohlichen Ereignissen in der Anästhesie
  • Definition Hochrisiko-Arzneimittel
    • Arzneimittel, welche bei einer falschen Anwendung ein erhöhtes Risiko für den Patienten darstellen
    • Fehler im Zusammenhang mit diesen Medikamenten müssen nicht zwingend häufiger vorkommen, jedoch sind die Folgen der tatsächlich auftretenden Fehler für den Patienten möglicherweise schwerwiegend
    • Beispiele: Kalium-Präparate, Blutund Gerinnungsprodukte, z.B. FFP/TK, Opioid-Dauerinfusion (z.B. Piritramid-PCIA), Heparin-Bolus i.v., Insulin i.v., s.c., Katecholamine/ Adrenalin i.v

Ursachen für Verwechslungen

  • ähnlich aussehende Ampullen („look-alike“)
  • ähnlich klingende Namen („sound-alike“, z.B. Esmolol/Esmeron)
  • fälschlich erwarteter oder verwechselter Lagerungsort
  • fälschlich erwarteter oder verwechselter Handlungsablauf
  • Verwechslung bzgl. Zubereitung des Medikamentes
  • Verwechslung bzgl. der enthaltenen Konzentration
  • Verwechslung bzgl. des Applikationsweges

Empfehlungen zur Vermeidung von Verwechslungen

  • Vermeiden von „ähnlich“ aussehenden („look-alikes“) oder klingenden („sound-alikes“) Medikamenten
    • Meldung in diesem Sinne verwechselbarer Medikamente an den WAKKA bzw. ans BfArM über www.akkinderanaesthesie.de
  • Vermeidung von verschiedenen Darreichungsformen und Konzentrationen (wenn unvermeidbar, dann: verschiedene Lagerungsorte)
  • Vermeidung der Verwendung von Präparaten mit und ohne Zusätze (soweit möglich und sinnvoll; mindestens ihre deutliche Kennzeichnung und unterschiedliche Lagerungsorte)
  • einheitlicher, definierter Lagerungsort für jedes Medikament
  • wenn möglich und sinnvoll: alle Narkosewagen einer Einrichtung identisch
  • umfassende Kommunikation und ggf. Warnhinweis bei verändertem Lagerungsort
  • häufig verwendete Medikamente mit Gefährdungspotential: separater Lagerungsort, Double-Check bei Verabreichung
  • selten verwendete Medikamente mit Gefährdungspotential: separater Lagerungsort außerhalb des Anästhesiearbeitsplatzes, z.B. im Medikamentenlager des OP, Double-Check bei Verabreichung (s.u.)
  • eindeutige Kennzeichnung von Spritzen (Aufkleber nach ISONorm)

Ursachen von Dosis- und Dosierungsfehlern

  • altersgruppenspezifische Zielgrößen unter spezieller Berücksichtigung der altersentsprechenden Pharmakokinetik und -dynamik
  • Unkenntnis des Gewichts eines Kindes als Grundlage zur Dosisberechnung

Empfehlungen zur Vermeidung von Dosierungsfehlern

  • zuverlässig dokumentiertes (und zuverlässig gewogenes) Gewicht
  • bei unbekanntem Gewicht Schätzung durch die Eltern oder längenbezogene Schätzung verwenden
  • Beachtung von Allergien oder Grunderkrankungen
  • tabellarische Dosierungshilfen
  • elektronische Berechnung der Dosis (z.B. Tabellenkalkulationsprogramm, Taschenrechner)
  • „aktive“ elektronische Verordnungssysteme mit integrierter Datenbank

Empfehlungen zur Vermeidung von Verordnungsfehlern

  • vollständige Anordnung und Wiederholung durch den Verabreichenden („closed loop“ Kommunikation)
  • gesamtes Team hat die Aufgabe der gegenseitigen Kontrolle, hierbei darf es keine hierarchischen Unterschiede geben
  • schriftliche Anordnung mindestens bei komplikationsträchtigen/komplexen und/oder übergebenen Verordnungen
  • erneute unabhängige Berechnung durch zweite Person – „double check

Empfehlungen zur Vermeidung von Fehlern bei der Vorbereitung

  • Verdünnungen, wenn immer möglich vermeiden (z.B. 1 mlSpritze)
  • bei Verdünnungen standardisierte Verdünnungsanweisungen erstellen und am Arbeitsplatz vorhalten
  • zuerst Trägerlösung exakt entnehmen, dann Medikament in separate Spritze exakt entnehmen und in die Trägerlösung einbringen (unter Verwendung von Aufziehkanülen bei Ampullen oder Entnahmekanülen bei Flaschen)
  • Zielkonzentration mit einfachen Rechnungen wählen
  • beim Verdünnen auf kompatible Solvens-Lösungen achten
  • beim Auflösen Anweisungen des Herstellers beachten
  • Routine-Vorbereitung in Ruhe ohne Ablenkung
  • Verunreinigungen und Kontamination vermeiden (steriles Arbeiten)
  • eindeutige Kennzeichnung von Spritzen (gemäß ISO-Norm

Maßnahmen zur sicheren Medikamentenverabreichung

  • beim „DoubleCheck“ vor jeder Medikamentengabe ist die 5-R-Regel zu beachten
    • Richtiger Patient?
    • Richtiges Medikament?
    • Richtige Dosierung?
    • Richtiger Zeitpunkt?
    • Richtiger Verabreichungsweg?

Empfehlungen zur Vermeidung von Fehlern bei der Verabreichung

  • Nachspülung nach jeder Medikamentengabe (1 – 10 mL)
  • Beachtung der empfohlenen Verabreichungs-Dauer
  • Beachtung von Kompatibilität in gemeinsamen Leitungen
  • Etikettierung von Spritzen in Infusionspumpen und der patientennahen Leitung (Aufkleber nach ISO-Norm)
  • intelligente Spritzenpumpen mit Etikett-Scanner und/oder Medikamentendatenbank
  • Überprüfung der Spritzenpumpen („Double Check“)
  • knickfreie Leitungen der Spritzenpumpen
  • Vermeiden vertikaler Lageveränderungen von Spritzenpumpen
  • Vermeiden von retrograden Fluss in zuführende Leitungen (Rückschlagventile)
  • Magensonden mit zu Luer-Lock inkompatibler, eigener Anschlussnorm und zugehörigen Spritzen
  • Kennzeichnung des zum „Zuspritzen“ geeigneten Anschlusses bei mehreren i.v.-Leitungen zum Patienten und Übergabe desselben an übernehmenden Versorgungsbereich
Published inLeitlinien kompakt

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